Böse Stimmen bezeichnen ihn als Mischung aus Mario Barth und Mr. Bean. Mit Recht. Homepage:www.rockdasdorf.de
Mittwoch, Dezember 01, 2010
Mein Schwein pfeift: Der Dülmener Kurier im Gespräch mit Detektiv Dieter Nannen
Heute erscheint der neue Nannen-Krimi „Mein Schwein pfeift“. Die beschauliche Stadt Dülmen, die sonst hauptsächlich für Wildpferde bekannt ist, rückt durch die brutale Mordserie in den Fokus der bundesdeutschen Öffentlichkeit. Der Dülmener Kurier lässt es sich nicht nehmen und interviewt die wichtigsten beteiligten Personen, um die Öffentlichkeit über Hintergründe aufzuklären.
Heute spricht Chefredakteur Gerhard Tilke mit dem Helden von Mein Schwein pfeift, dem Dülmener Privatdetektiv Dieter Nannen.
DK: Dieter, warum treffen wir uns bei der Frittenfee, einer nicht gerade für ihre kulinarischen Genüsse bekannten Imbissbude?
Dieter Nannen (zur Köchin): Erna, zwei Mantateller. Gerhard, hier gibt es die besten Phosphatschläuche nördlich des Ruhrgebiets. Ich empfehle die Zubereitung mit Ernas Spezialgewürz. Das lässt deine Geschmacksnerven vibrieren.
DK: Für mich bitte doch lieber einen Salat mit Hähnchenbruststreifen. Ist aus? Dann nur ein Wasser. Dieter, es soll Leute geben, die dich noch nicht kennen. Wo kommst du her? Warum Dülmen, warum Privatdetektiv?
Dieter Nannen: Erna, wirf mal zwei Pils rüber. Gerhard hat es sich anders überlegt. Um auf deine Fragen zurückzukommen. Geboren und aufgewachsen bin ich im Pott, genau genommen in der schönen Metropole Essen. Nichts und niemand hätte mich da weglotsen können. Hatte ich zumindest gedacht. Ich hatte einen grandiosen Job als Juniorchef in der Klitsche meines Schwiegervaters in spe. Viel Kohle, wenig Arbeit. Das war nicht erfüllend, aber angenehm. Dann ereignete sich ein unglücklicher Zwischenfall. Ich habe eine Familienfeier vergessen, woraufhin meine Freundin Bettina vollkommen hysterisch reagiert und gleich unsere Beziehung in Frage gestellt hat. Meine Reaktion war wohl nicht die richtige, denn dann ist sie komplett ausgeflippt, hat mich aus der Firma geschmissen und auf die Straße gesetzt. Zum Glück hatte mir ein entfernter Verwandter einen Bauernhof in Buldern vererbt, da bin ich notgedrungen hingezogen. Überzeugt davon war ich aber nicht.
DK: Mittlerweile scheinst du dich aber gut eingelebt zu haben. Wie bist du zum Detektiv-Job gekommen. Diese Profession ist ja eher ungewöhnlich.
Dieter Nannen: Diese Currywurst ist wirklich grandios. Du weißt nicht, was du verpasst. Also, dafür bin ich meinem Freund Peter Grabowski mein Leben lang dankbar. Peter ist ein wahrer Tausendsassa und hat bereits jeden Job ausprobiert, den es auf unserem Planeten gibt. Leider halten seine Beschäftigungsverhältnisse nicht sehr lange. Jedenfalls hat er es zu der Zeit, als ich nach Buldern zog, als Detektiv versucht. Angeblich hat er das Geld mit der Schubkarre nach Hause gefahren. Ich war zugegebenermaßen etwas naiv und habe ihm geglaubt. Also flugs eine Anzeige in deiner Zeitung aufgegeben und kurz darauf hatte ich den ersten Mandanten. Ab da fluppte es. Zumindest die meiste Zeit.
DK: Zu deinem letzten Fall. Illegale Sportwetten sind derzeit in aller Munde. Als dieser Fußballspieler vor dem Dülmener Stadion ermordet wurde, hattest du da gleich die kroatische Wettmafia im Visier?
Dieter Nannen: Zwischendurch kam mir sicherlich der Gedanke. Ich fand nämlich heraus, dass es Spielern mit hohem Schuldenstand und ausgehungertem Konto gab. Jedoch verliefen meine Ermittlungen in dieser Richtung im Sande. Die Thailänder, Kroaten oder Russen scheinen noch nicht ihre Fühler Richtung Dülmen ausgestreckt zu haben. In diesem Fall ging es letztendlich auch nicht um Fußball. Doch ich will nicht zu viel verraten.
DK: Du hast die Fußballstiefel für den FC Dülmen geschnürt, der auch dank deiner Mithilfe mittlerweile in der fünfthöchsten Klasse kickt. Dürfen wir auf ein erneutes Comeback hoffen?
Dieter Nannen: Ich gestehe, dass mir ein angenehmes Leben mit deftigem Essen und einigen Bierchen wichtiger ist als sportlicher Ruhm. Mit knapp dreißig gehöre ich eh zum alten Eisen. Ich denke, dass den Menschen eher mit einem guten Detektiv als mit einem alterndem Fußballer gedient ist.
DK: Vom neuen Fall wollen wir jetzt nicht zu viel verraten. Daher danke für das Gespräch, Dieter.
Dieter Nannen: Da nicht für. Wer einen Auftrag für mich hat: In meinem Terminkalender ist noch Platz. Meine Nummer steht im Telefonbuch.
Dienstag, November 30, 2010
Mein Schwein pfeift: Der Dülmener Kurier im Gespräch mit Dr. Otto Baumeister
DK: Heute sprechen wir mit Herrn Dr. Otto Baumeister aus Münster, einem Freund Dieter Nannens. Wir haben uns im Hinterzimmer des Seniorencafés Hörgerät getroffen. Ein ungewöhnlicher Name, ein ungewöhnlicher Ort.
Otto Baumeister: Ich betreibe in diesem Raum meine Detektei. Was gibt es Unauffälligeres als ein Seniorencafé? Es vermutet keiner, dass von hier aus dem Bösen der Garaus gemacht wird.
DK: Detektei? Ich dachte, Sie sind Rentner und helfen bei Bedarf Herrn Nannen. Zumindest erzählte mir dieser das.
Otto Baumeister: Das ist mein Nebengeschäft. Dieter hat so viel zu tun, dass er mir einige Aufträge abgibt. Vielleicht ist Ihnen der Fall „Lotte Schneider“ bekannt?
DK: Ich muss passen. Eine Entführung?
Otto Baumeister: In diese Richtung habe ich ermittelt. Später wurde Lotte ermordet aufgefunden?
DK: Hier in Dülmen? Wir lesen den Polizeibericht sehr aufmerksam. Da ist mir nichts bekannt.
Otto Baumeister: Vielleicht werden Papageien dort nicht geführt. Bedauerlich. Nach einer Woche fanden wir das Tier. Vom Roller der achtjährigen Marina überfahren. Mir hat es widerstrebt, für ein solches Ergebnis 1.000 Euro zu nehmen. Marina ist nicht strafmündig, deshalb ist die Sache im Sande verlaufen. Letztendlich war es auch keine Absicht.
DK: Aha, Sie sind also Vollblutdetektiv. Ich möchte Ihnen nicht zu nahe treten. Aber in Ihrem Alter?
Otto Baumeister: Ha. Für wie alt halten Sie mich?
DK: Das ist eine Fangfrage, nicht wahr. Fünfzig?
Otto Baumeister: Sie Charmeur. 78, aber das ist kein Grund, die Füße hochzulegen. Wie gesagt: Dieter ist ein Freund, und ich helfe ihm gerne. Ich habe ein Laptop und bin Fernstudent der Detekteiakademie. Für Beschattungen habe ich mein eigenes Netzwerk aufgebaut, das ich Dieter gerne zur Verfügung stelle. Wie wäre es mal mit einer Homestory über mich in Ihrer Zeitung?
DK: Ich denke drüber nach. Welche Rollen haben Sie eigentlich im Küppers-Fall gespielt?
Otto Baumeister: Ohne strunzen zu wollen, denke ich, dass ich entscheidend zur Lösung beigetragen habe. Detaillierte Beschattungsarbeit und Recherche sowie Personalgestellung bei der Mörderüberführung waren mein Part. Aber das lesen Sie am Besten im Buch nach. Ich will da nicht vorgreifen.
DK: Das war ein schönes Schlusswort. Ich wünsche Ihrer Firma und Ihnen persönlich alles Gute für die Zukunft. Damit verabschiedet sich der Dülmener Kurier von Otto Baumeister, einem Dülmener Gesicht.
Montag, November 29, 2010
Mein Schwein pfeift: Der Dülmener Kurier im Gespräch mit Karin Schumann
Anlässlich der Veröffentlichung des vierten Dieter-Nannen-Krimis hat es sich der Dülmener Kurier nicht nehmen lassen, die beteiligten Personen zu interviewen. Heute ist Karin Schumann, Herr Nannens Nachbarin, zu Gast in unserer Redaktion. Das Gespräch führt Marlon Brandt (Volontär), da Chefredakteur Gerhard Tilke als Bruder von Frau Schumann persönlich befangen ist.
DK: Hallo, Frau Schumann. Ich bin ganz aufgeregt, das ist heute mein erstes Interview. Ich weiß gar nicht, was ich Ihnen zu trinken anbieten soll. Ich glaube, wir haben noch Tee und Wasser da.
Karin Schumann: Einen Roibuschtee, bitte.
DK: Den haben wir sogar. Super, die erste Klippe habe ich genommen.
Karin Schumann (nach zehn Minuten): Wir können aber auch ohne Getränk beginnen, schließlich habe ich einige Tiere zu versorgen.
DK: Das ist mir jetzt sehr peinlich. Ich hätte schwören können, dass da noch eine Packung ist. Mist. Aber ich bin ja nur Volontär. Seit einer Woche. Wenn ich länger dabei bin, werde ich auch die Betriebsinterna kennen. Schön, dann starten wir. Es macht Ihnen sicher nichts aus, dass ich eine Cola trinke? Nein, gut. Frau Schumann, Sie sind Herrn Nannens Nachbarin. Wie lebt es sich mit solch einem Helden in der Nachbarschaft?
Karin Schumann: Held, haha. Das könnte dem eitlen Gockel so passen. Helden stelle ich mir anders vor. Aber er hat sich gebessert. Und über Abwesende will ich nichts Schlechtes sagen.
DK: Das müssen Sie schon ein wenig präzisieren. Was gibt es denn an Herrn Nannen zu tadeln.
Karin Schumann: Na, ich will jetzt keinen kalten Kaffee aufwärmen. Als Dieter von Essen nach Buldern gezogen ist, haben wir uns nur semigut verstanden. Er meinte, als Weltbürger könne er hier auftreten wie Graf Rotz. Dabei ist Essen nun wirklich keine Perle von Stadt wie beispielsweise Dresden oder Hamburg. Ohne anzuklopfen schneite er mir bei mir herein und erwischte mich splitternackt. Entschuldigt hat er sich dafür bis heute nicht.
DK: Oh, das hatte ich recherchiert. Im ersten Nannen-Krimi Schwein gehabt gibt Herr Nannen an, sich sehr wohl entschuldigt zu haben. Das muss ein Missverständnis gewesen sein.
Karin Schumann (erregt): Papperlapapp, Papier ist geduldig. Er hat sich nicht entschuldigt. Alle Fälle wurden nach aus Dieters Augen geschrieben. Da kommt er viel zu gut weg, und ich zu schlecht. Diese permanenten fiesen Bemerkungen über meinen Modegeschmack habe ich ihm schon übel genommen.
DK: Aber Sie sind sich schon näher gekommen. Gab es – verzeihen Sie die etwas indiskrete Frage - sexuelle Kontakte?
Karin Schumann: Ich werde doch nicht mein Privatleben in der Presse breit treten. Für wen halten Sie mich?
DK: Es gibt da schon Sequenzen in den Nannen-Romanen, die auf intime Kontakte schließen lassen.
Karin Schumann: Sind wir hier bei der Yellow-Press oder einem seriösen Blatt? Von mir gibt es kein weiteres Wort zu diesem Thema.
DK: Nun gut. Wenn ich Mein Schwein pfeift richtig gelesen habe, wird Ihre Beziehung in absehbarer Zeit einen offiziellen Charakter bekommen. Ist das richtig, und wenn ja, wie ist es dazu gekommen?
Karin Schumann: Das kann ich so nicht bestätigen. Nichtsdestotrotz wir sind uns im Laufe der Zeit näher gekommen. Dieter hat eine Menge guter Seiten, die häufig jedoch gut verborgen sind. Menschen, die ihn nicht so gut kennen, halten ihn oft für arrogant. Aber das täuscht.
DK: Was halten Sie von Herrn Nannens Beruf? Schließlich ist Detektiv ein gefährlicherer Beruf als beispielsweise Angestellter im Öffentlichen Dienst. Auch Sie sind bei seinem letzten Fall in Lebensgefahr geraten.
Karin Schumann: Damit muss ich leben. Es mag vielleicht etwas esoterisch klingen, aber für mich sollte jeder Mensch nach seiner karmischen Bestimmung leben. Und Dieters scheint halt Detektiv zu sein. Böses auszumerzen und die Welt ein Stück weit gerechter zu machen, das sind seine Anliegen. Dennoch wäre mir ein „langweiligerer“ Job natürlich lieber.
DK: Frau Schumann, wir danken Ihnen für dieses Gespräch und entschuldigen uns für die Unannehmlichkeiten.
Freitag, November 26, 2010
Mein Schwein pfeift: Der Dülmener Kurier interviewt Peter Grabowski
Am 01.12.2010 erscheint der neue Nannen-Krimi „Mein Schwein pfeift“im Ullstein-Verlag. Die beschauliche Stadt Dülmen, die sonst hauptsächlich für Wildpferde bekannt ist, rückt durch die brutale Mordserie in den Fokus der bundesdeutschen Öffentlichkeit. Der Dülmener Kurier lässt es sich nicht nehmen und interviewt die wichtigsten beteiligten Personen, um die Öffentlichkeit über Hintergründe aufzuklären.
Heute spricht Chefredakteur Gerhard Tilke mit Peter Grabowski, Dieter Nannens ältestem und besten Freund.
DK: Guten Abend, Herr Grabowski.
Peter Grabowski: Nicht so förmlich, alter Schwede. Schließlich bist du der Bruder von Karin Schumann, eine meiner besten Freundinnen. Ich heiße Peter. Auch ein Pils?
DK: Tja, angesichts der Tatsache, dass wir uns in einer Gastwirtschaft getroffen haben, keine schlechte Idee.
PG: Super Laden, wat? Hat erst vor kurzem aufgemacht. War vorher ne ganz üble Spelunke hier.
DK: Ich kenne das alte Lokal zwar nicht, aber nach einer extremen Weiterentwicklung sieht das hier nicht aus.
PG: Hah, dann geh mal auf die Toilette.
DK: Okay, ich glaube es dir. Jetzt zum Grund unseres Treffens: Unsere Leser möchten gerne erfahren, was hinter dem erfolgreichen Privatdetektiv Dieter Nannen steckt.
PG: Weiß du, dass er ohne mich gar kein Schnüffler geworden wäre?
DK: Nein, das ist mir neu.
PG: Ich hatte nämlich die Idee, und er hat mir das einfach nachgemacht.
