Sonntag, September 05, 2010

Bestseller Kapitel 09: Frischfleisch für Didi Dämlich



Am nächsten Morgen stehen wir um zehn vor der Limmer Post. Die Sonne brennt, der Dönerladenbesitzer gegenüber bereitet seinen Tag vor, schleppt Salate aus seinem Bulli ins Lokal hinein, lächelt uns freundlich an. Wir winken ihm. Zehn Minuten später trudeln Andi und Kathrin ein. Andi sieht aus, als ob er zu einer Modenshow gehen würde. Dunkles Sakko, Hemd in Rosé, einen silbernen Schlips lässig um den Hals gehängt. Kathrin wirkt im geblümten Kleid ökomäßig. Rein optisch passen die beiden nicht zusammen. Aber die Chemie stimmt. Küsschen hier, Küsschen da. Ich freue mich für die beiden. Antje und ich haben uns normal angezogen, schwarze T-Shirts, schwarze Shorts. Partnerlook, wie bei einem Gothic-Spießerpärchen. Rentner warten auch. Ein stämmiger grauhaariger Herr mit Wanderstock und T-Shirt mit dem Aufdruck Mein Harzerland, was bist du schön mustert uns neugierig. Wir sehen auch nicht gerade wie typische Kaffeefahrer aus.
»Wollt ihr mal raus, ihr jungen Leute? Ich fahre jede Woche mit Fröhlich Reisen. Ein formidables Unterhaltungsprogramm bieten die. Junge, Junge. Diesen Didi Kolobusch finde ich besser als Hans-Joachim Kuhlenkampf, der schlägt sogar Hänschen Rosenthal um Längen.»
Wir schauen fragend, diese Namen sagen uns nichts.
»Ja, ja, dafür seid ihr zu jung. Das waren große Entertainer der Fernsehunterhaltung», gerät er ins Schwärmen.
»Tolle Männer, die hatten Format. Mehr als diese aalglatten Kerners und Beckmanns, die einem heute vorgesetzt werden. Ich bin übrigens der Heinz Brabeck. Könnt mich Heinz nennen, macht jeder», grinste er jovial und klopfte Andi auf die Schulter.
Der zupft anschließend sein Sakko zu Recht. Heinz riecht als hätte er mit einigen Jägermeistern den Underberg erklommen. Spricht aber normal. Macht die Übung.
»Wie sieht es mit Geschenken aus?», fragt Antje. »Lässt Didi ordentlich was rüber wachsen?»
»Didi, wir lieben dich», jubilieren zwei Damen in Strickkleidern, wobei beide sich mit einer fast identischen Lockenhaube schmücken. Schwestern, wie mir scheint.
»Der Dieter hat einen ganzen Koffer voll mit herrlichen Dingen, nicht wahr Irene?», tönt die Dame mit dem Zwicker.
»Wirklich herrlich. Aber kaufen dürfen Sie nicht alles, junge Frau. Dieser Campingkocher ging bei der ersten Linsensuppe kaputt, brannte lichterloh. Und der hat fünfhundert Euro gekostet», wirkt sie etwas missmutig.
»Aber eigentlich waren wir selber Schuld. Wir haben einen Herd. Aber der Geschmack sollte sich mit dem Feuer-Bert Camping-Kocher enorm verbessern. Didi hat gesagt, die Suppe aus der Dose würde schmecken, als hätte sie ein Sternekoch zubereitet.»
Die beiden seufzen.
Heinz textet Andi zu, der den Freund des Harzes mit stoischer Gleichmut erträgt.
»Total abgefahren», streicht Kathrin die Haare aus dem Gesicht. »So etwas Verrücktes habe ich noch nie gemacht.»
»Scheinbar ausweglose Situationen schreien nach Verrücktheit. Ich habe es mir als Lebensmotto gewählt, quer zum Mainstream zu schwimmen. Ist langweilig, dasselbe wie alle zu tun.»
Sie küsst mich.
