Beziehung erleichtern vieles im Leben. Würde wahrscheinlich jeder unterschreiben. Reframed man den Begriff mit negativer Konnotation heißt es Seilschaft und erinnert an die fünfundsiebzigjährige Doppelspitze namens Mayer-Dingsbums im Vorstand des DFBs, der noch immer nicht genug Penunzen für die Rente angehäuft hat.
Doch positiv formuliert heisst es im Neudeutschen Networking. Klingt viel besser, was? Ein Netzwerk verschafft wertvolle private und geschäftliche Kontakte. Die Idee gefällt mir.
Allerdings besaß ich besher nur Freunde und Verwandte ohne nennenswerten Einfluss. Echt wahr. Okay, mein Vater war zwar Lehrer an der Schule, an der ich es mehr oder weniger problemlos bis zum Abitur geschafft habe, doch war diese Beziehung nützlich? Die meisten Lehrer gaben mir selbst in meinen Lieblingsfächern eher reservierte Noten, weil sie den Sohn des Kollegen nicht bevorzugen durften.
Ich kann es ja heute gestehen. Gedichtsinterpretationen waren mir immer ein Greul. Warum nicht die häusliche Beziehung nutzen? Ich reichte während meiner Schulkarriere drei Interpretationen meines Vaters ein. Durch ein verzweifeltes "Papa, kannst du mir mal eben helfen?" ließ sich das Vaterherz leicht erweichen. Allerdings bewerteten die Kollegen meines Vaters seine Leistungen genauso zurückhaltend wie meine: Eine drei plus und zwei Vierer sprangen raus. Ich habe es ihm nie erzählt, denn der vorprogammierte Ärger hätte mir die gesamte gloreiche Zukunft kosten können. Also Gedichte wieder selber interpretieren ohne Networking.
Ich hatte schon die Hoffnung aufgegeben, jemals von einer nutzreichen Beziehung im Leben zu profitieren; mich als im Sonnenschein aalender Amigo zu fühlen. Da erzählte ein Kumpel neulich von seinem Job. Ich hatte ihm früher mal eine Stelle als Aushilfsfahrer bei meinem damaligen Arbeitgeber verschafft. Okay, die Stelle war eine Qual. So wurde er ohne Straßenangabe mit einer Fuhre Parkett nach Essen geschickt mit dem Hinweis: Er solle an der Tankstelle nach einer Baustelle fragen. Die wüßten Bescheid. Wer nur ein bisschen Ortskenntnis von Essen hat, weiß, es gibt in der 600' Einwohnerstadt einige Tankstellen und einige Baustellen. Nach acht Stunden kam er entnervt zurück, sagte dem Bauleiter, die Baustelle sei in Essen unbekannt und kündigte. Seine Courage hat mich insgeheim gefreut, obwohl ich einen neuen Fahrer suchen mußte.
Dies tat unserem guten persönlichen Verhältnis jedoch keinen Abbruch. Und heute arbeitet er bei einem großen Mineralölkonzern. Und während er so in heimeliger Kneipenathmosphäre erzählte, meinte er auf einmal: "Ich kann alles über jeden Mitarbeiter unseres Unternehmens herausfinden. Alle Daten gehen über meinen Schreibtisch."
'Hm' dachte ich. 'Beziehung! :-)' Aber wofür nutzen? Da fiel mir eine hübsche Kassiererin in der Tankstelle bei mir um die Ecke ein. Ich meinte "Dann sieh doch mal zu, was Du über die rausfinden kannst. Ich nehme alle Infos. Ich weiß allerdings nur, dass sie mit Vornamen Nophretete heißt." Den Namen habe ich natürlich aus Datenschutzgründen geändert. Jedenfalls entgegnete er "Kein Problem. Morgen weißt Du alles über sie."
Ich hatte eine schlaflose Nacht. Wie konnte ich die Infos anwenden. "Hi N., Du siehst aus als wärest Du vom Sternzeichen her Skorpion. Schade, dass Du Deiner Nasenspitze nach zu urteilen geschieden bist. Männer sind auch Schweine, bis auf mich." Eventuell waren ja nicht nur Hardfacts wie Geburtsdatum, Familienstand und Adresse zu erfahren, sondern auch die Ergebnisse eines psychologischen Einstellungstests.
"Baby, ich kenne Dich genau: Wenn Du eine Blume wärst, dann nur die madagaskanische Schwertlilie. Ein Tier, Libelle, weil die glücklich durchs Leben schweben. Eine Band, Klee, weil deren leicht melancholische Texte Dein Lebensgefühl widerspiegeln. Ein Auto, Jaguar, weil er genausoviel Klasse wie Du besitzt."
Und sie würde innerlich vor Ehrfurcht erbeben und denken: "Endlich ein Mann, der mich ganz genau kennt. Und dabei sehe ich ihn höchstens alle drei Wochen, wenn er Zigaretten kauft. Wie das nur macht."
Spätestens zu diesem Zeitpunkt dürfte dem letzten zweifelnden Leser klar sein, dass Networking eine supergeile Sache ist. Und auf meinen Kumpel war Verlass. Prompt traf am nächsten Tag eine Mail mit dem Betreff Nophretete bei mir ein. Ich goss mir einen frischen Latte Macciato ein. Genoss einen Schluck. Zündete mir eine dicke Zigarre aus Kuba frisch aus dem Humidor an. Und dann: Mit zitternden Fingern öffnete ich die glückverheißende Botschaft.
"Die Tussi hat leider nicht die Miarbeiterzeitschrift abonniert. Überrede sie dazu, oder ich kann nichts über sie herausfinden. Tut mir Leid."
Die bereits in Zement gegossenen Träume zerbröckelten in Sekundenschnelle und ich fragte mich, ob ich jemals eine reibungslos funktionierendes Netzwerk aufbauen könnte. Wer mehr Glück mit Networking als ich hatte, möge seine Erfahrungen posten.
Ich habe aber die Hoffnung (noch) nicht aufgegeben und wünschen allen einen sonnigen Sonntag
Liebe Grüße Michael
Böse Stimmen bezeichnen ihn als Mischung aus Mario Barth und Mr. Bean. Mit Recht. Homepage:www.rockdasdorf.de
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