DK: Und jetzt bist du bestimmt stinkesauer auf ihn.
PG: Drauf geschissen. Ist doch mein bester Kumpel. Außerdem zieht er mich immer zu Rate, wenn er nicht mehr weiter weiß. Leider zahlt er ziemlich mies.
DK: Du meinst also, Herr Nannen ist ein Halsabschneider.
PG: Laber keinen Scheiß, Alter, sonst sind wir hier ganz schnell durch. Dieter ist mein bester Kollege, wie gesagt, nur manchmal vielleicht ein bisschen geizig.
DK: Wie hab ihr euch denn kennen gelernt?
PG: Wir kennen uns schon seit der ersten Klasse. Später haben sich allerdings unsere schulischen Wege getrennt. Hatte keinen Bock auf diese Streberei. Hab lieber mit den Kumpels oder scharfen Weibern abgehangen.
DK: Und Herr Nannen?
PG: Der war zwar auch manchmal mit am Start, aber irgendwie standen die Pauker auf ihn. Der Dieter, der hat nachher sogar studiert, während ich malocht habe.
DK: Und trotzdem habt ihr euch nie aus den Augen verloren?
PG: Gute Freunde kann niemand trennen. Wir haben schon so viel Scheiß zusammen gebaut, uns bringt keiner mehr auseinander. Dieter war sogar mein Trauzeuge.
DK. Was meinst du genau mit „Scheiß gebaut“? Das dürfte unsere Leser interessieren.
PG: Meinst du, Kollege, ich bin so bekloppt, und erzähl was? Nachher hab ich noch die Bullen am Hals.
DK: So weit wollen wir es ja nicht kommen lassen. Gibt es denn irgendeine Anekdote aus Herrn Nannens Leben, die du unseren Lesern verraten kannst?
PG: Vielleicht die mit Bärbel?
DK: Ich habe zwar keine Ahnung, wen du meinst, aber nur zu.
PG: Dieter hatte damals mit 15 oder so diese Schnalle Bärbel, die ihn aber irgendwann tierisch genervt hat. Allerdings hat er sich nicht getraut, Schluss zu machen, weil sie ziemlich rabiat war.
DK: Und dann?
PG: Dann hatte Dieter eine super Idee: Ich bin statt ihm zum Date gegangen und habe mich als er ausgegeben. Habe gesagt, dass ich einen Unfall hatte und total operiert worden bin. Ruckzuck war finito, und das ohne irgendwelchen Stress.
DK: Vielen Dank für diesen selbstironischen Kommentar und für das Gespräch.
PG: Noch ein Pils?
DK: Nein danke, gleich ist Redaktionsschluss. Auf Wiedersehen.
Donnerstag, November 25, 2010
Mein Schwein pfeift: Der Dülmener Kurier im Gespräch mit Pfarrer Wilpert
Am 01.12.2010 erscheint der neue Nannen-Krimi „Mein Schwein pfeift“. Die beschauliche Stadt Dülmen, die sonst hauptsächlich für Wildpferde bekannt ist, rückt durch die brutale Mordserie in den Fokus der bundesdeutschen Öffentlichkeit. Der Dülmener Kurier lässt es sich nicht nehmen und interviewt die wichtigsten beteiligten Personen, um die Öffentlichkeit über Hintergründe aufzuklären.
Heute spricht Chefredakteur Gerhard Tilke mit Pfarrer Wilpert, dem Seelsorger von Dieter Nannen, dem Hauptprotagonisten von Mein Schwein pfeift.
DK: Guten Tag, Pfarrer Wilpert. Wir treffen uns hier in der Sakristei von Sankt Pankratius. Wie kam es zu Ihrer Bekanntschaft mit Dieter Nannen? Ist er ein einfaches Gemeindemitglied, oder sehen Sie eine engere Beziehung. Vielleicht ein Freund?
Pfarrer Wilpert: Ich habe Sie noch nie in meiner Kirche gesehen, junger Freund. Wir hatten letzte Woche Gemeindefest und haben über 300 Euro für Miserior gesammelt. Warum wird zu so einer wichtigen Veranstaltung ein Praktikant geschickt? Das beschämt unseren Herrgott!
DK: Ich wäre liebend gerne gekommen, war aber gesundheitlich verhindert. Wir sprachen über Herrn Nannen.
Pfarrer Wilpert: Beim nächsten Gemeindefest erwarte ich einen Artikel von Ihnen persönlich auf der ersten Seite des Lokalteiles. Haben wir uns verstanden, junger Freund!
DK: Versprochen.
Pfarrer Wilpert: Nun, Dieter Nannen ist ein Angestellter Gottes. Als unser langjähriger Organist Hugo Simon verstarb, vererbte er Nannen seinen Hof. Schon Monate vor seinem Tod erzählte er mir, dass auch sein Erbe Tasteninstrumente bedienen könne. Leider hat Nannen seine Fertigkeit früher nicht zum Lobe Gottes genutzt. Eher im Gegenteil. Hugo spielte mir einige Lieder vor, nein, nichts Gescheites. Aber die Fertigkeiten sollten für unsere Gemeinde reichen, wenn sie in die richtigen Kanäle gelenkt würden. Ich bestellte ihn kurz nach seiner Ankunft in die Kirche, legte ihm die Lieder vor, und seitdem ist Herr Nannen ein nützliches Schäfchen unserer Gemeinde. Leider sehr unregelmäßig. Er schiebt seine Abwesenheiten vom Gottesdienst auf seinen Beruf, aber das kann ich nicht gelten lassen. Denn…
DK: Du sollst den Sonntag ehren?
Pfarrer Wilpert: Genau. Bei Ihnen ist wohl doch noch nicht Hopfen und Malz verloren.
DK: Was halten Sie vom Detektivberuf Ihres Organisten? Dort hat man ja mit allerlei üblen Subjekten zu tun, muss vielleicht sogar auf Menschen schießen.
Pfarrer Wilpert: Des Menschen Wille ist sein Königreich. Die Polizei hat schließlich auch mit Sündern zu tun, verteufelt die Gesellschaft sie deswegen? Ich habe mich nie besonders mit seinem Broterwerb beschäftigt, wichtig ist, dass Sonntag in der Kirche mit Musik dem Herrn gehuldigt wird. Nachdem ich anfangs eine gewisse Unlust bei ihm festgestellt habe, versieht er nun den Dienst mit Freude.
DK: Sie sehen Herrn Nannen als frommen Diener der Kirche?
Pfarrer Wilpert: In seinem tiefsten Herzen ist er ein gläubiger Jünger des Herrn. Das sollten Sie bei aller möglichen Kritik an Herrn Nannen nicht vergessen. Wenn Sie mit ihm sprechen, erinnern Sie ihn aber bitte daran, dass er schon lange nicht mehr zur Beichte gekommen ist. Denn die ist der beste Weg, sich von Sorgen zu befreien, besser als ein Buch zu veröffentlichen.
DK: Ich werde ihn daran erinnern. Bis bald, Herr Pfarrer.
Pfarrer Wilpert: Geh mit Gott, mein Sohn.
Mittwoch, November 24, 2010
Mein Schwein pfeift: Der Dülmener Kurier im Gespräch mit Kommissar Ludger Reichert
Die Veröffentlichung des 4. Dieter-Nannen-Krimis steht kurz bevor. Der Dülmener Kurier interviewt für dieses Großereignis beteiligte Personen. Heute im Gespräch mit Chefredakteur Gerhard Tilke: Oberkommissar Ludger Reichert von der Dülmener Polizei.
DK: Guten Tag, Herr Reichert. Schön, dass Sie sich Zeit für uns genommen haben.
Ludger Reichert: Die Polizei tut, was man kann. Da es sich um ein abgeschlossenes Verfahren handelt, gebe ich bereitwillig Auskunft.
DK: Wie stellt sich der Fall um den ermordeten Fußballer Angelo Küppers aus Ihrer Sicht dar? Hat die Polizei versagt? Sie waren am Tatort.
Ludger Reichert: Ich verbitte mir diesen unterstellenden Tonfall. Tatsächlich war ich in der Nähe, als der Mord geschah. Es fand am besagten Tag ein Benefizspiel zu Gunsten krebskranker Kinder oder so statt. Ich habe mich gerne bereit erklärt, an diesem kurzweiligen Ereignis als Repräsentant der Polizei teilzunehmen. Wohlgemerkt in meiner Freizeit. Ich hätte mir natürlich denken können, dass in Gegenwart dieses Schnüfflers Schlimmes geschieht.
DK: Sie meinen Dieter Nannen?
Ludger Reichert: Wen sonst? In Dülmen hat es noch nie einen Detektiv gegeben. Ich halte seine Anwesenheit auch heute für völlig unnötig, nutzlos und einfach nur störend. Die Polizei hat alles im Griff.
DK: Aber wie ich nachgelesen habe, hat doch Herr Nannen den Fall gelöst. Danke an dieser Stelle noch mal an den Ullstein-Verlag, dass wir eine Vorabversion des Buches lesen durften.
Ludger Reichert: Papperlapapp. Letztendlich schon. Allerdings muss man bedenken, dass Herr Nannen den ermittelnden Behörden wichtige Beweise unterschlagen hat. Somit hatte er einen Vorsprung. Fair ist das nicht.
DK: Aber schließlich hat der Polizeiapparat ganz andere Ressourcen zur für die Ermittlungsarbeit zur Verfügung als ein Privatdetektiv. KTU nenne ich mal als Stichwort.
Ludger Reichert: Herr Nannen bemüht aber auch Methoden, die sich an den Grenzen der Legalität oder darüber hinaus bewegen. Bei seinem ersten Fall ist er in unser Revier eingebrochen, um sich Zugang zu Akten zu verschaffen. Beweisen konnten wir es nicht; aber ich glaube fest, dass er es getan hat. Diese Aussage ist aber inoffiziell und wird bitte nicht abgedruckt.
SK: Selbstverständlich. Wie gut unterrichtete Kreise zu berichten wissen, verdanken Sie Herrn Nannen ihre Beförderung zum Oberkommissar. Steht nach diesem neuen Fall eine weitere Beförderung ins Haus?
Ludger Reichert: Diese Behauptungen sind erstunken und erlogen. Die Behörden haben es nicht nötig, auf die Dienste eines solchen Halunken zurückzugreifen. Haben Sie einmal sein marodes Haus gesehen? Das spricht Bände. Hier im Münsterland sind wir ordentlich und sauber. Eigenschaften, die Nannen nur vom Hörensagen kennt.
DK: Herr Reichert, das war ein schönes Schlusswort. Ich bedanke mich für das Gespräch.
Ludger Reichert: Wenn Sie Nannen sehen, richten Sie ihm aus, dass er das nächste Mal in den Knast wandert, wenn er Beweismittel unterschlägt.
DK: Gerne, Herr Reichert. Auf Wiedersehen.
Dienstag, November 23, 2010
Mein Schwein pfeift. Der Dülmener Kurier im Gespräch mit Stefan Jahnknecht
Am 01.12.2010 erscheint der neue Nannen-Krimi „Mein Schwein pfeift“ im Ullstein-Verlag. Die beschauliche Stadt Dülmen, die sonst hauptsächlich für Wildpferde bekannt ist, rückt durch die brutale Mordserie in den Fokus der bundesdeutschen Öffentlichkeit. Der Dülmener Kurier lässt es sich nicht nehmen und interviewt die wichtigsten beteiligten Personen, um die Öffentlichkeit über Hintergründe aufzuklären.
Heute spricht Chefredakteur Gerhard Tilke mit Stefan Jahnknecht, einem der ersten Kontakte Dieter Nannens nach seinem Umzug nach Buldern.
DK: Guten Tag, Herr Jahnknecht.
Stefan Jahnknecht: Kannst mich Stefan nennen tun.
DK: Hallo Stefan, ziemlich ungewöhnlicher Ort für ein Interview.
SJ: Was das sein, Interwu?
DK: Ein Gespräch.
SJ: Ach so. Na, of reden während Treckerfahren. Manchmal mit Bauer Steinmann, mein Boss, oder mit Trude.
DK: Trude?
SJ: Der Dackel von Bauer Steinmann, der Boss von mir ist.
DK: Danke, aber jetzt reden wir mal ein bisschen über Herrn Nannen. Unsere Leser wollen mehr über Herrn Nannens Persönlichkeit erfahren, über das, was unter seiner rauen Schale steckt.
SJ: Das sein keine Schale, das sein Haut.
DK: Danke für die Belehrung.
SJ: Dieter sein prima Kerl, sehr prima. Deswegen ich ihm geschenkt Pedder.
DK: Das Schwein, nicht wahr?
SJ: Ja, er gewesen ganz traurig, als Sau Wilpert tot ist. Darum mein Geschenk, über das sich Dieter sehr gefreut.
DK: Was macht Herr Nannen denn so in seiner Freizeit? Achtung, Stefan, du fährst in den Graben!
SJ: Puh, das gewesen knapp. Beinahe wir Unglück gehabt mit Trecker von Bauer Steinmann, mein Boss. Und das nur, weil so viel reden und nicht aufpassen tun.
DK: Entschuldigung, dass ich Fragen stelle bei unserem vereinbarten Interviewtermin.
SJ: Nicht verstehen tu.
DK: Egal, wie ist denn jetzt der Herr Nannen privat?
SJ: Ich manchmal mit ihm Angeln gehen. Und weißt du was? Er mir gibt am Schluss immer den dicksten Fisch. Sein prima Kerl, der Dieter. Noch viel besser als Bauer Steinmann, mein Boss.
DK: Danke für den Hinweis. Gibt es denn auch etwas Negatives über Herrn Nannen zu berichten?
SJ: Bitte?
DK: Hat er auch dunkle Seiten?
SJ: Manchmal dunkel in seinem Stall, weil Birne kaputt. Einmal Dieter im Dunkeln zu Pedder gegangen und dann ausgerutscht auf Schweine-Aa, hohoho.
DK: Das ist wirklich lustig, das wird unsere Leser vom Hocker hauen. Achtung! Schon wieder der Graben!
SJ: Herrje, ist glaub ich schlecht mit Interwu auf Trecker von Bauer Steinmann.
DK: Ihrem Boss.
SJ: Ja, mein Boss, und sehr guter Boss.
DK: Danke, das war es dann auch schon. Lässt du mich jetzt bitte aussteigen?
Montag, November 22, 2010
Mein Schwein pfeift: Der Dülmener Kurier im Gespräch mit Bettina Klimke
Am 01.12.2010 erscheint der neue Nannen-Krimi „Mein Schwein pfeift“. Die beschauliche Stadt Dülmen, die sonst hauptsächlich für Wildpferde bekannt ist, rückt durch die brutale Mordserie in den Fokus der bundesdeutschen Öffentlichkeit. Der Dülmener Kurier lässt es sich nicht nehmen und interviewt die wichtigsten beteiligten Personen, um die Öffentlichkeit über Hintergründe aufzuklären.
Heute spricht Chefredakteur Gerhard Tilke mit Bettina Klimke, der Ex-Verlobten des Dülmener Privatdetektives Dieter Nannen.
DK: Guten Frau Klimke. Darf ich Ihnen etwas zu trinken anbieten?
Bettina Klimke: Gerne, bitte einen Yogi-Tee mit zwei Teelöffeln frischer Milch.