»Finde ich auch», stimmt Kathrin zu. Die beiden liegen auf einer Wellenlänge. »Ich bin noch dabei meine Nische zu finden. Ein Leben wie meine Eltern will ich auch nicht führen. Die haben nichts mehr erlebt, seit sie zwanzig waren. »
»Wie siehst du das, Sweety?», fragt mich Antje.
»Ich finde das Leben meiner Eltern cool», gebe ich mich ironisch. »Habt ihr heute schon in der Bibel gelesen?»
Kathrin lacht. Antje kläre ich über die spirituellen Vorlieben meiner Erzeuger auf. Andi nickt unterdessen mechanisch zu Heinz’ Ausführungen über Glanz und Gloria der Wirtschaftswunderzeit. Musste im Krieg in einem Lazarett in Österreich Sterbende zusammenflicken. Belastet ihn bis heute. Aber Adenauer war ein toller Hecht. Hat gepeilt, was die Bundesrepublik nach vorne bringt, übersetze ich in Stengel-Slang. Andi greift in die Tasche zieht ein Pille aus der Jacketttasche, steckt sie in den Mund und schluckt. Scheint rasch ein wenig wacher zu werden. Wahrscheinlich ist er konditioniert, dass bereits beim Schlucken die Wirkung einsetzt.
Ein Bus fährt vor, ein altes Möhrchen, das vom Rost zusammengehalten wird. Ein Wunder, dass das Teil eine TÜV-Plakette besitzt. Nur an den Kotflügeln kann man erkennen, dass er in seiner Glanzzeit grau lackiert war. Eine Firmenaufschrift kann ich nicht entdecken.
Andi ist glücklich, Heinz loszuwerden und wünscht ihm viel Spaß.
Gespannt auf die wartenden Ereignisse steigen wir in den Bus, der schon halb gefüllt ist. Alles Senioren.

Der Busfahrer ist um die fünfzig und trägt ein kariertes Hemd mit Schweißflecken unter den Achselhöhlen. Die Kombination von Baseballkappe, Vollbart und Stahlkette mit Patronen um den feisten Hals erweckt nicht gerade mein Vertrauen. Auf dem Armaturenbrett lümmelt sich ein Teddybär in Fremdenlegionsuniform. Aus dem Radio säuselt Motörhead. Kein einheitliches Firmendesign, würde Bea anmerken. Die achtet auf so was wie ein Schießhund, wobei wir wieder beim Thema wären. Der Typ fährt bestimmt für die Hälfte des Mindestlohns, ansonsten kann ich mir keinen Grund vorstellen, warum dieser Seniorenschreck den Fahrersitz besetzt.
»Lemmy find ich auch cool. Der alte Bastard rockt noch immer wie Sau», sucht Andi beim Einsteigen den Dialog.
»Hä?», nimmt der Fahrer einen Schluck aus seiner Cola-Zero-Flasche und stößt auf.
»Geh weiter, die Leute wollen durch», beschränkt er sich aufs Praktische.
»Wichser», murmelt Andi, während wir Plätze in der Busmitte einnehmen. »Das viel gelobte Charisma kann ich bei diesem Klobusch mit der Lupe suchen und finde nur Dreck.»
»Stehst du wirklich auf Motörhead?», frage ich ungläubig.
»Absolut», strahlt Andi. »Außerdem will ich ihn gnädig stimmen, wenn wir seinen Scheiß nicht kaufen.»
Er grinst.
»Besonders die Scheibe mit Brian Robertson. Der Kerl ist im Primaballerinatütü bei einem Hells-Angels-Treffen aufgelaufen. Das ist schon cool für eine Rockersau.»
Es stellt sich heraus, dass der Fahrer gar nicht Klobusch ist. Als alle ihre Plätze eingenommen haben, schließen sich die Türen, und der Typ greift zum Mikrophon.
Mürrisch eröffnet er »Hallo, bei einer der beliebten Touren von Fröhlich Reisen. Der Bus ist allerdings nur gemietet. Ich bin der Manni. Wenn ich Sie fahren soll, müssen Sie eine Transfergebühr von 20 Euro bezahlen. Ich sammle gleich das Geld ein.»
