Samstag, März 19, 2005

Boah Boa!

Ich starte heute mit zwei Synonymen, die kombiniert ein drittes Synonym ergeben. Wer meinen Hang zu platten Witzen kennt, ist nicht weiter verwundert. Meistens dehne ich sie sogar auf 240 Seiten auf und nenne sie Roman. Ups, jetzt kennt jeder das Erfolgsgeheimnis. Egal.

Zwanzig Jahre Independent. Ist das echt schon so lange her? Anscheinend. Meine letzte Boa-Scheibe war "Lord Garbage" ohne Gesangs- und Lebenspartnerin Pia. Die war ganz nett, die CD meine ich. Ist das nicht das Schlimmste, was man über jemanden sagen kann. Du bist ganz nett oder dein Anblick tut mir nicht weh? Ich hasse / liebe dich deutet immerhin auf eine wieauchimmergeartete Beziehung zu der Person / der CD hin. Aber Ganznettsein = Scheißegalsein. Daher konnte ich mich auch danach zum Kauf keiner Boa-CD mehr zwingen. Ein Fehler? Jedenfalls zog mich eine unsichtbare Kraft machtvoll zu diesem Konzert. Schließlich habe ich viele prägende Ereignisse mit musikalischer Boabegeleitung erlebt: Die erste Alkoholvergiftung, die Nacht im Knast und den Abiskandal um nur die harmlosesten zu nennen.

Um neunzehn Uhr dreißig startete mein Jaguar Richtung Essen, um neunzehn Uhr fünfzig stand ich an einer Ampel auf der Wilhelm-Niesswand-Allee (wer zum Henker ist eigentlich Willi Niesswand?). Eine silberne Familienkutsche von Renault oder so parkte neben mir. Der Fahrer drehte das Seitenfenster runter und fragte mich:

"Ey, Alter, bisse aus Katernberg?"

Für Ortsunkundige. Katernberg ist ein Essener Stadtteil irgendwo zwischen Altenessen und Steele glaube ich. Ich war nur einmal dort. Als Sechsjähriger begleitete ich meine Eltern, die dort einen Staubsauger reparieren liessen. Das graue Gschäft lag in einer grauen Strasse und das Allerschlimmste: Der graue Staubsaugerreparierer verkaufte bunte Nicole-CDs. Da stand schon im Knirpsalter für mir fest: Hier willst du nie wieder hin.

Allerdings konnte ich die Frage rein intelektuell nicht begreifen. "Sehe ich so aus", fragte ich.

Hier ein Foto von mir (links) mit einem begeisterten Fan nach einer Lesung:



Hier ein Foto des typischen Katernbergers Mitte März nach Beendigung des Winterschlafs:



Frappierender Unterschied, was? Er verneinte meine Frage. Hatte er noch mal Glück. "Wie komme ich denn nach Katernberg?" - "Immer geradeaus", riet ich. Pech für ihn, dass ich so ehrlich aussehe, denn er folgte meinem Ratschlag. Hoffentlich durchfährt er im Laufe der Woche die Stadtmauern dieses reizenden Fleckchen Deutschland.

Jetzt aber zum Konzert. Vorbands sind ja in der Regel eher eine Plage als eine Wonne. Bei Kreator fand ich einen Opener gut, einen er- und den letzten unerträglich. Eigentlich ein Grund eine Minderung des Kartenpreises zu verlangen.

Timid Tiger aus Köln waren aber grandios. Fast jeder Song ein Hammer und eine unheimlich sympathische Bühnenpräsenz. Ich hätte alle Tonträger von ihnen erworben, aber leider gibt es die komplette CD erst im März. Momentan ist nur eine Single auf dem Markt. Verspielter britischer Pop, der gute Laune macht, passt es für mich am ehsten. Aber kein Britpop! Ich werde auf jeden Fall weitere Konzerte der Jungs besuchen.



Boa mischte alte und neue Songs hälftig. Da die neueren Sachen teilweise auch wirklich gut waren, bedauere ich ein wenig, ihn aus den Augen verloren zu haben. Aber das wird nachgeholt. Versprochen. Die sehr ruhige und mysteriöse Version von "Fine Art in Silver" war mein persönlicher Höhepunkt, aber auch die beiden Velvet-Underground-Cover waren nicht von schlechten Eltern. Wenn ihr meine Musikgeschichte der Popmusik aufmerksam gelesen habt, wisst ihr ja, dass es in den Sechzigern nur drei gute Bands gegeben hat: Beach Boys, Doors und Velvet Underground. Danach gab es erst wieder hörbare Mucke in den Achtzigern. Jedenfalls keimten diverse Nostalgiegefühle im mir auf. Ein packendes Konzert.

Nun, auf dem Rückweg irrte ich allerdings wie der Katernbergpilger durch die Gegend. Da war ein großer, unübersichtlicher und vor allem völlig unnötiger Kreisverkehr, in dem ich anscheinend die falsche Ausfahrt wählte. Auf einmal war ich in Gelsenkirchen an der Trabrennbahn. Gott sei Dank hab ich keinen wie mich getroffen, der mir den Wez zeigte. Denn jetzt bin ich ja wieder zu Hause, wie ihr an diesen Zeilen lesen könnt. Ich habe gelernt: Schick keine Asi in die Irre!

Genug gelernt für heute. Einen wunderschönen Samstag Michael

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