DK: Damit kann ich leider nicht dienen. Würde es auch Kaffee oder Schwarzer Tee tun? Mineralwasser haben wir natürlich auch.
Bettina Klimke: Wenn Sie mit einem Wasserfilter gereinigtes haben, gerne.
DK: Ich fürchte, da muss ich passen. Vielleicht dauert unser Gespräch auch nicht so lange.
Bettina Klimke: Das hoffe ich doch. Ich weiß auch gar nicht, warum ich hier bin. Schließlich haben Dieter und ich nur noch sporadisch Kontakt. Die Verlobung wurde vor mittlerweile fünf Jahren gelöst.
DK: Schließlich sind Sie eine der wenigen, die Herrn Nannen vor seiner Dülmener Zeit kennen. Wie haben Sie sich kennen gelernt, was ist er für ein Mensch? Das sind Fragen, die unsere Leser interessieren.
Bettina Klimke: Ich will nichts Schlechtes über Dieter sagen, schließlich hatten wir auch eine schöne Zeit.
DK: Der Leser verdient ein umfassendes Bild, kein verklärtes. Schießen Sie los.
Bettina Klimke: Wir haben uns bei einer Studentenparty in unserer Heimatstadt Essen kennen gelernt. Wir haben damals beide BWL studiert. Mein Gott, ist das lange her. Dieter hat mit seinem Freund Peter Grabowski die Tanzfläche gesprengt. Es lief George Thorogoods I’m drinking alone. Und beide waren wirklich sturzbesoffen. Peter hat aber nicht studiert, da er geistig doch eher minderbemittelt ist. Jedenfalls ist Dieter im wahrsten Sinne des Wortes über mich gestolpert. Das war vielleicht peinlich, kann ich Ihnen sagen. Aber irgendwas hat er an sich gehabt, das mir gefallen hat.
DK: Und wie ging es weiter?
Bettina Klimke: Ich habe uns ein Taxi bestellt und ihn mit nach Hause genommen. Meine Eltern waren natürlich wenig begeistert. Am nächsten Morgen wusste er von nichts. Aber wir haben uns dann ineinander verliebt. Er ist kein übler Kerl, früher war er eher ein wenig ziellos. Das Studium hat er aber hervorragend absolviert. Dann haben wir uns irgendwann verlobt, eine gemeinsame Wohnung bezogen und zusammen in der Firma meines Vaters gearbeitet. Das war aber nicht sein Ding.
DK: Was ist passiert?
Bettina Klimke: Sein Freundeskreis war an unserem Zerwürfnis Schuld. Dieser Peter Grabowski hat nur Alkohol, Glücksspiel und zweifelhafte Damenbekanntschaften im Sinn. Dieter hat seine Arbeit sehr lax genommen. Dabei stand fest, dass er einmal die Firma meines Vaters übernehmen sollte. Als er aber zum hundertsten Male ein Dinner im Verwandtschaftskreis hat sausen lassen, weil er in seiner Stammkneipe die Puppen hat tanzen lassen, habe ich ihn hochkant vor die Tür gesetzt.
DK: Das war hart. Und dann ist er nach Dülmen gezogen?
Bettina Klimke: Er hatte von einem Bekannten seiner Mutter einen heruntergekommenen Kotten in Buldern geerbt. Da ist er mit seinen wenigen Sachen hin. Und da Grabowski damals versuchte, als Privatdetektiv Fuß zu fassen, dachte er sich wohl: Was der kann, kann ich schon lange. An Selbstbewusstsein hat es Dieter nie gemangelt.
DK: Sie wohnen auch in Dülmen. Wie ist es dazu gekommen?
Bettina Klimke: Letztes Jahr hatte ich eine Sinnkrise. Wozu dieses Streben nach Wohlstand und materiellen Werten? Ich bin aus Vaters Firma ausgestiegen und habe ein halbes Jahr in einem Ashram meditiert. Da bekam ich die Vision, dass Dieter und ich wieder zusammenkommen müssten. Das war leider ein Trugbild. Doch ich habe hier in Dülmen den Dichter und Tantriker Franz Spoden kennen gelernt. Wir führen eine offene und sexuell freie Beziehung. Möchten Sie vielleicht auch an einem unserer Schnupperabende Erotische Ekstase teilnehmen?
DK: Vielleicht später. Der Terminkalender ist proppenvoll. Hatten Sie in letzter Zeit Kontakt zu Herrn Nannen?
Bettina Klimke: Ich habe natürlich in Ihrer Zeitung gelesen, unter welch lebensgefährlichen Umständen er diesen Fußballmord aufgeklärt hat. Da habe ich ihn natürlich angerufen und gratuliert. Viel erzählt hat er allerdings nicht. Die Einladung zu unserem Meditationskurs hat er auch ausgeschlagen. Dabei würde ihm ein wenig Ruhe gut tun.
DK: Ich danke Ihnen für das informative Gespräch, Frau Klimke.
Heute spricht Chefredakteur Gerhard Tilke mit Bettina Klimke, der Ex-Verlobten des Dülmener Privatdetektives Dieter Nannen.
DK: Guten Frau Klimke. Darf ich Ihnen etwas zu trinken anbieten?
Bettina Klimke: Gerne, bitte einen Yogi-Tee mit zwei Teelöffeln frischer Milch.
DK: Damit kann ich leider nicht dienen. Würde es auch Kaffee oder Schwarzer Tee tun? Mineralwasser haben wir natürlich auch.
Bettina Klimke: Wenn Sie mit einem Wasserfilter gereinigtes haben, gerne.
DK: Ich fürchte, da muss ich passen. Vielleicht dauert unser Gespräch auch nicht so lange.
Bettina Klimke: Das hoffe ich doch. Ich weiß auch gar nicht, warum ich hier bin. Schließlich haben Dieter und ich nur noch sporadisch Kontakt. Die Verlobung wurde vor mittlerweile fünf Jahren gelöst.
DK: Schließlich sind Sie eine der wenigen, die Herrn Nannen vor seiner Dülmener Zeit kennen. Wie haben Sie sich kennen gelernt, was ist er für ein Mensch? Das sind Fragen, die unsere Leser interessieren.
Bettina Klimke: Ich will nichts Schlechtes über Dieter sagen, schließlich hatten wir auch eine schöne Zeit.
DK: Der Leser verdient ein umfassendes Bild, kein verklärtes. Schießen Sie los.
Bettina Klimke: Wir haben uns bei einer Studentenparty in unserer Heimatstadt Essen kennen gelernt. Wir haben damals beide BWL studiert. Mein Gott, ist das lange her. Dieter hat mit seinem Freund Peter Grabowski die Tanzfläche gesprengt. Es lief George Thorogoods I’m drinking alone. Und beide waren wirklich sturzbesoffen. Peter hat aber nicht studiert, da er geistig doch eher minderbemittelt ist. Jedenfalls ist Dieter im wahrsten Sinne des Wortes über mich gestolpert. Das war vielleicht peinlich, kann ich Ihnen sagen. Aber irgendwas hat er an sich gehabt, das mir gefallen hat.
DK: Und wie ging es weiter?
Bettina Klimke: Ich habe uns ein Taxi bestellt und ihn mit nach Hause genommen. Meine Eltern waren natürlich wenig begeistert. Am nächsten Morgen wusste er von nichts. Aber wir haben uns dann ineinander verliebt. Er ist kein übler Kerl, früher war er eher ein wenig ziellos. Das Studium hat er aber hervorragend absolviert. Dann haben wir uns irgendwann verlobt, eine gemeinsame Wohnung bezogen und zusammen in der Firma meines Vaters gearbeitet. Das war aber nicht sein Ding.
DK: Was ist passiert?
Bettina Klimke: Sein Freundeskreis war an unserem Zerwürfnis Schuld. Dieser Peter Grabowski hat nur Alkohol, Glücksspiel und zweifelhafte Damenbekanntschaften im Sinn. Dieter hat seine Arbeit sehr lax genommen. Dabei stand fest, dass er einmal die Firma meines Vaters übernehmen sollte. Als er aber zum hundertsten Male ein Dinner im Verwandtschaftskreis hat sausen lassen, weil er in seiner Stammkneipe die Puppen hat tanzen lassen, habe ich ihn hochkant vor die Tür gesetzt.
DK: Das war hart. Und dann ist er nach Dülmen gezogen?
Bettina Klimke: Er hatte von einem Bekannten seiner Mutter einen heruntergekommenen Kotten in Buldern geerbt. Da ist er mit seinen wenigen Sachen hin. Und da Grabowski damals versuchte, als Privatdetektiv Fuß zu fassen, dachte er sich wohl: Was der kann, kann ich schon lange. An Selbstbewusstsein hat es Dieter nie gemangelt.
DK: Sie wohnen auch in Dülmen. Wie ist es dazu gekommen?
Bettina Klimke: Letztes Jahr hatte ich eine Sinnkrise. Wozu dieses Streben nach Wohlstand und materiellen Werten? Ich bin aus Vaters Firma ausgestiegen und habe ein halbes Jahr in einem Ashram meditiert. Da bekam ich die Vision, dass Dieter und ich wieder zusammenkommen müssten. Das war leider ein Trugbild. Doch ich habe hier in Dülmen den Dichter und Tantriker Franz Spoden kennen gelernt. Wir führen eine offene und sexuell freie Beziehung. Möchten Sie vielleicht auch an einem unserer Schnupperabende Erotische Ekstase teilnehmen?
DK: Vielleicht später. Der Terminkalender ist proppenvoll. Hatten Sie in letzter Zeit Kontakt zu Herrn Nannen?
Bettina Klimke: Ich habe natürlich in Ihrer Zeitung gelesen, unter welch lebensgefährlichen Umständen er diesen Fußballmord aufgeklärt hat. Da habe ich ihn natürlich angerufen und gratuliert. Viel erzählt hat er allerdings nicht. Die Einladung zu unserem Meditationskurs hat er auch ausgeschlagen. Dabei würde ihm ein wenig Ruhe gut tun.
DK: Ich danke Ihnen für das informative Gespräch, Frau Klimke.
Mittwoch, November 10, 2010
Hartmut Block: Dosenkavalier
Jonas Kemp ist zweiter Mann in einem Kölner Nobelrestaurant und spekuliert auf den Chefkochposten. Unglücklicherweise fällt er einer Intrige zum Opfer und wird gefeuert.
Da sein Ruf ruiniert ist, bleibt ihm nichts anderes übrig, als in einer Krankenhauskantine anzuheuern. Doch auch dort betritt er das Tretmienenfeld der Fettnäpfchen, in das er bereitwillig bei jeder Gelegenheit reintappt. Zu allem Unglück verliebt er sich in eine attraktive Assistenzärztin, die er durch sein unsensibles Verhalten ungewollt auf Distanz hält. Doch Jonas lernt dazu, und alles wendet sich zum Guten. Oder etwa doch nicht?
Dosenkavalier ist ein witziger Roman, der mich oft zum Schmunzeln gebracht hat. Jonas Kemp ist zu Beginn der Story ein kompletter Unsympath, dem man alles Pech der Welt wünscht. Dies sieht der Autor genauso und schickt Jonas von einer Katastrophe in die nächste. Als Jonas' Umdenken einsetzt, fiebert man mit ihm und hofft, dass er doch sein Glück findet.
Ein unterhaltsamer Roman, der auf seinen Nachfolger gespannt macht.
Montag, November 08, 2010
Bestseller 17: Neustart mit Ingwer-Bionade
Die Minister-Stüve-Straße ist eine reine Wohngegend. Wo soll hier ein Geschäftshaus sein? In Nummer sechzehn finde ich den Verlag. In einem stinknormalen Mehrfamilienhaus. Mike Marré wohnt in der zweiten Etage. Marré trägt trotz des eher warmen Klimas ein grau-schwarz-karriertes Sakko und eine noch grauere Stoffhose mit überdimensionierten Taschen an den Hosenbeinen. Schräger Typ. Eine rote Haartolle hängt mitten auf seiner Stirn, die Koteletten wuchern bis zum Hals. Er blickt durch eine Hornbrille, die an die schicken Achtziger-Jahre-Modelle erinnert. In der Hand hält er einen erloschenen Zigarillo. Er mag ein wenig älter als ich sein, schätze ihn auf knappe vierzig.
»Guten Tag, was kann ich für Sie tun? », fragt er mit ausgesuchter Höflichkeit.
»Horst Stengel, wir hatten gestern telefoniert. Wegen des Jobs.»
»Klasse, komm rein», freut er sich. Die Wohnung sieht aus, als wäre ein Tornado durch eine Bibliothek gewütet. Überall liegen Bücher, Papiere und Ordner. Auf dem Regalen, Schränken und dem Boden. Den Teppich sieht man nur an vereinzelten Stellen. Gemütlich finde ich es nicht.
»Entschuldige, wie es hier aussieht. Aber ich habe einfach keine Zeit, klar Schiff zu machen. Das wäre dann unter anderem deine Aufgabe», zündet er sich mit einem Zippo den Zigarillo wieder an, der sofort wieder erlischt.
Er führt mich nach dem Hinweis »Bitte auf keine Unterlagen treten» durch den Flur ins Arbeitszimmer. Hier dasselbe Bild. Sein Schreibtisch quillt über, der Fußboden ist mit Papier belegt.
»Man sagt, das Genie beherrscht das Chaos», lächelt er. »Ich bin anscheinend kein Genie.»
Ich darf einen Stapel mit Ordnern vom Stuhl nehmen und mich drauf setzen. Aus einem Kühlschrank hinter ihm nimmt er eine Flasche Ingwer-Bionade und schmeißt sie mir rüber. Ich bedanke mich artig, öffne sie und nehme einen Schluck. Lecker.
»Ich bin, wie du siehst, ein Kleinverleger. Ein Mann-Betrieb. Habe früher eine Lehre als Verlagskaufmann gemacht, wollte mich aber nie an einen Arbeitgeber binden. Eine schwierige Situation. Dann habe ich mich irgendwann selbstständig gemacht. Ich gebe Krimiautoren der Pulp-Tradition heraus. Da suche ich mir ältere Schätzchen, bei denen ich günstig an die Lizenz komme oder auch jüngere deutsche Autoren des Underground.»
Underground. Genau mein Ding.
»Ich schreibe auch. Habe gerade Schiffbruch mit einem Verlag erlebt.»
Erzähle ihn von meinem Leidensweg, lasse nichts aus, male meinen großartigen Roman in schillerndsten Farben aus. Und Mike sagt »Klingt gut. Warum nicht?»
Ich kann es nicht fassen, starre ihn mit großen Augen an.
»Wenn jemand so viel für sein Ziel auf sich nimmt, muss es irgendwann belohnt werden. Mail mir dein Skript, dann schaue ich es mir genauer an.»
»Wieviel verkaufst du denn von einem Buch? », frage ich.
»Wenn es gut läuft, vielleicht tausend Bücher. Von Meine geliebte Wumme spuckt Blei haben wir tausendfünfhundert verscherbelt. Das ist unser Verlagsbestseller. Weißt du: Ich produziere on demand: Wenn jemand was kauft, wird es gedruckt. So gehe ich kaum Riskio ein. Ich übernehme Lektorat, Gestaltung und Werbung. Bringt keine hohen Umsatzzahlen, aber ich kann davon leben und die Autoren fahren auch nicht schlecht damit.»
