Sonntag, April 03, 2005

Auswirkungen des Todes

Wie sicherlich einige mitbekommen haben, ist Papst Johannes an diesem Wochenende gestorben. Dies erfreute sich großem medialen Interesse. Ich fand es schon sehr erstaunlich, dass viele Gläubige tage-und nächtelang vor dem Vatikan ausharrten. Irgendwann hat doch jeder mal Ruhe verdient, oder?

Manche Tote werden auch nach dem Sichineineanderedimensionschleichen wieder zurückgeholt;

Ich wuchs zwar in einer Bergarbeitersiedlung im nördlichen Ruhrgebiet auf. Aber Zechen gibt es dort kaum noch, und das frühere Grau des Russschleiers ist einem freundlichen Grün gewichen. Aber immerhin war mein Opa Pütti (für Fremdsprachler: Ein Arbeitnehmer eines Bergwerks), meine Wurzeln sind tief mit der Geschichte dieser Region verbunden.

Jedenfalls leben dort viele freundliche und herzliche Menschen, die aber vielleicht nicht gerade intelektuelle High Potentials sind.

Nicole Spagalla war eine von diesen Menschen. Ihr Vater Atta war Elektriker auf der Zeche und baute sich seinen Familienbenz aus fünf anderen vom Schrottplatz zusammen. Ich habe sein Talent immer bewundert. Friede seiner Asche. Nicole war zwei Jahre älter als ich, wohnte nebenan, und besaß einen Hund. Golden Retriever oder so. Da sie Fan des 80er-Jahre-Stars Boy George war, benannte sie ihn nach der Heulboje. Allerdings war es ein Weibchen; also hieß der Hund Girl George. Sie war so vernarrt in ihn, dass sie ihn andauernd auf Super-8-Film aufnehmen musste. Ein Omen für die heutige Mediengesellschaft?

Jedenfalls war Girl George dauernd läufig. Ich habe keine Ahnung, ob es an dem Namen lag, dass jeder rollige Köter der Umgebung Nickis Schatz besteigen wollte. Sie entschied sich daher, sie sterilisieren zu lassen. Leider brachte das anscheinend den Hormonhaushalt des Hundes durcheinander. Zum einen wurde er bösartig und biss mich sogar einmal, als ich ihm einen Knochen geben wollte. Zum anderen bekam er Diabetes, wurde fett und starb kurz darauf.

Nicole war wirklich fertig mit der Welt und heulte sich die Augen aus. Sie verließ kaum noch das Haus und sah sich lieber die Filmaufnahmen von Geogie auf einer Leinwand in ihrem Jugendzimmer zwischen Kajagoogoo- und Duran-Duran-Postern an. Das war für ein fünfzehnjähriges Mädchen schon ein harter Schlag. Wir Jungen aus der Umgebung waren hingegen froh, dass die fette Töle tot war. Ich denke, deswegen sind heute nicht mehr mit ihr befreundet.

Ich bin nur froh, dass es an Girl Georges Todestag keine Live-Übertragungen aus dem Sterbezimmer gab. Ansonsten wäre ich kaum derjenige, der ich heute bin und den ihr alle so unbeschreiblich liebt.

In diesem Sinne einen schönen Wochenanfang und alles Liebe Michael

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