Donnerstag, Mai 19, 2005

Sweet sixteen

Wo ich die Entstehungsgeschichte der Micky Idol Songs erkläre, wäre chronologisch die Story von unserem Auftritt im Love and Passion Casino in Vegas an der Reihe. Erbaut von einem Sohn der Gangsterlegenede Bugsy Siegel sind die dunklen Vibrationen des organisierten Verbrechens noch heute in dieser Lasterhöhle zu spüren, wie wir am eigenen Leib erfahren durften. Aber dazu ein anderes Mal mehr.

Später führte uns jedenfalls unsere Reise nach Louisiana. Wie der Name bereits sagt, war dieser Staat früher eine europäische Kolonie. Weltberühmt ist New Orleans für europäisches Flair, das Mardi Gras Festival, was wir leider versäumten, und die musikalischen Hochleistungen von Musikern wie Dr. John oder Professor Longhair.

Drei Tage Durchfeiern war angesagt. Leider landete Aioli nach einer Prügelei für eine Nacht im Bau, so dass wir der Route des Mississipi nach Baton Rouge, Regieruingssitz des Staates, folgten. Baton Rouge beherbergt die Universität von Lousiana und ist durch seine vielfältige Architektur und große Anzahl an Clubs ebenfalls einen Besuch wert.

Besonders die in Louisiana gepflegte Zydeco-Kultur zog uns magisch an. Dies ist die Musik der meistens französisch sprechenden Farbigen und ist eine Abart des Blues, mit Akkordeon und Waschbrett zelebriert. Boozoo Chavis, Beau Jocque und Johnny Delafose sind bekannte Vertreter dieses packenden, hypnotischen und stimmungsboostenden Stils.

In einem kleinen Café lernten wir einen Typen namens Jimbo kennen, der einige Acts des lokalen Szene managte. Er lud uns am Abend zu einem Konzert in einem Club namens Bayou Bronx ein, in dem der legendäre Gitarrist Johnny Winston spielen sollte. Wir könnten dort als Vorband auftreten.

Gesagt getan. Das Bayou Bronw war eine dieser dunklen verrauchten (wo gibt es das noch in Amiland) Bars, in denen bei zwanzig Zuhörern fünfhundert Jahre Knast versammelt sind. Niedrige Eintrittspreise von drei Dollar haben ihre Nachteile. WIr durften das Equipment von Johnnys Band benutzen. Mehr als ein Gesangsmikro, Gitarre, Bass und Drums brauchten wir auch nicht. Vom meist farbigen und hispano-amerikanischen Publikum wurden wir zunächst misstrauisch beäugt, was sich auch verbal in einigen Äußerungen niederschlug, die zumindest Lennarts Herz in die Hose rutschen ließen.

Unbeirrt stimmten wir einige Highlights der Chris Bresser Phase mit You owe me some kind of love, Heart full of soul und Voodoo an. Bereits beim zweiten Song kochte der Saal. Die Girls tanzten wie aufgedreht und die Männer schlugen sich (und vor allem uns) nicht die Köpfe ein, was wir als enormen Erfolg unserem Konto gutschrieben.

Während anschließend Mr. Winston in wilder Exstase Standards wie Sugar Pie Honey Bunch, Hear a train coming, Hava Nagila und viele mehr zelebrierte, kippten wir uns an der Bar einige Getränke hinter die Binde. Nach zwei schweißtreibenden Stunden war Johnnys Set fertig. Plötzlich setzte sich Jimbo neben mich. "Johnny liked you gig, guys", erklärte er mir. "He wants to get to know you." Er führte uns in den Backstagebereich, der aus einem kleinen Kellerraum mit schmuddeligen Sofas, einem mit Alkoholika zugestellten brandfleckübersäten Tisch und mit Konzertpostern verhangenen Wänden bestand. Heimelige Atmosphäre, dachte ich bei mir.

Johnny trohnte auf einem antiken Ohrensessel aus rosa Plüsch. Er mochte zwischen sechzig und siebzig sein und stelle auch abseits der Bühne etwas dar. Irgendwie hatte sein Aura etwas Zwingendes und auch Bedrohliches, das ich nicht näher in Worte fassen kann. Am meisten faszinierte mich sein Stock mit einem ausgestopften Schlangenkopf. Stellt euch vor, ihr trefft hier in Deutschland jemanden mit einer solchen "Reliquie". Hammerhart.