Das klingt nicht so, als ob ich in nächster Zeit meinen Lebensunterhalt mit meinem Buch bestreiten könnte. Allerdings haut er nicht so auf die Kacke wie Frau Ahmert. Ist doch ein Lichtblick denke ich schließlich.
»Es würde mich freuen, wenn du meinen Roman herausbringen würdest», sage ich daher.
Mike wiegelt ab. »Erst mal abwarten. Wann kannst du bei mir anfangen?»
Ich überlege kurz und meine schließlich, dass übermorgen ein guter Arbeitsstarttermin wäre. Hoffentlich lebe ich dann noch.
»Prima. Du solltest erst mal Ordner für jedes Buchprojekt anlegen und dieses Papierchaos beseitigen. Dann sehen wir weiter. Ich habe massenhaft Aufgaben, für die mir selber jegliche Zeit fehlt», startet er bereits den fünften Versuch, den Zigarillostumpen zum Stinken zu bringen.
Wir vereinbaren, dass ich erst mal eine Woche im Monat voll arbeite. Was über die vierhundert Euro hinausgeht, bezahlt er mir cash. Das gefällt mir. Zufrieden schiebe ich nach Hause ab. Ein Job, der Spaß und Bares bringt. Kann mich nicht erinnern, wann ich das letzte Mal zu dem Vergnügen kam.
Um kurz vor neunzehn Uhr treffen wir uns vor dem Versteck der Polizei. Antje küsst mich, freut sich sehr, mich zu sehen, obwohl wir uns erst am Morgen getrennt haben. Wie soll das mit Amerika gehen? Die Wohnung liegt in einem Mietshaus mit acht Parteien. Wir klingeln bei Müller und stiefeln eine Treppe hoch. Unauffällig, der Herr Müller. An der Tür hängt allerdings eine Art Adventskranz ohne Kerzen. Ziemlich vergammelt. Scheint den Nachbarn egal zu sein, denn das Teil hängt bestimmt seit über einem Jahr. Kleine öffnet. Eingerichtet ist die Bude nicht, wie ich sofort sehe. An der Wand steht ein Tisch, worauf sich diverser technischer Schnickschnack befindet. Abhörvorrichtung. Davor sitzt ein etwa fünfzigjähriger Mann mit Vollbart und Segelohren.
»Hi», grüßt er. »Ich bin Kommissar Wegner, der Abhörspezialist. Kannst mich Kalle nennen. Tut jeder.»
»Stasi-Kalle», grinst Kleine. Bullen haben einen seltsamen Humor.
Ich bekomme ein Mikrophon unter das Shirt gesteckt und einen Sender in die Hosentasche.
»Fein», sagt Kleine. »Nichts zu sehen. Verhalten Sie sich unauffällig und versuchen ihn zu Aussagen über kriminelle Handlungen zu verleiten.»
»Ist das nicht widersprüchlich?», frage ich. »Was, wenn er Lunte riecht?»
Kleine verdreht die Augen. »Wir sind sofort zur Stelle. Unsere Eingreiftruppe von sieben Mann lauern in unmittelbarer Nähe. Die schlagen sofort zu, wenn wir Gefahr wittern. Keine Sorge.»
»Wann soll ich los?», frage ich. Meine Knie zittern. Antje merkt das und legt den Arm um meine Schultern.
»Geht schon alles gut, vertrau mir», flüstert sie.
»Warten Sie noch eine halbe Stunde», blickt Kleine auf die Uhr. »Kalle kocht uns einen Kaffee.»
Der Abhörspezialist schaut furstriert, begibt sich aber in die kleine Küche und füllt vier Tassen mit Nesskaffee. Schmeckt nicht und macht mich noch nervöser. Antje hält meine Hand. Kleine spricht ab und an unverständliche Codes in sein Funkgerät. Stasikalle spielt Solitaire auf seinem Laptop. Flucht, wenn die Karten gegen ihn sind als würde es um Kohle gehen. Schließlich hallt »Zielperson auf F 5», aus dem Funkgerät. Kleine blickt mich an.
»Lüscherhoff hat gerade das Spezial betreten. Wir warten fünf Minuten, dann gehen Sie los. Dann geht die Luzzi ab», grinst er selbstgefällig. Er sitzt schließlich in Sicherheit.
Sekunden dehnen sich zu Minuten. Bis Kleine schließlich sagt »Los. Viel Glück.»
Kalle sagt, ohne sich von seinen Karten abzuwenden »Du machst das schon. Bis später.»
Antje küsst mich. »Süßer, ich bin immer bei dir, auch wenn ich nicht da bin. Ich habe eine kleine Überraschung für dich. Aber komm erst heil zurück.»
»Ich freue mich», sag ich automatisch, verlasse die Wohnung und wandere los. Kopf leer, Nerven angespannt.
Beim Special steht Ronni an der Tür. Er grinst, als hätte er soeben eine Million beim Lotto abgezogen.
»Unser Starautor», klopft er mir auf die Schulter. »Ich wusste, dass du in den Schoß der Familie zurückkehrst. Nimm unsere kleine Schönheitsoperation nicht persönlich. Ist alles beruflich.»
Hat anscheinend zu viel Mafiastreifen konsumiert. Schlagartig verschwindet die Nervosität aus meinem Nervensystem. Dem werde ich es zeigen.
Ich lege ihm den Arm um die Schultern und drücke, dass es selbst dem Schrank weh tut. Erstaunt blickt er mich an.
»Ich freue mich riesig, mit euch weiterzuarbeiten. Habe diverse Ideen, die ich mit Pierre durchsprechen werde.»
»Na dann geh rein», brummt er. Erstaunlich viel los heute. Freier aller Herren Länder plaudern mit den Damen und schlürfen Sekt. Russlana sehe ich auch, sie zwinkert und prostet mir zu. Dann befummelt sie wieder den feisten Opa in krachledernen Shorts mit Gamsbarthut. Sexy Typ.
Pierre sitzt an einem Tisch in einer Loge unter einer einem Kerzenleuchte nachempfundenen Lampe. Er trägt einen cremefarbenen Anzug und ein weißes Hemd mit einer Rose im Knopfloch. Smarter geht’s nicht. Er nippt an einem Cappuccino und brütet über Excel-Sheets. Konzentriert, sehen wie Umsatz- oder Gewinn- oder Verlustrechnungen aus. Als er mich bemerkt, knipst er sein gewinnendes Lächeln an.
»Horst, ich freu mich, dich wieder zu sehen», schüttelt er mir die Hand. Er weist auf die Unterlagen vor ihm. »Langweiliger Buchhaltungskram, aber als Selbständiger muss sich ja einer drum kümmern.»
Klingt wie ein von Bürokratie genervter Backshopbesitzer. Aus dem kleinen Kopfhörer, den Kalle installiert hat, höre ich Kleine »Gehen Sie auf den Small-Talk ein. Tun Sie, als ob Sie ganz entspannt wären.»
Hält der mich für blöd?
»Versteh ich», sage ich und versuche entspannt und selbstbewusst zu klingen. »Obwohl ich in geistiger Umnachtung eine Umschulung zum Kaufmann abgeschlossen habe, hat mich das ganze Zahlenzeug immer angeödet.»
Wir beide nicken, verstehen einander.
»Hauptsache, die Kasse stimmt am Monatsende», sagt Pierre. »Schließlich habe ich einen Haufen Angestellter, die gefüttert werden wollen.»
Der gute Familienvater. Ich könnte kotzen.
»Der Staat macht es uns allen nicht einfach», gebe auch ich einen Allgemeinplatz von mir.
Pierre verdreht gespielt verzweifelt die Augen.
»Kommen Sie zur Sache», dröhnt Kleine.
»Mir hat der Besuch deiner Schläger überhaupt nicht gefallen», tue ich ihm den Gefallen.
»Sie sollten nur mit dir reden», versichert Pierre. »Leider ist es schwierig, gute Angestellte zu finden, die sich strikt an deine Weisungen halten. Bernie scheint da etwas übermotiviert gewesen zu sein. Er geht auch zurück nach Thailand.»
»Nagel Sie ihn fest, dass er den Auftrag gegeben hat! Aber bleiben Sie verbindlich», nervt der Kommissar. Hat gut reden, das Schlimmste, was er zu befürchten hat, ist Kalles Koffeingebräu.
»Komm schon. Du hast Ronny und diesen Neandertaler Bernie losgeschickt, damit sie mir die Nase richten. Kein Problem, ich habe diesen kleinen Denkanstoß gebraucht. Ich hatte gezweifelt, dass ich mit dir den Erfolg erreiche, den ich haben will. Doch ich bin in mich gegangen, habe meinen inneren Buddha befragt, und bin zu dem Schluss gekommen, dass wir uns gegenseitig stützen werden. Ich verschaffe dir neue Ideen für die Filmproduktion, du gibst mir finanziellen Raum für Romanprojekte.»
Ich kann nicht glauben, welchen Mist ich von mir gebe. Innerer Buddha. Da spricht der Autor aus mir.
Doch Pierre scheint darauf anzuspringen. Bedächtig nickt er.
»Ich wusste, dass du Vernunft annimmst. Aber Ronny und Bernie haben auf eigene Faust gehandelt. Du kennst mich doch. Ich bin strikter Gegner von Gewalt.»
Glatt wie ein mit Vaseline eingeschmierter Aal.
»Scheiße», flucht Kleine über den Kopfhörer.
Pierre winkt durch den Raum und Ronny steht sofort an unserem Tisch. Pierre winkt, und Ronny darf sich setzen.
»Mein Freund Horst meint, ich hätte dich beauftragt, ihn mit physischer Gewalt zu malträtieren. Habe ich dir solche Anweisungen gegeben?», verfällt er in gestelzte Ausdrucksweise.
Ronny schüttelt erstaunt den Kopf.
»Nie im Leben, Cheffe. Keine Ahnung, wie er darauf kommt. Wir haben uns nett unterhalten, nicht wahr, Horst?»
»Tun Sie so, als ob Sie einlenken. Lenken Sie das Gespräch auf Zwangsprostitution. Sagen Sie, Sie wollen mitmischen», weist Kleine an.
»Okay, ich will keinen Streit», bleibe ich cool. »Wie sieht es denn mit dem Nuttengeschäft aus. Ich könnte helfen, Frauen in Osteuropa zu rekrutieren. Die würden für dich arbeiten, ohne einen Cent zu verlangen. Ich bin kommunikativ geschickt, viele Frauen meinen, ich hätte die Redegabe eines Pfarrers. Da könnte die Firma gewaltig profitieren.»
Pierre und Ronni schauen sich ungläubig an, grinsen und lachend schallend.
»Wir verstehen nicht, wovon du sprichst. Was meinst du mit ‚ohne einen Cent zu verlangen’?»
»Machen Sie jetzt Druck», brüllt Kleine.
»Na kommt, ist ja ein offenes Geheimnis, dass ihr hier Mädels ohne Bezahlung die Beine breit machen lasst», hake ich nach.
»Gut so», tönt der Kommissar im Ohr. »Die müssen jetzt die Hosen runterlassen.»
Irgendwas scheint aber mit der Verbindung gründlich schief zu gehen. Der Knopf in meinem Ohr dröhnt und fiept. Rückkopplungen, die haben mir gerade noch gefehlt. Ich zucke zusammen.
»Weißt du, wovon Horst spricht? », fragt Pierre.
Ronny hebt unschuldig die Schultern.
»Keinen Plan. Ich bin ein einfacher Mann. Kenn mich mit Finanzen nicht aus», blickt er mich an. Es fiept wieder.
»Hast du was? », fragt Ronny. »Du wirst uns doch nicht krank?»
»Kein Problem, alles easy», antworte ich und wünsche mich an einen Platz Millionen Kilometer entfernt. Pierre mustert mich misstrauisch. Plötzlich schnell er auf mich zu und reißt mir das Shirt hoch.
»Das Arschloch ist verdrahtet», fällt seine Maske. Ronny mustert mich. Wut strahlt aus seinen Augen. Ich schnelle hoch, doch der Schläger ist schneller. Er reißt mich nach vorne und zerfetzt die Verkabelung. Ich bete, dass die Bullen jetzt zugreifen. Auf einmal reißt sich der Trachtendepp von Russlana los und zieht einen Revolver.
»Polizei. Lassen Sie sofort Herrn Stengel los. Ansonsten schieße ich.»
Pierre hebt die Hände, doch Ronny hält auf einmal auch eine Knarre in der Hand und an meinem Kopf. Ich spüre, wie sich meine Blase erleichtert. Bin doch nicht so hart, wie ich gedacht habe.
»Runter mit der Wumme, sonst blas ich dem Verräter den Schädel zu Matsche», brüllt Ronny.
Der Bulle starrt und hält seine Waffe weiter auf Ronny gerichtet. Ein klassisches Patt.
Doch auf einmal sinkt er zusammen. Russlana hat ihm die Sektflasche über den Kopf gezogen.
»Du sollst Liebe machen mit Russlana. Nicht mit Waffe auf Chef zielen.»
»Seid ihr komplett wahnsinnig», zischt Pierre. »Es gab doch überhaupt kein Problem. Warum müsst ihr ausrasten?»
Ronny nimmt mich in den Schwitzkasten und will mich in Richtung Hinterräume zerren. Ich wehre mich nach Kräften, aber als er mir auf die kaputte Nase haut, bricht meine Gegenwehr zusammen. Unermesslicher Schmerz durchflutet mein Nervensystem. Dann wird die Lokaltür wird aufgerissen.
»Hände hoch und Waffe runter», schreit Kleine. Ronny löst die Sicherung und drückt mir die Waffe ins Ohr. Der Kerl ist wirklich verrückt.
Ein Knall ertönt und Blut spritzt auf mein Gesicht. Ronny lässt mich los, sinkt zusammen. Sein Gesicht ist matschig, sehe ich noch, dann werde ich bewusstlos.
Ich wache in einem Bett mit steifem weißem Leinenbettzeug auf. Ein hinten offenes grünes Hemd umhüllt mich. Ein Blick durchs Zimmer verrät mir: Krankenhaus. Mein Schatz und Kommissar Kleine sitzen auf Besucherstühlen. Antje küsst mich.
»Endlich bist du wieder wach, Süßer. Ich bin vor Angst fast gestorben.»
»Ich auch», gestehe ich und blicke den Kommissar grimmig an. »Die technische Panne hat mir beinahe das Leben gekostet.»
Der Polizist räuspert sich. »Sorry, Herr Stengel. Auch wenn dieser Fehler nicht passieren durfte, ist er geschehen. Ich kann mich nur dafür entschuldigen. Zum Glück ist die Sache relativ glimpflich ausgegangen. Wir haben sofort eingegriffen.»
Ich bin sauer, weiß aber, dass Schuldzuweisungen nichts bringen.
»War denn die Aktion von Erfolg gekrönt? Sitzt Pierre hinter schwedischen Gardinen?»
»Gott sei Dank», seufzt Kleine. »Er hat geleugnet, irgendetwas mit Ronny zu tun zu haben. Und der konnte ja nicht mehr aussagen. Wir haben allerdings im Spezial drei Kilogramm Koks gefunden. Zudem hat eines der Mädchen ausgesagt, sie wäre gegen ihren Willen zur Prostitution gezwungen worden. Lüscherhof hat natürliches alles abgestritten. Ich denke aber, dass es für eine mehrjährige Haftstrafe reichen wird. Gegen Bernd Knoth, der Ihnen die Nase gebrochen hat, liegt ein Haftbefehl vor. Zuhälterei und schwere Körperverletzung. Der Typ hat die Hälfte seines Lebens im Knast zugebracht. Der letzte Abschaum. Jetzt sitzt er für fünf weitere Jahre ein. Ich denke, von diesen Gangstern müssen Sie nichts mehr befürchten, Herr Stengel.»
