Da ich diese Frage andauernd von Kolleginnen / Kollegen gestellt bekomme, deren Schubladen von Manuskripten, Fragmenten und Enzyklopädien von Gedichten überquellen, gebe ich heute die ultimative Antwort.
Zunächst muss ich immer mit dem NLP-Metamodell die Frage stellen: Was verstehst Du unter Erfolg? Ein Stephen King definiert Erfolg wahrscheinlich anders als ein Günter Grass (obwohl ich bezweifele, dass ein Buchclubschriftsteller das noch macht) oder Erna Kaluppke aus Bottrop-Boy, die ihre Erfahrungen aus dem letzten Krieg schriftlich niedergelegt hat. Meistens kommt schnell heraus, dass es den meisten erstmal um die Veröffentlich geht. Wie werde ich veröffentlicht?
Aha. Diese Frage ist schnell beantwortet. Du hast eine Tante, die einen gutgehenden Verlag besitzt, und der das Risiko eines Flopps egal ist. Hast Du? Okay, die Sache dürfte ein Selbstläufer werden.
Hast Du nicht? Pech gehabt. Trotz Talents, guter Ideen und eines brillanten Romans wirst Du wahrscheinlich nie veröffentlicht werden.
Wie kann es doch mit der Veröffentlichung klappen? Engagiere einen Voodoopriester, erwerbe ein Radionikgerät mit integriertem Chi-Generator oder kaufe zumindest Bärbel Mohrs Buch "Bestellungen beim Universum" und arbeite es sorgfältig durch. Den meisten Menschen erscheint dieser Vorschlag zu esoterisch abgedriftet zu sein, als dass sie ihn befolgen würden. Wenn ich allerdings die Geschichte unserer ersten Veröffentlichung betrachte, halte ich ihn für den einzigst praktikabelen.
Unser erstes Buch entstand aus einer Bierlaune heraus. Martin und ich spielten gemeinsam in einer Band, die durch die Unzuverlässigkeit der meisten anderen Bandmitglieder nur mäßigen Erfolg hatte. Uns kam der Gedanke, etwas zu machen, wofür wir alleine verantwortlich und damit gezwungenermaßen erfolgreich wären. Ja, ich weiß es! Das war vollkommen naiv.
Aber worüber schreiben. Es gab vor Urzeiten die Kultserie "Ausgerechnet Alaska" auf Vox und RTL. Die Geschichten waren originell, die Charaktere Unikate und die Dialoge knallten. Das Grundkonzept verlegten wir ins Münsterland und der arrogante, aber nicht unsympathische Arzt wurde zum Detektiv. Genial, ich klopf mir noch heute auf die Schulter.
Trotz des überragenden Grundkonzepts war dieser Roman allerdings grottenschlecht. Trotz einiger durchaus gelungener Elemente dümpelte die Handlung durchsichtig vor sich auf einen mehr als schwachen Höhepunkt hin. Wir waren allerdings so elanvoll, dass zwei weitere durchaus ansehliche Romane folgten. Alles Manuskripte wurden als zusammengehefte Kopien an fast alle Freunde und Bekannte verteilt. Von den meisten erfolgte durchaus positives Feedback und heute werden diese Mappen zu horrenden Preisen bei Ebay versteigert.
Durch Zufall traf ich dann eines Tages meinen früheren Deutschlehrer wieder, zu dem ich immer schon ein gutes Verhältnis hatte. Ich schickte ihm unser erstes Buch mit dem lahmen Titel "Berufswechsel & Konsequenzen". Er war únverständlicherweise so begeistert davon, dass er es dem Verleger eines bekannten Regionalkrimiverlags in Dortmund schickte, den er persönlich kannte. Ihr erinnert Euch an die Tante mit dem Verlag? Genauso fühlte ich mich damals.
Die Antwort des Verlagers war allerdings ernüchternd: Das Buch sei sexistisch. Wenn er so was verlegen würde, würde keine Frau mehr ein Buch aus seinem Verlag lesen. Bums. Unser Konzept hatten wir als Antithese zum körnerfressenden Altachtundsechzigerdetektiv der Neunziger verstanden. Anscheinend war die Zeit nicht reif. Da allerdings keine unserer weiblichen Bekannten ähnliche Aussagen zu Protokoll gegeben hatten, nahmen wir die Kritik nicht allzu ernst und schrieben in einer großen Marketingoffensive die Verlage an.
Das Ergebnis war ernüchternd. Nur Formbriefe mit Absagen. Der einzige etwas persönlich gehaltene Brief tat kund, dass jener Verlag nur Krimis mit literarischer These (diese Floskel wurde aber nicht näher erläutert) veröffentliche. Wir sollten uns doch mal einige Bücher aus seinem Verlag zu Gemüte führen, um gute Krimis kennenzulernen. Gott sei Dank für unsere weitere literarische Zukunft war ein Prospekt mit verheißungsvollen Titeln wie "Der Glöckner am Glockenseil" oder "Die Katze mit dem Messer im Bauch" beigefügt.