"Very nice music, boys", begrüßte er uns. Wir waren froh, dass er uns mochte, fragt mich nicht warum. Aber allein durch den Schlangenstab vermittelte er den Eindruck, übernatürliche Kräfte zu besitzen, die bestimmt nicht besonders angenehm waren, wenn er sich über jemanden ärgerte. "Wanna have some fun? I knew a very nice place", strich er Asche von seiner geradezu monströsen Zigarre an der Sessellehne ab.

"Sure, Johnny", versicherte ich rasch und erntete entsetzte Blicke meiner Kollegen. Aber ich wollte mir nicht nachsagen lassen, die Einladung einer solchen Legende abgeschlagen zu haben. Wohin wollte er uns mitnehmen? Ein anderes Konzert oder einen besseren Club. "Er will bestimmt in ein Bordell", flüsterte Dr. Groove ängstlich. "Ich habe nur noch ein beschränktes Budget. Das gibt ein Fiasko."

Wir sollten uns alle irren. Wir fuhren mit Johnny totenkopfverziertem Bandbus aus der Stadt, zu den Sümpfen. Das Zirpen der Zirkaden wurden von treibenden Trommelschlägen übertönt. Dazu tanzten etwa fünfzig Leute, ausschließlich Farbige, exstatisch. Ihre entrückten Gesichter nahmen unsere Ankunft gar nicht wahr. Vor einem hell lodernden Feuer war eine Art Altar aufgebaut. Soviel konnte ich in der Dunkelheit erkénnen. Darauf lag ein Messer und ein großer pokalartiger Becher. "Dance with us", wies uns Johnny an.

Wir bewegten uns vorsichtig wie Bewerungslegastheniker, mit einem wachen Augen immer die Menschen um uns im Blickwinkel. Nach etwa einer halben Stunde -mein Zeitgefühl schien sich irgendwie zu verzerren- verstummte die Trommel und Johnny trat vor den Tisch und nahm das Messer in die Hand. Er sprach mit fester Stimme Worte, die wir nicht verstanden. Es war jedenfalls weder Englisch noch Kreolisch, die in Lousiana gesprochene Abart des Französischen. Daraufhin brachte ein graziles schwarzes Mädchen ein lebendes Huhn herbei. Sie hielt es hoch, sodass jeder es sehen konnte. Johnny sagte wieder etwas, was wir nicht verstanden, und schnitt dem Huhn die Kehle durch. Das Blut schoss wie eine Föntäne aus dem Hals des Tieres. Johnny legte schnell das Messer bei Seite und ließ das Huhn in den Becher ausbluten. Anschließend wurde der Kadaver ins Feuer geworfen. Er trank einen Schluck, wobei sich mein Magen zusammenzog, wie ihr euch vielleicht vorstellen könnt. Zwei Männer näherten sich dem Altar, das schien wirklich die Bedeutung des Tisches zu sein, und tranken das Hühnerblut.

Das Mädchen verschwand kurz und tauchte mit einem anderen Huhn wieder auf. Während ich wie gebannt zuschaute, klopfte mir Aioli auf die Schulter. "Lass uns abhauen, das ist mir zu spooky", vermeinte ich ein Zittern in seiner Stimme zu hören. Doch ich reagierte nicht, zu sehr faszinierte mich das seltsame Treiben. Sechzehn Hühner wurden abgeschlachtet und vom Blut getrunken. Beim letzten Huhn hatten alle Blut getrunken - bis auf uns. "Come on guys, let's have some fun", winkte uns auf einmal Johnny nach vorne.

Nach vorne brachte uns jedenfalls auch der Song namens Sweet Sixteen, den wir nach dieser Erfahrung schrieben, und der auf unserem grandiosen Album Sex! Sweat!! Teens!!! zu finden ist. Ich finde, er gibt genau die Stimmung damals am Fluss wieder. Wie die Geschichte ausgegangen ist, erzähl ich mal die Tage.

A bientot et au revoir mes amis Michael

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