Das beruhigt mich. Kleine verabschiedet sich. Er wollte nur nach meinem Gesundheitszustand schauen.
»Die Ärzte sagen, es war nur der Schock. Sie können heute wieder nach Hause.»
Super. Hätte keine Lust gehabt, an diesem trostlosen Ort längere Zeit zu verweilen. Fühle mich auch komplett fit. Antje hat mir frische Klamotten mitgebracht, so dass einem Umzug in die heimischen vier Wände nichts mehr im Wege steht.
Kleine zieht von dannen, hinterlässt noch eine Pralinenschachtel von Gubor. Scheinen nicht viel Kohle zu bekommen, die Bullen.
»Sie haben einen guten Job gemacht, Herr Stengel. Bis bald.»
Das hoffe ich nicht. Die Action der letzten Tage reicht mir fürs ganze Leben.
Antje küsst mich, dass mir heiß wird. Wirklich höchste Zeit, nach Hause zu kommen.
»Ich hab dir doch von einer Überraschung erzählt», flüstert sie, während sie meinen Schritt streichelt.
Fragend blicke ich sie an.
Sie zaubert einen Briefumschlag hervor.
»Hier ist ein Flugticket drin. Damit kannst du in vier Monaten über den Teich segeln und deine Liebste besuchen.»
»Super», stammele ich. Habe gedacht, die Überraschung sei, sie würde in Hannover bleiben.
»He, Sweety. Freust du dich gar nicht? Ist doch heiß. Dann machen wir New York unsicher.»
»Doch, klar. Finde ich gigantisch», freue ich mich langsam doch. New York könnte cool sein. Da gibt es bestimmt geile Konzerte und Lesungen.
Als eine halbe Stunde später die Zimmertür hinter Antje ins Schloss fällt, weiß ich: Ein weiterer Neuanfang erwartet mich.
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Montag, November 01, 2010
Zoran Drvenkar: Du
"Sorry" hat mich schon restlos begeistert. "Du" ist mindestens genauso gut.
Erzählt werden die Erlebnisse eines gesichtlosen Killers, einer Mädchen-Clique und einer Gangsterfamilie. Der Vater eines der Mädchen, Taja, stirbt. Dies ist der Auslöser für einen Aneinanderreihung unheilbringender Ereignisse, Lügen, Intrigen, Verrat und Gewalttaten, was in einem grandiosen Finale in Norwegen gipfelt.
Die Erzählstränge werden virtuos miteinander verwoben. Fragt man sich anfangs, wie die Charaktere zusammenhängen, bringt Drvenkar im Fortgang Licht in die Dunkelheit, kehrt dann aber wieder zu ihr zurück.
Überraschende Wendungen und dramatische Höhepunkte setzen den Leser auf eine Achterbahnfahrt der Adrenalinkicks.
Erzählt wird das Ganze, noch stärker als bei "Sorry", in der Du-Perspektive. Dadurch wird der Leser direkt angesprochen und gerät in einen hypnothischen Sog. Das schreckliche Geschehen wird direkt miterlebt. Einfach grandios.
Herrlich finde ich auch die absurden Zwischentöne. So werden einige Kapitel aus der Perspektive einer Leiche geschrieben. Diese lockern diesen tief finsteren Roman humoristisch auf.
Ich bin schwer begeistert und kann diesen fulminanten Thriller nur wärmstens empfehlen.
Bestseller 16: Andi sucht seinen Song
»Pardon? », frage ich.
»Sie suchen das Gespräch mit Lüscherhof. Konfrontieren ihn mit seinen Gesetzesverstößen, Drogen, illegale Prostitution, Erpressung. Natürlich sind Sie verkabelt. Wir schneiden alles mit und nehmen ihn fest. Wie klingt das?»
»Nach einem Haufen Scheiße», werde ich direkt. »Ich soll die Kohlen aus dem Feuer holen und setze mein Leben aufs Spiel. Ist doch Ihr Job. Ich habe aufgemuckt, deshalb hat er mir die Schläger auf den Hals geschickt. Das fällt es ihm doch auf, wenn ich ihn aushorche. Vor allem, weil ich Bea die Wahrheit über ihn gesteckt habe.»
Antje kichert nervös. Ihr gefällt die Sache ebenso wenig wie mir.
Kleine räuspert sich. »Ich sehe das als einzige Chance. Sie kommen an ihn ran, ohne dass er Argwohn schöpft. Sie haben ihren Fehler eingesehen. Sie haben versucht etwas zu ändern. Keiner hat Ihnen geglaubt. Selbst ihre Ex-Freundin nicht. Die ganze Sache hat Ihnen nur Ärger eingebracht. Warum also nicht lieber mitmischen, dann haben Sie wenigstens Geld. Angst und Gier – das wird er verstehen. Wenn wir Aussagen bekommen, in denen er Verbrechen zugibt, schnappt die Falle zu. Wenn irgendeine Gefahr droht, greifen wir ein. Also gibt es keinen Grund, sich Sorgen zu machen. Sie müssen natürlich cool bleiben. Aber damit haben Sie bestimmt kein Problem. Als Lindener Szenetiger», fügt er süffisant hinzu.
Ich überlege hin, überlege her, komme zu keinem Schluss, während mich der Polizist erwartungsvoll anschaut. Schließlich streichelt mich Antje. Sie sagt »Mach es Sweety. Dieses Arschloch muss aus dem Verkehr gezogen werden. Wird schon nichts passieren.»
Meine schmerzende Nase sagt etwas anderes. Doch schließlich sage ich »Gut. Ich ruf Pierre an.»
»Fein. Ich wusste, dass Sie ein Mann der Tat sind, Herr Stengel.»
Hätte ich mir nie geträumt, dass mich ein Bulle lobt. Was soll es. Hat ja nur Antje gehört.
»Versuchen sie für morgen Abend einen Termin in seiner Firma zu vereinbaren», empfiehlt Kleine.
Ich zögere.
»Na los. Wir stehen auf ihrer Seite», ermutigt mich Kleine.
Ich nehme mein Handy und wähle Pierres Büronummer.
»Pierre Lüscherhof», tönt es sanft aus dem Hörer.
»Horst hier.»
Es folgt eine kurze Pause.
»Horst, das ist eine Überraschung. Ich hatte den Eindruck, wir hätten eine kleine Meinungsverschiedenheit. Nicht von meiner Seite, nur von deiner. Und die Geschichten, die du meiner geliebten Bea erzählt hast. Das fand ich nicht nett. Dein Glück, dass sie Dir nicht geglaubt hat. Du solltest auch mal an die arme Bea denken: Sie hat endlich die perfekte Beziehung mit einem erfolgreichen Mann. Bedenke eines, mein Freund: Nicht durch Feindschaft kommt in dieser Welt Feindschaft zur Ruhe. Durch Nichtfeindschaft kommt sie zur Ruhe.»,
Er redet wie ein mit Weihrauch eingenebelter Lokalpolitiker. Am liebsten würde ich ihm durch das Telefon die Fresse polieren. Aber cool bleiben. Schließlich bin ich undercover.
»Ich war undankbar. Du warst großzügig und ich habe es vermasselt. Vielleicht überfordert mich die Situation. War immer politisch korrekt. Da ist es mir zunächst schwer gefallen zu akzeptieren, dass ich nun im Rotlichtbusiness tätig bin.»
Kleine hebt den Daumen. Ich bin gut.
»Aber ich habe nachgedacht. Gegen Berny und Ronny komm ich nicht an. Die können mich zermatschen, wenn du das sagst. Außerdem kann ich mit dir größeren Erfolg haben. Du sicherst mir finanziellen Freiraum für meine künstlerischen Aktivitäten. Außerdem schnuppere ich in andere Bereiche hinein. Kurzum: Ich möchte gerne weiter für dich arbeiten. Habe schon eifrig Gedanken fürs Drehbuch gesammelt. Vielleicht können wir mein Aufgabengebiet erweitern.»
Ich warte auf eine Reaktion.
»Das erstaunt mich», sagt Pierre. Jede Ironie ist aus seiner Stimme gewichen.
»Lass uns persönlich über alles reden. Wie wäre es morgen Vormittag in deiner Firma?»
Nach einer lang gedehnten Pause sagt Pierre »Gut. Ich bin nicht nachtragend. Morgen Abend im Spezial. Vielleicht finde ich auch Verwendung für dich in anderen Bereichen. Wir werden sehen.»
Kleine nickt zufrieden.
»Unser Date steht?», frage ich.
»Klar. Ich stehe zu meinem Wort. Bis morgen.»
Ich lege auf.
»Super, alles geritzt», freut sich Kleine. »Ein Treffen in der Filmfirma wäre natürlich besser. Das wäre wesentlich übersichtlicher. Aber im Spezial kriegen wir das auch hin.»
Mir ist mulmig, aber besser die Initiative ergreifen, als wie das Lamm vor der Schlachtbank auf Pierres Schlägertrupp zu warten.
»Na denn. Wie gehen wir weiter vor?», frage ich betont cool.
Kleine nickt anerkennend. Er berichtet, dass die Bullen auf der Goethestr. eine Wohnung angemietet haben.
»Von dort haben wir einen raschen Zugriff. Sie brauchen sich keine Sorgen zu machen», wiederholt er.
»Ich komme mit», erklärt Antje, streckt herausfordernd das Kinn vor, verschränkt die Arme vor der Brust.
»Ausgeschlossen», entgegnet Kleine bestimmt.
»Jep», erklärt Antje. »Ich lasse doch meinen Süßen nicht alleine zu diesem Teufel. Wenn etwas passiert, könnte ich mir das nie verzeihen.»
Kleine wirkt genervt. »Überlassen Sie das den Profis, Frau Weber. Ich halte es für eine schlechte Idee, wenn Sie Herrn Stengel begleiten. Das ist kein Kindergeburtstag.»
»Entweder gemeinsam oder gar nicht. Ansonsten heize ich die Presse an. Ich kenne genug Leute beim Stadtkind und Schädelspalter», verschärft sich Antjes Ton.
Gleich gehen sie sich an die Gurgel.
»Ich glaube auch nicht, dass du mitkommen solltest», versuche ich zu vermitteln. »Die Kerle sind brandgefährlich. Wenn ich mit Anhang auftauche, werden sie bestimmt misstrauisch. Das ist nicht die Heilsarmee. Wie wäre es, wenn du mit den Herren von der Polizei in der Nachbarwohnung Position beziehst?»
Die Begeisterung der beiden sinkt in den Minusbereich.
»Das würde unsere Arbeit nur erschweren. Am Besten, Sie bleiben zu Hause und lassen uns machen. Wir verstehen was von unserem Job», knurrt Kleine und holt eine Zigarette aus der Schreibtischschublade, die er sich hinters Ohr klemmt.
»Ich bin bei Ihnen. Ansonsten können Sie sich ihren Einsatz sonst wohin klemmen.»
Kleine betastet seine Kippe, als wäre sie der Busen seiner Frau. Schließlich quetscht er ein gequältes »Okay» durch die Zähne.
Wir verabreden uns für neunzehn Uhr am nächsten Tag. Treffpunkt: Die konspirative Wohnung. Trotz des flauen Gefühls im Magen spüre ich eine Art Vorfreude. Pierres selbstgefällige Visage hinter schwedischen Gardinen. Eine verlockende Vorstellung. Ist vielleicht auch eine Rache an Bea. Bei dem Gedanken verschwindet das keimende Hochgefühl abrupt. Bea hat einen Kerl wie Porno-Pierre wirklich nicht verdient.
Wir genehmigen uns im World-Coffee noch zwei Latte Macchiato. Überteuert, aber lecker.
»Es wird sich alles regeln», streichelt mich Antje. »Alles wird gut.»
»Du gehst nach Amerika. Wird wirklich alles gut?», frage ich.
»Mensch, der Studiengang Kunst wird in Hannover geschlossen. Ich habe beim Studium etwas geklüngelt. Einen Abschluss hätte ich schon ganz gerne.»
Ich blicke sie groß an. Das hat sie mir zum ersten Mal erzählt.
»Aber ausgerechnet New York. Gibt es keine nähere Möglichkeit?»
Antje seufzt.
»Es ist mein Traum», sagt sie. »Und Träume sollte man leben. Du bist auch ein Traum. Ich weiß es doch auch nicht», wirkt sie resigniert.
Ich sage nichts und blicke trübsinnig in meinen Milchschaum. Da klingelt mein Telefon.
»Siebke, Arbeitsagentur. Herr Stengel, wie geht’s.»
Ach ja, die Jungs vom Amt gibt es auch noch. Eigentlich könnte ich einen Job gut gebrauchen. Denn mit Pierre werde ich definitiv nicht mehr zusammenarbeiten.
»Wenn Sie wüssten, Herr Siebke», seufze ich. »Mit der Veröffentlichung hat es sich vorerst erledigt. Haben Sie einen Moment Zeit?»
Hat er. Ich berichte von der Verlagspleite. Die Pierre-Geschichte lasse ich aus. Klar. Muss er nicht wissen, dass ich Schwarzgeld kassiert habe.
»Sie haben wirklich Pech», tröstet Siebke. »Ich habe aber ein Angebot, dass vielleicht Ihre Stimmung aufhellen wird.»
»Schießen Sie los», ist mein Interesse geweckt.
»Wir haben eine Anfrage von einem Verlag für eine Aushilfskraft. Ist zwar nur auf Vierhundert-Euro-Basis, aber immerhin. Da dachte ich gleich an Sie. Vielleicht können Sie da wertvolle Kontakte knüpfen. Heißt Dark-Underground-Publishing und liegt in der Minister-Stüve-Straße. Ansprechpartner ist Herr Mike Marré.»
Er gibt mir noch eine Rufnummer.
»Klasse, den ruf ich nachher an», freue ich mich.
»Sie sind echt ein klasse Typ, Herr Siebke», lasse ich meinen Gefühlen freien Lauf.
»Ich weiß», lacht Siebke. »Machen Sie was draus. Ich denke, das ist ein guter Job. Lassen Sie von sich hören.»
»Habe ich es nicht gesagt, Sweety. Alles wird gut», strahlt Antje.
»Schauen wir mal», gebe ich mich zurückhaltend.
Ich rufe Marré an.
»Klar, Mann. Freue mich, dass du kommst. Bin in der Firma. Ich erwarte dich morgen im Laufe des Tages, okay?», ist das Date festgezurrt. Läuft wie geschmiert.