»War nicht alles für lacko laut Prospekt? », fragt Antje erstaunt. »Ich habe kein Geld mit.»
Kathrin und ich ebenso wenig. Fängt gut an. Einige Rentner murren auch.
»Wenn es Ihnen nicht passt, da ist die Tür», erklärt Jupp mürrisch.
»Es hieß, der Ausflug sei gratis», entrüstet sich ein Mann.
»Fuck, umsonst ist nur der Tod. Bekommst dein Leben lang Zucker in den Arsch geblasen und bist nicht bereit, die Spritkosten für diesen Ausflug zu zahlen. Auf Schmarotzer wie dich scheiß ich», verliert Jupp die Fassung. Seine Stirn läuft rot an und eine dicke Ader am Hals pulsiert. Er fummelt an der Patronenkette rum.
»Wenn wir uns mit dem anlegen, ist der Trip gestorben», flüstert Kathrin. Andi durchwühlt die Taschen und findet zwei Fünfziger.
»Hoffentlich lohnt es sich. Der Kerl ist der reinste Psycho.»
»Mit den Rentnern können sie es wohl machen», gebe ich meinen Senf dazu. Ein Unternehmen, dass wirklich auf Kundenbindung aus ist. Anhauen, umhauen, abhauen.
Der Rentner schluckt seine Flüche hinunter und zahlt, genau wie wir. Keiner steigt aus.
»Mit der Lüneburger Heide wird es heute nichts», offenbart Manni via Mikro, als die Taler eingesammelt sind.
»Es nehmen mehr Leute an der Veranstaltung teil, als wir geplant hatten. Es geht daher heute in den Deister. Viel Spaß.»
Ein entrüstetes Gemurmel macht sich breit. Das stört den Fahrer aber nicht. Er wechselt die CD und beschallt uns in brutaler Lautstärke mit volkstümlicher Musik: Ich mag es, wenn die Berge glühn, als ob der Himmel Feuer fing im Sonnenuntergang. Dann geh ich schweigend neben dir, hab dich im Arm und wünsche mir, es bleibt ein Leben lang.
Antje greift mir unter den Arm und kuschelt sich an mich.
»Die Mucke weckt meine romantische Seite, Süßer», flüstert sie. »Egal ob Deister oder Heide, Hauptsache wir haben uns.»
Auch Andi und Kathrin schmusen. Keiner der Mitreisenden beachtet uns.
Zu tief sitzt die Enttäuschung, dass wir nicht unser ursprüngliches Reiseziel ansteuern. In irgendwelchen Käffern im Hannover Vorland sammeln wir noch weitere Schunkelwillige ein, bis Jupp irgendwann von der Straße abbiegt und auf einen verlassenen Hof fährt. Hotel Schildereck verrät die vergilbte Aufschrift auf einem Metallschild. An den Wänden des heruntergekommenen Fachwerkhauses prangen Reklameschilder von Sinalco Cola und Wicküler Pils. Efeu schlängelt sich in Wildwuchs um das Gebäude. Müsste mal gestutzt werden. Wenn das Haus bessere Zeiten gesehen hat, liegen sie lange zurück.
Ein schwarzer VW-Bus parkt vor dem Haus. Ein etwa vierzigjähriger Mann in silbernem Showanzug, Schnäuzer bis zu den Ohrenwinkeln und braungelockten schulterlangen Haaren holt Kartons aus dem Inneren. Sieht wie ein heruntergekommener Schlagersänger der Siebziger auf Abschiedstournee aus.
Jupp öffnet die Bustür.
»Frischfleisch», begrüßt er den Kistenschlepper. Der strahlt daraufhin wie ein ukrainischer Atomreaktor.
»Treten Sie näher, Ladies und Gentlemen. Frühstück für die hungrigen Mäulchen ist bereits angerichtet. Nur vom Feinsten. Da hat sich Didi nicht lumpen lassen. Die Konkurrenz nennt mich auch hinter vorgehaltener Hand Didi Dämlich. Weil ich für meine Gäste ein Vermögen verschleudere, haha. In einer halben Stunde widme ich mich euch mit Haut und Haaren.»
