Freitag, Mai 20, 2005

Catch my fall

Las Vegas ist pure Gigantonomie. Sowas kennen wir Europärer nicht. Die Stadt selber hat ca. 600.000 EInwohner, also etwas mehr als Essen. Allerdings werden jedes Jahr um die 30 Mio. Besucher durch die Kasinos und Hotels dieses von Gangsterboss Bugsy Siegel in der Wüste gegründeten Vergnügungsparadies.

Wir gönnten uns den Luxus von ca. 200 $ pro Nacht, um im ägyptischen Luxurhotel zu nächtigen. Auf der einen Seiten waren wir vom Gigantismus beeindruckt, auf der anderen Seite kann es in keinster Weise mit dem "realen" Ägypten mithalten, wie ich später feststellen durfte. Aber in der Pyramide zu nächtigen, habe ich nur in Vegas geschafft.

Wir hatten dort einen Auftritt in einer Bar namens Seven Eleven, die auf 50er getrimmt war. Ein Miniatur-Cadillac in schrillem Pink im Eingang und Poster von Elvis, Berry und Haley im Guestroom. Natürlich erwartete Besitzer Sam von uns, puren Rock'n'Roll zu spielen, bei dem die Pettycoats nur so flogen. Anscheinend hatte er keine unserer CDs gehört. Was tun? Mir kam die Idee, einige Songs zu spielen, die wir bereits bei der Eckelshausener Frank-Sinatra-Gala zum Besten gegeben hatten. Passte zwar nicht ganz, aber Sam war zufrieden. Und so intonierten wir 99 Luftballons, Mussolini und La Cuccaracca und vieles mehr im Big Band Sound. Vor einer Gruppe Koreaner, die vollkommen extatisch uns crazy German Boys abfeierte. So oft, wie nach diesem Auftritt, bin ich noch nie im Leben fotografiert worden. Wahrscheinlich ziert mittlerweile jede zweite Reisschale zwischen Seoul und Hamgyongbuk-do.

Anschließend ließen wir uns noch durch einerseits faszinierenden, andererseits durch seine pure Konsumorientierung beängstigenden Ort treiben. Aufgrund unseres knappen Budgets mieden wir die Zockerpaläste. Bis wir zum Eiffelturm kamen. Beim Hotel Paris steht eine naturgetreue Kopie des französischen Pendants. Und in einer Seitenstraße fanden uns die dazugehörigen Hütchenspieler.

Der Trick ist so alt wie die Menschheit. Der Wetter muss aus drei Karten erraten, wo die Pik Dame versteckt ist. Eine reelle 33% Chance. Ein Aufreißer steht im Publikum und zeigt dem Opfer, wie er den Kartengeber überlisten kann. Der knickt nämlich immer eine Ecke der Pik-Dame hoch. Natürlich stehen einige Leute, die zur Bande gehören, vor dem Kartengeber und gewinnen am laufenden Band.

Ich war auf diesen Trick bereits mit fünfzehn im richtigen Paris reingefallen.
Lennart ist allerdings ein sogenannter Gegenbeispielsortierer in Reinkultur. D.h. er behauptet immer stringent das Gegenteil von dem, was der Kommunikationspartner sagt.
Wenn ihm jemand erzählt, dass Erdbeeren lecker sind, behauptet er sofort, dass Erdbeeren ekelerregend schmecken. Verbunden mit einer Sucht nach negativem Feedback gespickt mit diversen Misserfolgsstrategien und renitenter Unfähigkeit zur Selbstreflektion, macht ihn dies zu einer schwer erträglichen Person. Dies findet er natürlich cool, da es ihn in seinen Augen zum unverstandenen Genie emporhebt. Jeder lebt in seiner eigenen Realität, wie bereits Harald Juhnke wusste.

Jedenfalls sagte ich ihm "Du kannst da nicht gewinnen. Die zocken dich gnadenlos ab." Ihr könnt euch die vorprogrammierte Antwort denken. "Vielleicht dich! Mich bestimmt nicht." Das erste Mal gewann er auch 10$. Triumphierend schaute er uns an. "Seht ihr!" Zehn Minuten später waren die Einsätze und seine Verluste gestiegen. 200 Dollar Miese waren eine ganze Menge Geld für eine Lernerfahrung, sollte man meinen. Er wollte allerdings partout nicht aufhöhren, da er natürlich mir gegenüber Recht behalten musste. Glücklicherweise für ihn näherte sich bei 250 Miesen Security-Leute vom Hotel und der Hütchenspuk war beendet. So schnell konnte ich gar nicht gucken, wie die gesamte Bande in den Menschenmengen verschwunden war.

Lennarts Lernerfahrung: "Noch zehn Minuten länger und ich hätte gewonnen." Das nach dem ersten Mal seltsamerweise immer die falschen Karten hochgeklappt waren, ignorierete er geflissentlich. "Du lernst es nie, Junge", schoss mir nur durch den Kopf. Aioli und Dr. Groove nickten auch nur wissend grinsend.

Um Lennarts verlorenem Geld wenigstens etwas Gutes abzugewinnen, schrieben wir den grandiosen Song Catch my fall, der natürlich auch auf dem fantastischen Album
Sex! Sweat!! Teens!!! enthalten ist. Natürlich passend im Vegas-Style.

Nächste Woche mehr zur Voodoozeremonie in Louisiana und vieles andere.

Tolles Wochenende Michael

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