Wir gehen zu mir. Knutschen fällt schwer. Meine Nase schmerzt bei jeder Berührung. Sehr zu unserem Bedauern. Doch als sie zärtlich mein Hemd auszieht, überströmt Wohlgefühl meinen lädierten Körper. Mein Schwanz richtet sich kerzengerade auf. Ich ziehe ihr Oberteil aus, ihren BH, lecke Antjes Arme, ihren Rücken, wechsele die Seite und widme mich ihren Brüsten. Immer vorsichtig mit der Nase. Gar nicht so leicht. Sie stöhnt. Ihre Augen weiten sich. Jetzt schleckt sie, langsam über meine Brust, den Bauch, Bauchnabel, Unterkörper durch den Busch bis hin zum Penis. Sie knabbert, bis ich vor Lust aufschreie. Dann nimmt sie ihn in den Mund. Ihre Zunge massiert die Schwellkörper in Hochform. Ich versuche an etwas völlig abturnendes zu denken, um den Orgasmus hinauszuzögern. Mir kommt –ich weiß nicht warum- Franz Müntefering in den Sinn. Sofort köchelt meine Lust nicht mehr auf Vollgas, sondern nur auf sechzig Prozent, was immer noch ein erstaunlicher Wert ist. Ich ziehe meinen kleinen Freund aus Antjes Saugmund, drehe sie um und nehme sie von hinten. Erst wild, dann werden meine Bewegungen langsam und hart zugleich. Antje schreit kurz auf, dann erhöhe ich mein Tempo bis wir wild miteinander verschmelzen.
Glücklich liegen wir aufeinander und kommen langsam wieder zu Atem. Das war der beste Sex meines Lebens, denke ich.
»Sweety, wir sich physisch und psychisch eine Fleisch gewordene Kommunion», seufzt sie.
»Fantastisch», bestätige ich. Wir entspannen und genießen. Ich lege Schmusemucke in den CD-Schacht. Chris Isaak flüstert zu Surfgitarre You owe me some kind of love.
Wir halten uns fest, streicheln und streichen über den Körper des anderen, schwelgen im Endorphinrausch. Bis wir einschlafen, friedlich träumend, ohne Sorgen.
Am nächsten Morgen klingelt es in aller Herrgottsfrühe.
»Verdammt. Ist doch mitten in der Nacht. Scheiße», flucht Antje und auch mir gehen ähnlich freundliche Worte durch den Kopf. Pierres Schläger werden es nicht sein, schließlich sind wir heute Abend verabredet. Oder?
Gott sei Dank schlendert Andi durch die Tür. In der Hand eine Sporttasche von Puma.
»Alles easy, Hotte?», fragt er lässig.
Antje zieht sich an, läuft auf ihn zu und umarmt ihn strahlend.
»Mit dir haben wir jetzt nicht gerechnet. Alles klar in Burma?»
Andi fläzt sich aufs Sofa und steckt sich eine Zigarette an.
»Habe mich selbst entlassen. Die wollten mich noch zwei Tage einsperren, aber nicht mit mir.»
Antje und ich schauen uns mit großen Augen an.
»Und was ist mit Therapie? Dir ist doch klar, dass es nicht so weitergeht wie bisher», sage ich. Mir ist unangenehm, dass ich wie ein Sozialpädagoge klinge, aber Andi wirkt, als hätte es den Zusammenbruch nie gegeben.
Andi wird jedoch wider Erwarten ernst.
»Hab mich über ambulante Therapien informiert. Hab zwar kein Bock, zu einem Psychoheini zu rennen, aber Kathrin hat mir ins Gewissen geredet. Ruf morgen ein paar Leute an. Allein schaff ich das nicht.»
»Find ich gut», sagt Antje und gibt ihm eine Cola. »Bist zu jung, um dein Leben hinzuschmeißen. Echt, Alter. Das fände ich traurig.»
»Keine Ahnung», bläst Andi einen Rauchkringel. »Sehe irgendwo keine Perspektive. Die Kunst hat mir früher Freude gemacht, heute habe ich Angst vor ihr. Mein Leben hat keine Richtung, dreht sich im Kreis. Das einzige Gute momentan ist Kathrin. So eine Perle hatte ich noch nie. Die checkt echt, was abgeht. Aber vielleicht fehlt mir auch nur ein Song.»
»Ein Song? », frage ich.
Andi nickt.
»Es gibt doch einschneidende Erlebnisse in deinem Leben. Was war deine erste Platte und was hat sie dir bedeutet?»
Ich überlege.
»Skandal im Sperrbezirk von Spider Murphy Gang. Der Song hatte einen wavingen Sound, fand ich damals cool. Muss elf gewesen sein, um den Dreh. Bin voller Stolz mit der Scheibe nach Hause gekommen und Vater hat sie aufgelegt. Ich dachte, das gefällt ihm. Aber sein Gesicht wurde immer länger. Erinnerst du dich ‚Und draußen vor der großen Stadt steh’n die Nutten sich die Füße platt.’ Hat mich gefragt, ob ich weiß, was Nutten sind.»
Antje und Andi blicken neugierig. »Und, wusstest du es? », fragt Antje.
»Klar», grinse ich. »Ich hatte meine Schulkameraden Dietmar Braun gefragt. Hübsche Bienen. Wobei mir nicht klar war, was an Bienen schön sein kann. Mein Vater ist ausgerastet. Dieses Lied würde sich an das Primitivste im Menschen richten. Hat noch ein paar Psalmen aufgesagt. Dann hat er die Scheibe konfisziert und in den Tresor gesperrt. Da wurde mir klar, dass Mucke ungeheure Sprengkraft hat. Selbst Spider Murphy Gang. Als ich älter war, hab ich Hüsker Dü und Black Flag in Disko-Laustärke abgespielt. Habe immer gehofft, dass der Geist des Punks meinen Vater kontaminiert. Vergeblich.»
Andi nickt.
»Und bei dir», fragt er meinen Schatz.
»Ich habe früher nur Chartzeug gehört, weiß gar nicht mehr, was Anfang der Neunziger in war. Da hatte der Bruder meiner Freundin Miri eine CD von den Toten Hosen im Zimmer liegen lassen. Bommerlunder und Opelgang waren megacoole Songs. Wir haben uns alles besorgt, was wir an Material über die Hosen in die Finger kriegen konnten. Dann haben wir uns an einem Nachmittag eingeschlossen und uns wie Campino gestylt. Wir fanden uns hammer abgefahren. Leider konnten weder meine Eltern noch meine alten Freunde meine Wandlung nachvollziehen. Die fragten, ob ich einen an der Klatsche hätte. Da bin ich auf den Trichter gekommen, dass ich mein eigenes Ding machen muss. Meine Bilder wurden wütender, in meinen Texten traute ich mich mehr. Und ich wollte nur noch weg aus der Provinz. So war das damals. Und bei dir, Muchacho?», gibt sie die Frage an Andi zurück.
»Nirvana. Ich habe Curt Cobain auf MTV gesehen. Die haben von Knack My Sharona performt. Das hat mein Leben komplett geändert. Zorn, Aggression auf die Gesellschaft und das Leben an für sich. Ich habe ja immer von zu Hause Zucker in den Arsch geblasen bekommen. Kohle war nie ein Thema. Dafür ließen sich die Alten selten blicken. Ein Instrument konnte ich kaum zwischen den Händen halten. Da habe ich mich auf die Malerei gestürzt, Ausdrucksmalerei. Da konnte ich meinen Gefühlen freien Lauf lassen. Und hey, da gab es Leute, die meine Bilder gut fanden. Habe in Cafés und Bars ausgestellt und eine ganze Menge verkauft. Für einen unbekannten Autodidakten nicht schlecht. Meine Mappe an der Uni wurde problemlos angenommen. Habe mich echt weiterentwickelt. Doch hr habt ja selbst miterlebt, wo ich heute ausstelle. Mit Pech bei Nazispacken in der Provinz. Für mich ist Kunst eine Sackgasse. Keine Breitenwirkung. Wenn so ein abgehalfterter Müsli meine Werke geil findet, lässt mich das kalt. Vielleicht ist mein Weg ein anderer», wird er philosophisch.
»Was ist mit deinem Traum, in Indien auszustellen?», frage ich.
»Bringt doch auch nichts», wehrt Andi ab. »Und dann?»
»Und was willst du stattdessen machen? Eine Ausbildung beim Klempner um die Ecke? Würde dich das mehr befriedigen?»
Andi überlegt und zündet sich eine neue Zigarette an der alten an, bevor er diese ausdrückt.
»Na, darüber habe ich mir noch keine großen Gedanken gemacht. Aber vielleicht ist die Idee gar nicht so schlecht. Da siehst du, was du gemacht hast und kriegst Anerkennung. Ist doch eine super Sache, wenn die Scheiße nicht mehr aus dem Abfluss fließt, oder?»
Unsere Begeisterung hält sich in Grenzen.
»Aber ich brauche Inspiration», springt er auf und läuft nervös durch die Wohnung. »Ich brauche einen Song, der mir eine neue Richtung weist. So etwas wie damals Nirvana. Einen Song, der mir neue Energie gibt, Horizonte öffnet. Vielleicht hilft mir die Therapie. Kathrin unterstützt mich. Sie ist geerdeter als ich, das ist gut.»
Seine Worte geben keinen Sinn. Für mich. Antje scheint eine Bedeutung zu spüren und umarmt ihn.
»Wir wünschen dir alles erdenkliche Glück dabei, Amigo. Du wirst deinen Weg finden.»
Andi verabschiedet sich, will ein wenig chillen und Therapieangebote im Internet checken. Ich klopf ihm auf die Schulter.
»Bin immer für dich da, companero», sage ich. »Wir schaffen das zusammen.»
Dankbar lächelt Andi, lässt die coole Fassade fallen.
»Danke, Horst. Es ist toll, dass ich Freunde wie euch habe, dass ihr mein ganzes Selbstfindungsgequatsche ertragt. Ich liebe euch.»
Auch wenn ich seine Rede übertrieben finde, kommen mir fast die Tränen. Wir drücken uns noch mal, dann verschwindet Andi und lässt uns emotional aufgewühlt zurück.
Wir stürzen einen Kaffee hinunter. Dann geht Antje nach Hause, will etwas für den USA-Umzug organisieren. Wirkt melancholisch. Ich fühle mich richtig traurig, nicht nur ein bisschen, lasse mir aber nichts anmerken. Alles scheint im rasanten Umbruch. Vielleicht ist das schlecht, vielleicht gut, das wird die Zukunft zeigen. Aber die kümmert mich momentan wenig. Momentan denke ich nur von Stunde zu Stunde. Momentan steht mein Vorstellungsgespräch an, fällt mir ein.
Montag, Oktober 18, 2010
Bestseller 15: Begegnung mit Jesus' Jünger
Bevor ich nach Hause gehe, hole ich Frustbewältiger vom Kiosk: Eine Kiste Herrenhäuser. Ich glaube kaum, dass irgendjemand auf diesem Planeten größeren Anlass hat, sich quälenden Depressionen hinzugeben. Es scheint nichts zu laufen. Laufen lasse ich Becks Loser, den perfekten Soundtrack zu meinem Leben. Erstens: Meine Liebste ist enttäuscht von mir und siedelt nach Amiland über. Zwischen beiden Sachverhalten besteht zwar kein direkter Zusammenhang, aber das ist mir momentan egal. Ich köpfe die erste Flasche.
Zweitens: Ich habe zwar einen großzügigen Vorschuss von meinem Arbeitgeber erhalten, doch das miese Schwein erpresst mich. Dafür gibt es allerdings keinen Anlass mehr, da ich gebeichtet habe. Meine Lust, für Pierre zu arbeiten, bewegt sich im Minusbereich. Aber er wird kaum einen Aufhebungsvertrag mit mir unterschreiben. Ich beschließe, das Problem auszusitzen. Einfach keine Reaktion zeigen. Der wird Besseres zu tun zu haben, als mir hinterherzulaufen. Ich köpfe die zweite Flasche. Drittens: Mein bester Freund liegt auf der Intensivstation im Krankenhaus. Wenn er nicht schleunigst clean wird, dürfte er eine geringe Lebenserwartung haben. Ich weiß nicht, wie ich ihm wieder auf die Beine helfen soll. Bin ja kein Therapeut. Ich köpfe die dritte Flasche. Viertens: Meine Verlegerin verarscht mich. Nach abgesprochenen dreitausend Euro soll ich ihr weiteres Geld zukommen lassen. Ein Fass ohne Boden, wie es scheint. Ich köpfe leicht angeduselt die vierte Flasche. Es ist sechzehn Uhr dreißig. Da dürfte im Verlag noch gearbeitet werden. Ich greife zum Hörer.
»Bitte», meldet sich eine Bassstimme. Seltsam, wir haben bei unserem Besuch keinen Mann im Verlag gesehen.
»Horst Stengel hier», artikuliere ich etwas undeutlich. »Ich will Frau Ahmert sprechen. Wegen meines Buches. Es kann nicht sein, dass ich noch mehr zahlen soll als die vereinbarten dreitausend Euro», stottere ich wütend herum.
Am anderen Ende wird zunächst geschwiegen, dann sagt er in breitem Badener Akzent »Mein Name ist Zimmer von der Kriminalpolizei Offenburg. Wir ermitteln gegen den Ahmert-Verlag wegen Insolvenzverschleppung und Eingehungsbetrug. Zurzeit führen wir eine Durchsuchung der Räumlichkeiten durch.»
Ich bin geplättet.
»Was heißt das?», frage ich.
»Wie ich Ihren Ausführungen entnehmen kann, sind sie Autor des Verlages?»
»Ja, aber Frau Ahmert wollte neben dem bereits gezahlten Betrag weitere Gelder von mir. Für ihren in Südamerika verschleppten Bruder. Sonst würde es mit der Veröffentlichung dauern.»
Herr Zimmer räuspert sich.
»Eigentlich darf ich zu laufenden Verfahren nichts sagen. Aber wir gehen davon aus, dass Frau Ahmert Verträge abgeschlossen hat und wusste, dass sie die Bücher nicht herstellen kann. Der Verlag scheint seit längerem vollkommen überschuldet zu sein. Der einzige Posten von Wert, die Druckerei, wurde vor drei Monaten zu einem verdächtig niedrigen Preis an einen Investor aus Großbritannien verkauft. Alles sehr undurchsichtig. Frau Ahmert wird aber nach jetzigem Ermittlungsstand nicht in der Lage sein, noch irgendein Buch herauszubringen. Tut mir Leid, dass ich Sie enttäuschen muss. Wenn ihr Name in den Unterlagen steht, werden Sie einen Anhörungsbogen der Staatsanwaltschaft erhalten. Nochmals: Für die Autoren tut es mir Leid. Trotzdem einen schönen Abend.»
Er legt auf. Ich köpfe die fünfte Flasche, oder ist es bereits die sechste? Zählen habe ich längst aufgegeben. Es steht schlimmer, als ich angenommen habe. Geld weg, keine Chance auf Veröffentlichung. Der Traum vom Bestseller geplatzt wie eine Seifenblase, die auf Stacheldraht landet. Ich fühle mich, als ob ich in verschiedene Richtungen loslaufe, aber immer nur in derselben Sackgasse lande. No exit. Ich brauch jemanden, mit dem ich sprechen kann, der mir neue Wege aufweist. Antje. Nein, die kann ich nicht anrufen. Sie ist ja Teil meiner Krise. Wäre unsere Beziehung noch intakt, würde es mir bestimmt besser gehen. Fünfzig Prozent besser, schätze ich vorsichtig. Oder sogar sechzig? Vielleicht sollte ich mich versöhnen, flüstert der Alkohol. Ich greife zum Hörer. Will mein Herz ausschütten. Doch dann flüstert der männliche Stolz: Mach dein Glück nicht so stark von einer Frau abhängig. Da kommt mir eine Idee.