Das Schwesternpaar gerät in Ekstase, klopft ans Busfenster und jubelt »Didi, wir sind wieder hier.»
»Meine Fans, geliebte Wesen. Mein Herz glüht vor Freude, wenn ich euch sehe. Das ist die Bestätigung für meine Arbeit. Wonderful.», wischt er sich den Schweiß von der Stirn.
»Was für ein Schleimbeutel», flüstert Antje. Ich nicke. Als wir aus dem Bus trotten, hat uns Klobusch gleich im Visier.
»Auch jüngere Leute wollen sich von mir in die bunte Welt der Produktinformationen entführen lassen. Ich kann Ihnen nicht sagen, wie ich mich freue», treten seine Augen fast aus dem Kopf.
Jeder von uns muss ihm die schweißige Pfote drücken.
»Aber auch schön einkaufen, mein Freund», flüstert er mir ins Ohr. »Die Kosten müssen schließlich gedeckt werden, und ich habe Frau und drei Kinder mit schier unerfüllbaren Wünschen.»
»Sicher», lüge ich. »Wenn die Klamotten gut sind.»
Er soll uns die Fernseher überreichen und dann Abflug. Die beiden Schwestern werden mit Küsschen links und rechts begrüßt wie lang vermisste Tanten. Wir schlurfen unterdessen ins Innere.
Hier sieht der Gasthof nicht besser aus als von draußen, eher schlimmer. Der gelb verfärbte PVC-Belag im Eingangsbereich müsste dringend gereinigt werden. An den Hirschgeweihen, die die Wände schmücken, flattern brüchige Spinnweben. Der Wirt, eine Herr im Alter unserer Mitreisenden scheint sein bester Kunde zu sein. Riecht auf fünf Meter gegen den Wind nach Korngetränken, als hätte er seine Kleidung damit gewaschen. Weißes Hemd, das er über der grauen Stoffhose trägt, damit es am Bauch nicht spannt. Zudem schielt er. Haus und Inhaber bilden eine homogene Einheit.
»Immer hereinspaziert», gröhlt er. »Es ist angerichtet für die feinen Herrschaften.»
Unsere Mitreisenden fühlen sich geschmeichelt. Wir empfinden es eher als abfällig.
Er öffnet und die Tür zu einem großen Saal. An den Wänden blättert die Tapete ab. Das Parkett ist an vielen Stellen gesplittert, so dass wir diversen Stolperfallen ausweichen müssen.
Lange Bierzelttische, die auch nur selten gereinigt werden.
Wir setzen uns in die letzte Reihe.
»Ich bin nicht pingelig, aber das hier ist der letzte Drecksstall», mault Antje. Kathrin kramt ein Taschentuch hervor und wischt angewidert eine Bierlache auf.
Andi sagt nichts, starrt nur an die Wand, als würde sich dort in wenigen Augenblicken der heilige Geist manifestieren.
»Alles klar, Alter?», frage ich besorgt.
Andi schweigt weiter. Vor jedem platziert eine mürrische Kellnerin Eier in Schnapsgläsern.
»Eierbecher sind aus», erklärt sie einem meckernden Rentner.
Dazu gibt es einen Teller mit zwei Scheiben Graubrot und Marmeladentöpfchen, die höchstens neben den abgebildeten Erdbeeren gelagert haben.
Andi zündet sich eine Zigarette an. Rauchen ist hier erlaubt, wie ein Schild verkündet, da geschlossene Gesellschaft.
»Ich muss mein Konzept überdenken», murmelt er. »Muss platter werden. Löwen malen, die eine weiße Rose im Maul tragen. Ich komm nicht darüber weg, dass meine Bilder neben Hitlerfotos ausgestellt wurden. Meine Message war immer: Stellt euch gegen den Mainstream, seid anders als die abgefuckte Masse mit ihren Bausparverträgen und Rentenängsten. Stellt euch gegen das faschistoide System, das euch keine Luft zum atmen lässt. Und nun das.»
