Donnerstag, März 24, 2005

Die Gefahren des Ostersonntags

Es gibt Tage, die harmlos wirken; aber explosive negative Höhepunkte des Jahres werden können. Ostern ist so einer, Muttertag, Nikolaus, Weihnachten und Mutters Geburtstag die anderen. Intelligente Leser ahnen, worauf ich hinauswill: Mutter möchte an diesen Tagen auch eine Kleinigkeit geschenkt bekommen.

Geburtstag und Weihnachten ist ja selbstverständlich; aber ich brauchte einige Zeit, um zu begreifen, dass ein fehlendes Präsent an Ostern und Nikolaus latente Unzufriedenheitsgefühle bei meiner Mutter auslöst.

Meine cleveren Schwestern begriffen das früher als ich. Daher zierten an solchen Tagen Heiligenscheine die Köpfe meiner Schwestern, während über meinem Teufelshörner zu blitzen scheinen. Nach Nikolaus vor zwei Jahren habe ich es auch begriffen. Ich erhielt von meiner Mutter einen Schokonikolaus geschenkt, freute mich, bedankte mich und wurde danach nur noch angegiftet. Ich schien auch alles falsch zu machen. Ich fragte meine Schwester, was denn mit Mutter los sei und erhielt die Antwort, sie sei gekränkt, weil sie nichts zu Nikolaus von mir bekommen hätte. Als Mann muß einem das auch gesagt werden. Wie soll ich mit meiner einfachen Struktur den Vorwurf des Handtuchfalschaufhängens mit einem fehlenden Nikolauspräsent in Zusammenhang bringen, von dem mir nicht mal klar war, dass es fehlte und erforderlich war.

Seitdem sind solche Tage mit Erinnerungen in meinem Outlook versehen. Bereits drei Wochen vorher blinkt täglich die Aufgabe von höchster Priorität "Ostergeschenk besorgen". Doch was kann ich jemanden schenken, der materiell rundung glücklich ist, und ohne es zu wissen radikal Feng Shui gegen das Gerümpel im Alltag praktiziert?

Schwierig. Vor einiger Zeit hatte Annette die Idee, meiner Mutter zum Muttertag einen mechanischen Apfelschäler zu schenken. Ich beteiligte mich an diesem nicht gerade preiswerten Teil. Obwohl ich selber keine Äpfel schäle, war ich von diesem technischen Spielzeug fasziniert. In Sekundenschnelle erzeugte der Schäler selbst für manuelle Legastheniker wie mich einen einzigen langen Apfelschalenstreifen. Okay, kein praktischer Nutzen; aber fürs Auge toll.

Als ich Mutter am folgenden Wochenende besuchte, wurde ich mit den Worten begrüßt "Stell Dir vor, was Annette mir für einen Mist geschenkt hat. Was soll ich mit einem Apfelschäler? Kannst Du den bei Ebay verkaufen?" Als ich einräumte, ebenfalls für dieses Präsent verantworlich zu sein, dehnte sich ihr Missfallen auch auf ich aus. Wir hätten wissen müssen, dass sie keinen unnützen Krempel braucht. Okay, ein offensichtlicher Griff ins Klo.

Auch die wirklich ausgezeichneten und nicht gerade "billigen" CDs eines Chris Mulzer wurden in die Kategorie Krempel eingeordnet, denn sie wurden sofort Annette weitergeschenkt, worüber die sich natürlich einen Arm abfreute.

Ein Freund meinte einmal, der Akt des Schenkens sollte der Freude des Schenkenden und weniger der des Beschenkten dienen. Da hat er vollkommen recht. Ich schenke auch supergerne, allerdings fiel es mir bei meiner Mutter doch in der Vergangenheit sehr schwer, diese Freude aufrechtzuhalten.

Mittlerweile bin ich schlauer und erwerbe Geschenke in einem Ladeen, den ich sonst nie im Leben betreten würde: Dem Reformhaus. So betrat ich gestern diesen Tempel der unnützen Fressalien. Vornehme Atmosphäre. Die Inhaberin trug ein Monokel und fragte mich einige Male, ob ich eine Beratung bräuchte. Da ich nicht wie ein typischer Reformhauskunde aussehe, war ich per se verdächtig. Und da die Preise anscheinend in türkischer Lira ausgezeichnet waren, hätte man beim Klau von lediglich zwei Artikeln beim entsprechenden Wiederverkauf beim Hehler des Vertrauens den Wert eines nagelneuen Autoradios erzielt.

Ich entschied mich dann für 30 g ayurvedischen Aura Tee (2,99 €), 125 g schonend getrocknete Mangostreifen (3,55 €) 125 g glutanfreie fruchtig-süße Papaya-Stücke (3,25 €) und 750 ml Preiselbeer-Apfel-Schorle für läppische 2,30 €. Um Missverständnissen vorzubeugen: Beim Schenken kommt es mir nicht aufs Geld an. Allerdings habe ich im Reformhaus den Eindruck, wie beim Kauf einer Schachtel Zigaretten etwas für die Renten der Solidargemeinschaft und die Bekämpfung des internationalen Terrorismus zu tun. Oder wie erklärt sich ansonsten ein Preis von fast 3 Cent für ein Gramm Mangostreifen? Und dabei haben die noch nicht einmal Kosten für Pestizide, Schwefel und was unser Körper sonst zum Überleben braucht.

Nun interessierte es mich, welche Zielgruppe das Geschäft anspricht, da ja kein normaler Mensch es sich leisten kann im Reformhaus Stammkunde zu sein. Außer mir war auch nur eine andere Kundin im Laden. Engländerin. Wenn ich die Kohle hätte, würde ich für getrocknete Papayastücke auch den Flieger von Manchester nach Düsseldorf nehmen, mich ins Taxi setzen, um mein Lieblingsreformhaus zu besuchen.

Jedenfalls liess ich mich überreden, ein Exemplar des Reformhaus-Kuriers, der laut Cover die Monats-Hits enthält, mitzunehmen. Es ist schier unbegreiflich, was dort für lustige Produkte propagiert werden: Muschel-Balsam für die Gelenke, Soja-Isoflavonen Klima-Aktiv-Kapseln mit Pillendöschen auf jeder Super-Sparpackung, Kiwizym Powerenzyme für die wirksamere Verdauung, Soja-Leberkäse, Lüneburger Tofuräucherwürstchen oder Pasta Chuta Nudelsauce Bolognese aus was weiß ich. Fernsehprediger Jürgen Fliege wirbt für Nachtkerzenöl zur Unterstützung des natürlichen Stoffwechsels der Frau. Was weiss Fliege über den Stoffwechsel der Frau? Hat mir schon zu denken gegeben.

Lustig: Nachdem man sich mit oben genannten Leckerlis gesundgestopft hat, kann sich der gesundheitsbewusste Reformhauskunde noch im Vital-Hotel Röther fitfasten. Müde, matt und schlapp? Nicht nach zwei Wochen Essensentzug am Bodensee.

Dies wirft natürlich die Frage nach dem Sinn dieser vollkommen überteuerten Produkte auf. Verschaffen sie wirklich mehr Gesundheit oder ist man nach dem Genuss von Dr. Grandles Memory PS Gedächtnislecithins so degeneriert, dass man andere Mittelchen einschmeißen muss, um ein halbwegs lebenswertes Leben zu fristen?

Ich bin mir nicht sicher. Sicher ist jedoch, dass ich mit meinen Geschenken euphorische Freude bei meiner Mutter auslösen werde und wieder die Freude des Schenkenden genießen darf.

In diesem Sinne frohe Ostern und alles Liebe von der Sonnenseite des Lebens

Michael

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