Ich schmeiße den Rechner an und surfe auf Google. Nachdem ich die Wörter „persönliche“, „Krisen“ und „Forum“ eingetickert habe, werde ich fündig. Das Katastrophen-Forum bildet eine Community von Leuten wie mir, die auf der Schattenseite des Lebens krauchen. Die Rubriken Beziehungskrisen, finanzielle Pleiten, ungerechte Behandlungen, Behördenwillkür, Mobbing und viele andere zeigen mir, dass ich mich mit Gleichgesinnten austauschen kann. Die Kollegen haben Ähnliches erlebt.
Ich registriere mich und notiere unter der Rubrik Lebenskrisen meine gesammelten Desaster. Kurze Zeit später aktualisiere ich die Seite. Super, es hat jemand geantwortet. Der User Krisenmanager, ebenfalls aus Hannover, schreibt mir, dass seine Biographie noch finsterer als meine ist. Haus ist abgebrannt, seine Frau ist weg, er hat Krebs bekommen, ist aber inzwischen geheilt, hat seinen Job verloren und hundertfünfzigtausend Euro Schulden. Ich komme aus dem Staunen nicht heraus. Da geht es mir ja richtig gut. Ich schreibe, dass mich sein Schicksal berührt. „Kein Mitleid“, antwortet er. Er sei auf einem guten Weg. Ein Mensch müsse aus Krisen gestärkt hervorgehen. Ich bewundere ihn. Kein Jammern, kein Hadern mit den Ungerechtigkeiten des Lebens. Dieser Mann steht wie ein Fels in der Brandung. Ich frage ihn, woher er seinen Optimismus nimmt.
Sport lautet die überraschende Antwort. Er habe für einen Marathonlauf trainiert und diesen ein halbes Jahr später erfolgreich absolviert. Dann hätte sich alles andere auch ergeben. Kann ich mir schwer vorstellen. Einfach durch die Gegend laufen und der Buchvertrag kommt von selber, die Frau kehrt zurück und Porno-Pierre streicht mich aus seinem Gedächtnis? Da sei ja nur ein Beispiel. Er habe noch ganz andere Methoden zur Krisenbewältigung in seinem Zauberkoffer. Klingt ein wenig nach Tony Robbins und ähnlichem Motivationsscheiß, zu dem mich Bea überreden wollte. Schreibe ich ihm auch. Nein, keine Angst. Er sei nur ein Self-Made-Crises-Fighter. Wir würden nah beieinander wohnen. Er komme gerne morgen bei mir vorbei. Da könnten wir ein wenig plaudern. Wahrscheinlich würde ich dann meine Situation differenzierter sehen. Was heißt differenzierter? Aber ich bin beim mindestens zehnten Bier, da sind solche Fragen nebensächlich. Ich schicke ihm per Mail meine Adresse. Es schadet sicher nicht, mit einem ehemaligen Leidensgenossen über die Ungerechtigkeit der Welt und der Frauen zu quatschen. Er verspricht im Laufe des Vormittags aufzutauchen. Wir verabschieden uns. Ich lege Coldplay in den CD-Schacht und versinke bei weiteren Herrenhäusern in bittersüßer Melancholie, bis ich auf meiner Couch einschlafe.
Am nächsten Morgen erwache ich, weil in meinem Kopf eine Abrissbirne gegen die Synapsen zu bollern scheint. Jede Sekunde ein neuer Schmerz. Zumindest kurzfristig treten meine sonstigen diversen Probleme in den Hintergrund. Zudem bemerke ich durch den grauen Schleier des Katers hindurch, dass es an der Tür klingelt. Sturm, als stünde eine Katastrophe bevor und ich sollte vor den nahenden Fluten evakuiert werden. Ich stelle fest, dass ich mich gestern nicht ausgekleidet habe. Ich fühle mich zwar matschig und müffele auch leicht, aber das wird bestimmt dieser Forumsheini sein, erinnere ich mich mühsam. Während ich hin- und herüberlege, ob ich zuerst Kaffee aufsetzen oder die Tür öffnen soll, schellt es weiterhin, als wäre jemand mit dem Finger auf der Schelle kleben geblieben. So eilig ist meine Rettung auch nicht, denke ich und widme mich zunächst dem Kaffee. Jeder kleine Schritt dieser alltäglichen Verrichtung fällt mir schwer. Als braune Suppe in die Glaskanne tropft, merke ich, dass ich den Filter vergessen habe. Scheint nicht mein Tag zu werden. Da sich an der Klingelkulisse nichts geändert hat, beschließe ich die Kaffeeproblematik später anzugehen.
Als ich die Tür öffne, erwartet mich eine Überraschung. Eine unangenehme, was sonst. Ronny und ein noch unsympathischer aussehender Typ mit Glatze und einem Zöpfchen drängen mich in die Wohnung. Dieser trägt einen pinken Anzug, darunter ein weißes fast bis zum Bauchnabel geöffnetes Hemd.
»Morgen Schisser, gestern wieder zu tief ins Glas geschaut, was? », tätschelt mir Ronny das Kinn, was einem mittleren Erdbeben gleicht. Ich falle gegen die Wand.
»Vorsicht, Vorsicht, Kollege, deine Wohnung hat viele Stolperfallen», grinst Ronny. »Hab ich dir schon Bernie vorstellt? Ein Kumpel, der aus Thailand zum Europaurlaub gejettet ist. Hilft Pierre beim Aufbau einer Auslandsniederlassung. Läuft gut. Kaum Kosten, viel Ertrag. Außerdem hatte Bernie Probleme mit den Bullen hier in Deutschland. Die wollten ihn echt verknacken. Dabei ist Körperverletzung heute doch ein Kavaliersdelikt.»
Er lässt sich auf meine Couch fallen. Bernie bleibt stehen, knackt mit den Handgelenken und grinst hohl.
»Bin ein toller Kavalier. Weiß die Polente gar nicht zu schätzen», textet er mich zu und steckt sich eine Zigarette an. Ronny steht auf, holt meine Hannover-Tasse aus dem Schrank und kippt sich Kaffee ein, als sei er hier zu Hause. Er nimmt ein Schluck und spuckt sofort auf den Boden.
»Bah, willst du mich vergiften, Alter? Wenn du Zeug in den Abguss kippst, bekommst du Probleme mit den Umweltfuzzis. Ist ja kriminell.»
Ronny und Bernie lachen dreckig im Chor, dass ich Angst bekomme, dass der Putz von der Decke bröckelt.
»Was wollt ihr? », frage ich. »Ihr könnt mich nicht erpressen. Meine Freundin kennt die Geschichte vom Spezial. Ist alles in Ordnung. Ihr könnt Pierre sagen, für einen Gangster arbeite ich nicht. Die Kohle kriegt er innerhalb des nächsten Jahres zurück.»
Meine beiden Besucher blicken sich an, verziehen die Gesichter und brechen wieder in schallendes Gelächter aus. Können sich gar nicht mehr beruhigen. Bernie ascht aufs Linoleum. Wie krieg ich das Gespann nur wieder aus der Wohnung?
»Hör zu, mein Freund», wird Ronny mit einem Schlag ernst. »Wer mit Pierre Geschäfte macht, steigt nicht einfach aus. Capice? Der Vertrag ist sozusagen auf Lebenszeit geschlossen. Der Boss vertraut dir, und du schwörst bedingungslose Treue. Treue bis in den Tod.»
Dieses Ganovengesabber geht mir gehörig auf den Zeiger. Wen will er mit diesen Sprüchen beeindrucken? Aber seine aggressive Aura lähmt meine Zunge.
»Pierre hat mich gestern zu sich gerufen. Ronny sagte er, der Horst macht mir Sorgen. Ich glaube, der hat die Prinzipien unserer Geschäftsbeziehung nicht richtig verstanden. Das waren Pierres Worte. Ich bin ein einfacher Mann der Tat. Ich könnte mich nie so gewählt ausdrücken.
Aber dann habe ich überlegt und mir gedacht: Der Boss hat wie immer Recht. Da habe ich gesagt: Mein lieber Pierre, es kann sich nur um ein kleines Missverständnis handeln. Nichts, was man nicht aus der Welt schaffen könnte. Ich werde mit Horst reden. Horst versteht und ist wieder auf unsere Unternehmensziele eingenordet. Und zur Unterstützung nehme ich Bernie mit. Der hat Erfahrung mit Motivation. Was denkst du darüber, Schisser?»
In Gedanken spreche ich ein Stoßgebet. „Lieber Gott, ich habe mich lange nicht bei dir gemeldet. Wenn es dich geben sollte, lass Ronny und Bernie schnellstmöglich von hier verschwinden, ohne dass mein Mobiliar oder meine Gesundheit Schaden nehmen.“
Nichts passiert, hätte mich auch gewundert.
»Ich höre nichts, Arschloch. Hast du mich nicht verstanden?», hievt Ronny seine hundertzwanzig Kilo Muskeln von der Couch. Ich weiche unwillkürlich zurück. Da schellt es.
»Wer ist das?», fragt Bernie panisch und holt einen Revolver aus dem Jackett. Oh Gott, die Kerle sind bewaffnet.
»Bestimmt nur die Post. Halt den Ball flach, Bernie. Wir leben in einem Rechtsstaat. Da kommen einem keine bewaffneten Psychos auf die Bude», gackert Ronny. Bernie kichert, wirkt aber noch immer nervös.
Doch das Klingeln dauert an.
Ronny runzelt die Stirn.
»Erwartest du Besuch, Freak?»
Ich überlege. Das könnte der Typ aus dem Forum sein.
»Ein Bekannter wollte heute Morgen vorbeikommen. Den kann ich auch nicht abwimmeln. Da wittert der Verdacht.»
Es klingelt unermüdlich weiter. Scheint sich zur Mode zu entwickeln. Ronny überlegt angestrengt. Es sieht aus, als ob seine gesamten drei Gehirnzellen auf Hochtouren laufen.
»Steck die Knarre weg», faucht er Bernie an. »Muss denken.»
Bernie streichelt über die Waffe, bevor er sie wieder in den Tiefen seines Sakkos verschwinden lässt.
»Mach auf. Sag ihm, wir sind Freunde. Du hast nicht viel Zeit. Und dann beförderst du ihn wieder an die frische Luft. Capice?»
Ich nicke und öffne. Vor mir steht ein wandelnder Meter mit braunen Locken in einem billigen C&A-Anzug. Die Krawatte hängt schiefer als der Turm von Pisa. Er strahlt über alle vier Backen. Dabei sind seine Zähne nikotinvergilbt. In der Hand hält er eine schwarze Laptoptasche.
»Krisenberater zur Stelle. Darf ich reinkommen? », wartet er meine Antwort nicht ab und stiefelt ins Innere meiner Wohnung. »Oh, du hast Freunde zu Besuch. Entzückend. Aber das macht nichts. Meine Botschaft hilft allen zu einem besseren Leben.»
Ich schließe die Tür, während es sich Krisenberater neben Ronny bequem macht. Der fühlt sich sichtlich unwohl. Er ruckelt nervös auf der Couch hin- und her, als würde sein Hintern jucken.
»Mein Name im Real Life ist übrigens Carsten Roschke. Und Horst, noch immer depri drauf?», quatscht er in einer Tour, als liefen seine Stimmbänder auf Autopilot.
»Horst, die Vergangenheit war gestern, aber heute fängt deine Zukunft an.»
Ronny gibt in Kniehöhe Handzeichen. Anscheinend soll ich Roschke so schnell wie möglich vor die Tür befördern. Bernie scheint allerdings angetan. Sein Gesicht zeigt etwas Ähnliches wie ein Lächeln.
»Carsten, es passt momentan schlecht», versuche ich mein Glück. »Wir sind in einer geschäftlichen Besprech…»
Roschke winkt ab. »Papperlapapp. Was ich euch zu erzählen habe, wird eure Perspektiven so grandios erweitern, dass ihr euch fragen werdet, was ihr ohne mich im Leben getan habt. Wie ich Horst bereits geschrieben habe, stand es um mich nicht zum Besten.»
Er berichtet Ronny und Bernie von den unzähligen Katastrophen seines Lebens. Bernie strahlt immer mehr, Ronny wird zeitgleich nervöser.
»Gibt es nicht», weiten sich Bernies Augen. »Du hast ja die Scheiße an den Hacken.»
»Und ich habe meine Lektion gelernt, lieber Freund», nickt Carsten. »Denn dann kam ein Erlebnis, das mein Leben zum Guten bekehrte: Ich traf nicht Jesus; nein viel besser: Guido Klatt vom GWD.»
Bernie hängt an seinen Lippen. Ich warte auch gespannt. Nur Ronny platzt langsam der Kragen.
»Komm zum Punkt, Kollege. Wir haben nicht bis morgen Zeit», steht seine Aggressivität kurz vor ungezügelter Eruption.
»Halt den Ball flach, Ronny», tadelt Bernie. »Mich interessiert, was der Kollege zu sagen hat. Bitte lass dir Zeit, Carsten.»
»In einer Stunde haben wir einen Termin in Braunschweig. Uns rennt die Zeit davon.»
Ich habe keinen Zweifel, dass Ronny keine Skrupel hat, mich und Roschke als Bonus zu vermöbeln. Zu meinem Glück scheint Bernie wirklich auf den Knaller zu stehen.
»Dann fahr alleine», wird er abgebügelt. »Ich regele das hier schon.»
Wütend erhebt sich Ronny. Die ganze Show umsonst.
»Wir sprechen uns noch. Ich komme wieder», zischt er mir im Herausgehen zu.
»Wirklich schade, lieber Freund, dass du uns schon verlassen willst», säuselt Roschke. »Denn das Beste kommt erst jetzt. Ein Modell, wie du im Jahr mehrere hundert bis tausend Talerchen sparen kannst. Aber deine Kontoauszüge hast du wahrscheinlich nicht dabei?»
Ronny knallt die Tür hinter sich zu.
Carsten hebt bedauernd die Schultern. »Wer nicht will, der hat schon. Ich werde euch jetzt ein fantastisches Konzept verraten, was euer Leben auf eine neue Stufe des Wohlstandes hieven wird. Versprochen.»
Er quatscht von Lebensversicherung, Vermögensumschichtungen, Fondssparplänen und Steuerersparnissen. Mir wird schlecht, aber in Bernie hat er ein bereitwilliges Opfer gefunden.
Leider hat Bernie keine Kontoauszüge dabei, hebt sein Geld sowieso lieber bar auf. Aber über Investments hat er auch schon oft nachgedacht. Vielleicht sollten sie sich mal zum Bierchen in der Kneipe treffen? Dann hat er alles dabei. Roschke strahlt.
»Mein lieber Horst, wie sieht es denn bei dir aus? Wenn du kein passives Einkommen erwirtschaften willst, habe ich ein fantastisches Jobangebot für dich. Werde Juniorberater unter meinen Fittichen», baggert er. »Dann kommt das Glück wie von alleine in dein Leben zurück. Die Verdienstaussichten bei minimalem Arbeitseinsatz sind fantastisch.»
Dankend lehne ich ab.
»Ich dachte, du würdest mir bei meinen konkreten Problemen weiterhelfen. Und nicht irgendwelchen Finanzkram aufschwatzen.»
Roschke verzieht enttäuscht das Gesicht. »Jetzt bist du undankbar. Der GWD hat alle meine Probleme beseitigt. Ich glaube, nein weiß heute: Es gibt überhaupt keine Probleme, nur Herausforderungen.»