Er gießt Kaffee aus der fettigen Plastikkanne in einen Pappbecher.
»Was denkst du», fragt er. »Übertreibe ich?»
»Ich glaube schon. Auch wenn uns vieles hier nicht passt. Immerhin können wir uns künstlerisch verwirklichen. Ist doch egal, wie wir die Sau rauslassen. Stört keinen in diesem Land.
In Russland würden wir dafür umgebracht oder nach Sibirien geschickt. War doch einfach ein blöder Zufall, dass deine Werke in diesem Nazischuppen standen.»
»Es gibt keine Zufälle, Hotte», erwacht Andi aus der Lethargie. »Alles was wir tun, hat auf höherer Ebene eine Auswirkung. Meine Kunst muss irgendwas Menschenverachtendes ausstrahlen, sonst fänden es die Glatzen nicht heiß.»
»Ich glaube nicht, dass die es heiß fanden. Passte nur irgendwie in den Raum. Die verleiben sich jetzt auch Ton, Steine, Scherben und die Ärzte ein. Hab ich in der Antifa-Zeitung gelesen. Und das sind Gruppen, die über jeden Zweifel erhaben sind, mit dem braunen Dreck zu paktieren, oder?»
Kathrin schmiegt sich an ihn. »Ich weiß, dass du keiner von denen bist.»
»Schon gut, vielleicht habt ihr Recht», wiegelt Andi ab. Antje grinst ihn an.
»Jammer nicht so viel. Mach den Rücken gerade und schau nach vorne. Reicht doch, dass du weißt, dass du mit den Arschlöchern nichts am Hut hast. Wer was anderes sagt, kann dich doch kreuzweise.»
»Okay, ich spreche nicht mehr darüber», winkt Andi mit weißer Fahne. »Wann geht’s denn endlich los? Dass Essen ist ungenießbar.» Da stimmen wir überein. Antje steckt demonstrativ zwei Finger in den Mund, Kathrin findet alles lustig.
Jetzt. Es erschallt der Ententanz, unsere Mitreisenden wackeln mit den Armen und Didi Klobusch springt auf die Bühne.
»Meine Lieben, herzlich willkommen zu Didis gigantischer Geschenkshow. Mein Motto: Alles muss raus zu Schleuderpreisen.»
Er hat ein Headset umgeschnallt und jumpt über das Podest wie Donald-Duck auf Speed. Zunächst werden irgendwelche Billigartikel wie Wecker, Putzlappen und Klobürsten vorgestellt. Gibt es bei einschlägigen Händlern für einen, bei Didi für zwanzig bis dreißig Euro. Eingebettet ist das ganze in Quizfragen auf Neun-Live-Niveau.
»Dieses Taschenmesser, das so manchem Schweizer Offizier das Leben gerettet hat, kostet nicht zehn, zwanzig, vierzig oder fünfzig Euro. Wer den Preis errät, erhält eines geschenkt.»
Ein wie Didi schnauzbärtiger Herr weiß die Lösung und erhält das Hammergeschenk. Er hat anscheinend schon alle Produkte erworben und findet alles toll, super oder giga. Scheint Didis Verkaufspartner zu sein. Wenn keiner kaufen will, rückt Klobusch dem einen und anderen auf die Pelle.
»Du kannst doch nicht meinen, so eine tolle Fahrt ist komplett umsonst. Etwas müsst ihr schon kaufen, sonst lege ich drauf.»
Die meisten knicken dann ein. Zu uns ist er Gott sei Dank noch nicht gekommen.
Dann stellt er Nahrungsergänzungsmittel vor. Der Preis steigt. Kostet nur siebenhundertneunundneunzig Euro, ist aber von zweitausend herabgesetzt. Sollen das Leben unermesslich verlängern. Aber für unsere Gesundheit ist uns doch kein Geld der Welt zu schade.