Doch eines Tages, die Sonne strahlte, die Rotkehlchen jubilierten und der Flieder blühte bekamen wir eine Zusage. Dem Jasmin-Eichner-Verlag in Offenburg hatte unser Buch so gut gefallen, dass sie es veröffentlichen wollten. G E I L! Wir vereinbarten einen Termin zur Vertragsunterzeichnung und begaben uns ins etwa 600 km entfernte Offernburg,
Jasmin Eichner war eine durchaus nicht unsympathische, energische Frau Ende der 30er. Allerdings vermittelte sie nicht den Eindruck, dass sie unser Buch gelesen hatte. Na gut, hatte vielleicht einer ihrer Lektoren gemacht. Dann kam der Pferdefuß: Wir sollten einie gewisse Anzahl von Exemplaren abnehmen, um ihr Risiko zu minimieren. Okay, wir waren Greenhorns was das Verlagsbusiness anging und Diogenes und Ullstein hatten uns abgelehnt. Es schien uns die einzige Möglichkeit zu sein, unser Buch unters Volk zu bringen.
Wir unterzeichneten den Vertrag, obwohl 2000 DM pro Person für einen Studenten und einen Berufsanfänger ziemlích viel Kohle waren. Zum Glück gab mir meine Oma noch etwas dazu. Wenn Enkel schon mal ein Buch schreibt, mußte er auch unterstützt werden. Tja, auf meine liebe Oma konnte ich mich immer verlassen.
Leider hörten wir nach der Überweisung des Geldes nichts mehr von dem Verlag. Bei Anrufen war Frau Eichner immer außer Haus und etwa zwei Monate nach Vertragsunterzeichung kam ein Schreiben vom AG Offenburg, dass Frau Eichner Konkurs angemeldet habe. Wie ein späteres Schreiben der Staatsanwaltschaft erhellte, hatte sie auch bereits vor unserer Vertragsunterzeichung das gesamte Anlagevrmögen wie die Druckerei in liquide Mittel umgewandelt und alles war weg. Doll.
Der Höhepunkt war dann ein Brief von Frau Eichner, in dem sie über ihr hartes persönliches Schicksal klagte und den ehemaligen Autoren den Beitritt zu einer Auffanggesellschaft unter ihrer Geschäftsführung nahelegte. Mit 6.000 DM war man dabei. Unverständlicherweise sollen einige Autoren diesem Aufruf gefolgt sein. Wir waren erstmal von dem Abenteuer Buchveröffentlichung geheilt.
Erst Jahre später stolperten wir über das Herstellungsverfahren BoD. Damit konnten Bücher zu überschaubaren Preisen produziert werden. Es klappte auch alles schnell und unkompliziert und nach ca. drei Monaten hatten wir unser eigenes Buch in der Hand. Unser primäres Ziel war es nun, die ungefähr 700 Euro Produktionskosten wieder hereinzuholen.
Der Anfang war mühsam. Martin rannte mit einem Bauchladen durch seine Firma und vertickte Bücher. Ich stellte mich in der Duisburger Fußgängerzone neben den Verkäufer der Obdachlosenzeitung und betrieb Werbung übers Megaphon, als wäre ich Kandidat bei Big Boss mit Reiner Calmund.
Doch durch Mund-zu-Mund-Propaganda verkaufte sich das Buch langsam von alleine. Nach einem Jahr hatten wir die Herstellungskosten im Sack und schrieben schwarze Zahlen. Natürlich gab es auch Leute, denen das Buch nicht gefiel. Gerade die Deutschen sind ja ein "kritisches" Volk, das lieber den 20. Mankell-Aufguss liest, als sich etwas neuem zu öffnen. Aber die Misanthrophen waren doch eher in der MInderheit.
So schickten wir unsere anderen Manuskripte unter Hinweis auf die guten Verkaufszahlen erneut an die großen Verlage, u.a. auch an Regionalkrimiverleger aus Dortmund.
Und genau an meinem Geburtstag im letzten Jahr kam der Brief. Allerdings wieder nur eine Absage. Aber persönlich. :-) Das Buch sei zwar nett; aber zu langweilig. Angsichts der sonstigen oft gesichtslosen Produkte dieses Verlages rief diese Einschätzung nur unser Kopfschütteln hervor. Sind Bücher, in denen der Autor sämtliche Straßen Recklinghausens aufzählt spannender als ein actiongeladener humoriger Thriller?
Nun, Martin meinte jedenfalls, er hätte nichts anderes erwartet. Woraufhin ich erwiderte, wer weiß wofür das gut ist.. Und das stellte sich bereits zwei Tage später heraus. Eine Mail von einer Andrea Wildgruber (an dieser Stelle heißen Dank, Andrea!) lag in meinem Briefkasten. Sie sei an unserem Buch interessiert. Ich solle ihr das doch mal zuschicken. Diese Andrea war Lektorin beim Ullstein-Verlag, wie sich bei einem Telefonat herausstellte. Ich schickte ihr gleich alle vorhandenen Bücher der Reihe zu. Und nach etwa drei Monaten erhielten wir dann den Vertrag zugeschickt. Und wir erhielten sogar Geld dafür und mußten nichts zahlen. Wow.
Unser erstes Buch wurde mit Hilfe von Lothar Strüh (danke, Lothar!) aufpoliert und ist wirklich ein fulminanter, ungemein witziger Krimi geworden. Wer hätte das gedacht.
Dies ist also mein für jeden gangbarer Weg zu Ruhm und Erfolg. Wenn Du keine reichte Tante hast, veröffentliche Dein Buch selber, bewirb es, so dass es sich gut verkauft. Ach, und glaub immer an dich selber. Sonst tut es eh keiner. Die Verlage klopfen dann von selber an deine Tür.
in diesem Sinne sy Michael