Die Leute zeigen sich zunächst zurückhaltend, doch Didis Nötigungstour zieht. Von den fünfzig Leuten ergreift die Hälfte die Gelegenheit beim Schopf und sichert sich die Pillen.
»Was ist mit dir? Du hast noch gar nichts gekauft. Findest du das in Ordnung? Ich habe dir eine schöne Fahrt hinaus aus deinem schäbigen Leben geschenkt. Auch wenn du jung bist, mit Vita Vitaminexplosion wird dein Leben gesünder und lebenswerter. Darf ich dir eine Probierpackung für lumpige zweihundert Euro einpacken. »
Didi hat sich Kathrin herausgepickt. Die schaut uns hilflos an. Bloß nicht aus der Rolle fallen.
»Bin gerade nicht so flüssig», spricht sie die Wahrheit, die aber eine Hyäne wie Klobusch einen Dreck interessiert.
»Kein Problem. Bei Didi kannst du auch auf Raten kaufen. Bist doch schon achtzehn. Wer alt genug zum Bumsen ist, dem gewährt Onkel Didi Kredit.»
Einige Rentner lachen.
»Willst du ein paar in die Fresse?», steht Andi auf. Wenig diplomatisch, aber mich juckt es auch in den Fingern. »Sie hat kein Geld für deinen Mist. Lass sie in Ruhe.»
Didi hebt bedauernd die Arme zum Himmel.
»Erst die anderen für den klasse Ausflug zahlen lassen. Dann frech werden. Solche Penner haben wir gerne. Hab ich nicht Recht?»
Vereinzelt ertönt Zustimmung. Klobusch winkt in Richtung Tür, und Manni und ein Kollege gleichen Kalibers in einer Lederkutte setzen sich in Bewegung.
»Wenn die Andi und Kathrin rausschmeißen, gehen wir auch», flüstere ich Antje zu.
»Denk an die Geschenke, die sollten wir noch abgreifen. Dann pissen wir in Rockermannis Bus», flüsterte sie zurück. Jupp packt Andi, der andere Kathrin und zerrt sie aus dem Saal. Nie wieder Kaffeefahrt, schwör ich mir.
»Was ist mit euch», visiert Klobusch Antje an. »Habt ihr auch was an Didis Stil auszusetzen? Gekauft habt ihr auch noch nichts.»
Die Rentner wirken mittlerweile aufgeheizt. Einige brüllen »Kaufen, kaufen», als würden sie mitverdienen.
»Später, wir brauchen noch mehr Infos», flötet Antje und blinzelt Didi zu. Er ist verwirrt und lässt uns in Ruhe. Er wird noch weiterer Mist zu horrenden Preisen vorgestellt. Den Rentnern wird fleißig Alkohol nachgeschenkt und die Verkäufe steigern sich.
Um siebzehn Uhr verkündet Didi das Ende der Show. Jetzt kämen die Geschenke. Um sie austeilen zu können, würde er jeden einzelnen in ein Nebenzimmer rufen.
Ich komme vor Antje dran. Didi sitzt an einem Tisch. Neben ihm ein Paket mit Geschirr, einem Miniaturradio, luftgetrockneter Salami und mehreren Schlager-CDs. Michael Holm kann ich auf einer Hülle entziffern. Wert insgesamt cirka fünfzehn Euro. Kein Fernseher, ich könnte heulen.
»Schade, dass dir keines meiner Produkte gefallen hat. Aber Geschenke gibt es trotzdem, da lässt sich Didi Klobusch nicht lumpen. Brauche nur deine Empfangsbestätigung.»
Er legt mir einen Zettel vor, ein Pinnchen mit Wacholder daneben.
Ich blicke auf den Wisch, der erstaunlich viel Text enthält. Da sehe ich es. Unten auf der Seite, geradezu dämonisch klein gedruckt. „Mit Akzeptanz der Geschenke durch meine Unterschrift, erwerbe ich ein Paket Lamadecken Marke Lama-Warm A zum Preis von tausendzweihundert Euro. Dieser Betrag wird von Fröhlich Reisen von meinem Konto abgebucht.» Das Konto soll man angeben, weil man angeblich an einer Lotterie teilnimmt. Das ist in fetten Lettern abgedruckt.
»Das unterschreib ich nicht. Ich möchte keine Lamafelle.»
»Oh, da hat einer ganz genau gelesen», trieft Klobuschs Stimme vor Sarkasmus. »Ohne deinen Otto, gibt es keine Geschenke. Verpiss dich und lass dich nie wieder blicken», wird er ordinär.
Er nimmt meinen Schnaps und kippt ihn selber hinunter.
Draußen nehme ich Antje am Arm.
»Lass uns verschwinden. Keine Geschenke, der will uns noch Decken zu horrenden Preisen verticken.»
»Scheiße»¸bedauert Antje. »Ich hatte noch eine kleine Hoffnung, dass wir Verkaufbares mitnehmen können.»
»War von vornherein eine Floppidee», lasse ich meinen Frust raus. »Kannst du doch überall lesen, dass die Typen nur auf Abzocke aus sind.»
»Einen Versuch war es Wert, oder? Die tausend Tacken fehlen noch immer.»
Draußen finden wir Andy und Kathrin auf einer Bank. Beide halten sich im Arm.
»Das Arschloch will uns nicht mit zurücknehmen», zeigt Andi auf Manni, der gegen einen Zaunpfahl pinkelt.
»Eigentlich wollten sie uns verprügeln. Aber als ich erzählt habe, dass mein Alter Richter ist, haben sie uns in Ruhe gelassen.» Sie spuckt in Richtung Jupp, was aber den nicht im Geringsten stört. Er spitzt den Mund zum Kuss und lacht schallend, was in röchelndem Husten endet.
»Wir können uns mit denen anlegen, aber physisch sind die stärker», stelle ich fest. »Hast du noch Geld für ein Taxi?»
»Fick dich selbst, Alter», schreit Antje Juppi an. Doch der fasst nur genussvoll in seinen Schritt und grinst sie provozierend an.
Andi durchwühlt sein Portemonnaie und hält triumphierend einen braunen Geldschein hoch.
»Wo sind wir überhaupt? », fragt Antje. »Für den Taxifahrer ist es sicherlich interessant, wo er uns aufgabeln muss.»
»Bad Münder hat Jupp geäußert», seufzt Kathrin.
Andi zückt sein Handy, und zehn Minuten später fährt das Taxi vor.
Opa Heinz kommt dick bepackt nach draußen.
»Gute Angebote hat er heute gehabt, der Didi. Nehmt ihm nicht übel, dass er euch rausgeschmissen hat. Der steht auch unter Druck. Wenn er nicht verkauft, gibt’s Saures von seinem Chef. So ist das heutzutage. Aber im Grunde ist er ein herzensguter Mensch.»
Wir winken freundlich und wünschen ihm ein gutes Leben. Unser Mitgefühl für Didi und Jupp hält sich in Grenzen.
Den jungen Türken am Lenkrad können wir auf fünfzig Euro Festpreis festlegen. So gondeln wir heimwärts.
»Das war ein kompletter Reinfall», stellt Andi noch mal fest. »Wo kriegen wir die fehlenden tausend Euro her?»
»Hau doch deinen Chef auf einen weiteren Vorschuss an», sagt Antje. »Wenn die feiern, ist er vielleicht in freigiebiger Stimmung. »
»Ich habe da noch keine Stunde gearbeitet. Und dann um einen weiteren Vorschuss fragen? Ist selbst für mich ein wenig dreist.»
Als alle mich tadelnd anschauen, gebe ich nach. »Was soll’s. Hab eh nicht vor als Buchhalter zu arbeiten. Und wenn die Honorare fließen, zahle ich es ihm sofort zurück.»

1 Kommentar:

Unknown hat gesagt…

Dann mailen Sie mir doch ihre Homepage-Url. Ich finde solche Kommentare seltsam, wenn der Autor anonym bleibt.

Blog-Archiv