»Sorry, da habe ich kein Interesse dran. Ich muss jetzt einige wichtige Telefonate führen. Wenn ihr euer Gespräch woandershin verlegen könntet, wäre ich dankbar.»
Beide brummeln. Da scheint eine wirklich feste Männerfreundschaft entstanden zu sein. Mir soll es Recht sein. Zumindest sind meine Knochen heile geblieben. Sie beschließen in dem Dönerladen zwanzig Meter weiter zu quatschen. Roschke verabschiedet sich.
»Horst, das wird alles wieder», er drückt mir seine Visitenkarte in die Hand. »Wenn du noch Fragen hast, ich habe jederzeit ein offenes Ohr für dich. Und wegen der Freundin: Beim GWD arbeiten jede Menge heißer Häschen. Siehst ja nicht übel aus, da staubst du bestimmt was ab», kneift er ein Auge zu.
Ein Kotzbrocken erster Güte. Aber im Internet merkst du oft spät, welcher Idiot sich hinter dem wohlklingenden Nick verbirgt.
»Man sieht sich», lüge ich. Als er aus der Tür ist, sagt Bernie »Ich muss noch eine Minute mit Horst alleine unter vier Augen sprechen.»
Er schließt die Tür und rammt mir ansatzlos seinen Ellenbogen in den Magen. Ich sinke zusammen, doch er reißt mich an den Haaren hoch und rammt mir seinen Arm vor die Nase. Ein unermesslicher Schmerz lässt mich zusammenzucken. Blut strömt über mein Gesicht. Ich übergebe mich. Bernie springt zur Seite.
»Hör zu, Wichser. Ein schlechtes Wort über Pierre zu irgendjemanden, und du kommst nicht so glimpflich davon. Dann ist der Schongang beendet. Fick nie einen Ficker. Hast du mich verstanden, Pisser?»
Ich nicke, sehe aber nichts, da er mir auch an der Wange eine Platzwunde verpasst haben muss. Zufrieden nickt Bernie.
»Wenn ich noch mal wiederkommen muss, hast du hoffentlich dein Testament gemacht. Dann bin ich nicht so launig aufgelegt. Bedank dich bei Carsten.»
Er schlägt mich noch mal halbherzig in den Magen und verschwindet. Eine weitere Fontäne Magensäure schießt aus meinem Mund. Ich schleppe mich zur Couch und sinke ins Polster. Dabei blute ich alles voll, aber das stört mich momentan am Wenigsten. Es klingelt wieder.
Verdammt, ist heute Tag der offenen Tür. Bernie und Ronny können es nicht wieder sein, überlege ich. Dann ist es auch nicht riskant, die Tür zu öffnen. Schlimmer kann es nicht mehr kommen.
»Sweety, wie siehst du denn aus», erschreckt sich Antje. »Was ist denn passiert?»
»Mitarbeitergespräch mit den Chargen von Porno-Pierre», stöhne ich. Antje holt einen Waschlappen und wischt mir das Blut aus dem Gesicht. Schmerzt noch immer unglaublich.
»Ich glaube, deine Nase ist gebrochen. Du musst zum Arzt.»
»Gleich», stöhne ich. »Ich fühle mich zu schlecht, um weite Fahrten zu unternehmen.»
»Jetzt erzähl schon, wer hat dich so zugerichtet?»
Stöhnend berichte ich von meinem unerfreulichen Besuch. Antje kommt aus dem Staunen nicht heraus.
»Ich will nicht die Klugschwätzerin spielen. Eigentlich bist du selber Schuld. Wie kannst du dich mit solchen Gesocks einlassen? Jetzt brauchen wir eine Lösung. Du musst diesen Pierre anzeigen.»
»Der lässt mich umbringen», verkneife ich mir einen Aufschrei, als Antje unabsichtlich meine Nase berührt.
»Fassen wir zusammen. Der Kerl erpresst dich, in seinem Lokal werden harte Drogen konsumiert, es ist fraglich, ob die Frauen alle freiwillig für ihn arbeiten. Das dürfte doch reichen.»
»Wofür? », frage ich verzweifelt. »Ich habe keinen Beweis. Wenn die Bullen das Spezial durchsuchen, werden sie nichts finden. Der Kerl ist mit allen schlechten Wassern dieser Welt gewaschen. Und ob eines der Mädels gegen Pierre aussagt, wage ich auch zu bezweifeln.»
»Aber versuchen müssen wir es», drängt Antje. »Der lässt dich sonst nie in Ruhe. Und ich gebe diesem Bernie recht: Beim nächsten Mal werden sie nicht nur deine Nase brechen.»
»Warum interessiert dich das eigentlich? Wir sind doch getrennte Leute?», kann ich mir nicht verkneifen.
»Süßer, Pack schlägt sich, Pack verträgt sich», grinst sie. »Ich habe überreagiert. Es war nicht okay, dass du mich angelogen hast. Hat mich schwerer enttäuscht, als ich gedacht hätte. Und du hast dich überhaupt nicht gefreut, dass ich nach New York gehe. Das war auch kein Burner.»
»Was erwartest du? », frage ich fassungslos. »Du ziehst tausend oder mehr Kilometer weit weg und ich soll Purzelbäume vor Glück schlagen? Aber mittlerweile denke ich, dass unsere Beziehung halten wird. Deine USA-Aufenthalt dauert ja nicht die Ewigkeit.»
Antje schaut ein wenig traurig. »Finde ich auch nicht toll. Es war eigentlich nicht geplant, dass ich mich verliebe.»
»So ist das Leben», klinge ich nur etwas resigniert. »Vielleicht suche ich mir einen Zweitjob, dann kann ich mir auch die Flugtickets leisten», rede ich uns gut zu.
Ich streichele Antjes Kopf. Ihre Augen schimmern feucht.
Wir sitzen eine Weile schweigend und sinnieren, halten uns in den Armen.
Lass uns jetzt ins Krankenhaus fahren, um dich zu versorgen», spielt sie die Fröhliche. »Wir können den Andi auch gleich besuchen. Ist ja praktisch, dass du dich heute hast zusammenschlagen lassen.»
Ich merke in diesem Augenblick, wie sehr ich sie liebe und könnte losheulen. Doch ich spiele auch den Zweckfröhlichen. Wir rufen ein Taxi, Kohle habe ich im Moment genug.
Der Fahrer mustert mich kritisch und will mich eigentlich nicht transportieren.
»Wenn die uns nicht mitnehmen, werde ich an die Presse gehen. Unterlassene Hilfeleistung ist weiß Gott keine Kleinigkeit. Ich sehe schon die Schlagzeile in der BLÖD: Deutschlands herzlosester Taxifahrer», faucht Antje ihn an.
»Schon gut. Aber wenn er meine Sitze voll blutet, zahlt er die Reinigung», knurrt er.
Er sieht nicht, dass Antje ihm den Stinkefinger zeigt. Hauptsache, er kutschiert uns.
»Übrigens. Mit meinem Buchvertrag ist es auch Essig», erzähle ich. Klingt wegen des Nasendefekts etwas seltsam, aber ich denke, ich kann mich an den Sound gewöhnen.
Antje schaut mich groß an. Und ich erzähle auch diese Geschichte meines ach so traurigen Lebens.
»Holy Shit. Wie viel Pech kann ein einziger Mensch nur haben? », fragt sie.
Ich überlege. Es hätte natürlich eine gewisse Berechtigung, wenn ich mich als stärkster Pechmagnet der Welt bezeichnen würde. Realistisch und objektiv betrachtet gibt es sicherlich Milliarden Menschen, denen es deutlich schlechter gehen würde. Immerhin leide ich unter keiner Hungersnot, keiner tödlichen Krankheit oder wohne in einem Land wie dem Irak, wo das Überleben des Tages bereits ein Erfolg ist. Naja, zumindest letzterer Punkt kann ich heute auch für mich verbuchen.
»Alles halb so wild», entgegne ich dennoch. »Wir fahren nachher zur Polizei. Dann hat der Ärger vor Pierres Schlägern ein Ende. Und ich werde mit Bea telefonieren, was für ein Arschloch sie sich da angelacht hat.»
Im Krankenhaus werde ich in der Chirurgie nach einer Stunde Wartezeit behandelt. Geht ja schnell. Ich erzähle dem Arzt, dass ich die Kellertreppe hinunter gestürzt sei. Der hoch gewachsene, hagere Kerl, der mich an Lucky Luke nach dreiwöchigem Hungerstreik erinnert, nickt ironisch.
Er schickt mich zum Röntgen. Antje wartet unterdessen in der Cafeteria. Eine Stunde später studiert er die Aufnahmen meines Naseninnerns.
»Das ist halb so wild», erklärt er. »Er handelt sich um eine geschlossene, unverschobene Fraktur. Da ist keine Therapie notwendig. Glück im Unglück. Wir legen Ihnen einen neuen Verband an. Wenn Sie möchten, können Sie nach einem Monat wiederkommen. Dann werde ich den Zustand ihrer Nase noch mal begutachten. Es sollte dann aber alles wieder in Ordnung sein. Sie dürfen sich allerdings zehn Tage lang nicht schnäuzen. Alles klar?»
Das sind doch gute Nachrichten. Ich habe schon gefürchtet, den nächsten Monat im Krankenhaus verbringen zu müssen. Eine Krankenschwester desinfiziert die Platzwunden, legt einen Verband an, dann werde ich entlassen.
Antje schlürft einen Kaffee und liest Tina Uebels Horro Vacui.
»Und, wie ist das Buch?», frage ich. »Die Frau ist eine Slamerlegende.»
Antje blinzelt. »Super, Ich bin Duke fand ich allerdings besser. Das fand ich mit zwanzig saucool. Wir simulieren ein aufregendes Leben, weil die Spießerwelt uns ankotzt. Na, jetzt brauch ich mir dank meinem Zuckerboy die Realität nicht aufregend zu denken», grinst sie. »Was macht deine Nase?»
Ich berichte, dass mit meinem Zinken alles gut ist.
»Hoffentlich bleibt meine Nase nicht schief», grinse ich. »Obwohl mir das ein unverwechselbares Äußeres geben würde.»
Antje lacht. »Ich werde dich auch lieben, wenn dein Näschen nicht kerzengerade in die Landschaft ragt. Äußerlichkeiten werden in der heutigen Welt überbewertet.»
Wir gehen zu Andy. Er liegt mittlerweile auf der Neurologie. Als wir sein Zimmer betreten, hat er die Augen geschlossen. Kathrin sitzt an seinem Bett und streichelt ihn über den Bauch.
»Hi, ihr», freut sie sich. Andi öffnet die Augen.
»Hallo», sagt er schlapp. Wir drücken die beiden.
»Du siehst etwas ramponiert aus, Alter», lächelt Andi. »Du hast auch schon mal besser ausgeschaut», gebe ich das Kompliment zurück.
»Habe es etwas zu wild getrieben», gibt Andi zu. »Momentan habe ich die Dosis meiner Stimmungsheber nicht im Griff. Ich war so down, Alter. Kannst du dir nicht vorstellen. Ich dachte, probier mal H. Das gibt dir ein Gefühl der Geborgenheit. Hat es auch, allerdings hat es mich fast gekillt. Nie wieder», seufzt er.
»Und nun? », fragt Antje. »Dir ist doch klar, dass es so nicht weitergehen kann, oder? Die Chemie bringt dich sonst eher über kurz als lang unter die Erde.»
Andi schaut Kathrin in die Augen, Kathrin schaut Andi in die Augen.
»Momentan denke ich lieber gar nichts. Fühl mich noch ziemlich gerädert. Aber Kathrin meint, nun ja. Ich werde mich wohl in Therapie begeben müssen. Ich dachte nicht, dass ich so fertig bin, wie es jetzt aussieht.»
Er schaut uns an.
»Ja, ist auf Kathrins Mist gewachsen, aber ich glaube sie hat Recht. Bisher habe ich gedacht, ich brauche Kicks, um meine Kreativität anzukurbeln. Aber who knows?»
Wirkt nicht recht überzeugt. Aber ist auch nicht anders zu erwarten. Wer krempelt schon mühelos von heute auf morgen seinen Lifestyle um.
»Und bei euch?», fragt er. »Du hast mir noch immer nicht erzählt, wie deine Nase zu der schicken Jacke kommt. Ist das eine Mode, die ich verpasst habe?»
Ich erzähle kurz, wie ich mich heldenhaft gegen Pierres Schlägertruppe gewehrt habe. Andi und Kathrin staunen.
»Der Hammer. Was hat der davon, dich zu drangsalieren?»
Ich zucke mit den Achseln.
»Macht, denke ich. Der ist es gewohnt, dass er die Leute in seinem Umfeld fest in der Hand hat. Um seine Pornoproduktion auf Vordermann zu bringen, braucht er einen Kreativen wie mich, der nicht aus dem Rotlichtmilieu stammt. Er behandelt mich aber genauso wie seine sonstige Bagage. Das kann nicht funktionieren. Ich gehe mit Antje zu den Bullen.»
»Ich bin stolz auch dich, Sweety», umarmt mich Antje. »Du bringst eine Linie in dein Leben.»
»Und Amerika? », fragt Kathrin. »Wie habt Ihr euch das gedacht? Ist schon eine Strecke, finde ich.»
Wir schweigen. Wird sich sicherlich finden, obwohl es mir vor dem Abschied graut.
»Ich werde neben dem Studium arbeiten und oft rüber fliegen», erklärt Antje schließlich und drückt mich noch fester.
»Ja dann», sagt Andi.
Wir verabschieden uns mit dem Versprechen, morgen wiederzukommen. Freudig bemerke ich, wie innig Kathrin Andi küsst. Trotz seiner Schwierigkeiten, seines verseuchten Körpers besteht Hoffnung auf eine Zukunft voller Liebe. Oder mutiere ich zum Spießer? Egal, jetzt werde ich erst mal Bea über ihren Macker aufklären.
Da ich das wahrscheinlich unangenehme Telefonat herauszögern will, gebe ich vor, Hunger zu haben. Wir holen uns vom türkischen Supermarkt um die Ecke Börek und essen auf der Bank vor dem Krankenhaus. Antje futtert Spinat, ich Hackfleisch. Ist wie bei Döner. Frauen essen Huhn, weil sie es für weniger fett halten. Männer ziehen das leckere Lammfleisch vor. Vom Kaloriengehalt vermute ich keine großen Unterschiede. Ob es Untersuchungen der Stiftung Warentest dazu gibt?
»Willst du jetzt anrufen? », fragt Antje. Ein unangenehmes Gefühl im Magen macht sich breit, aber ich kann es nicht endlos herauszögern. Konfrontieren wir Bea mit der unbequemen Wahrheit, dass ihr Traumschloss auf Morast gebaut wurde.
»Horst», begrüßt sie mich freudig. »Schön, dass du anrufst. Pierre hat mir so viele gute Dinge über dich erzählt. Eure Zusammenarbeit soll seine Firma enorm weiterbringen. Ist auch toll, dass ihr euch privat so gut versteht und bald zum Dreh nach Ibiza fliegt. Ich freu mich so.»
»Da muss ich dich enttäuschen», fällt es mir nicht leicht, die Lobhudelei zu unterbrechen. »Pierre ist nicht der, für den du ihn hältst.»
Schweigen. Dann fragt sie »Was meinst du damit?»
»Dein Freund dreht Pornofilme, keine Kunst. Das finde ich persönlich nicht verwerflich, aber er betreibt nebenbei Bordelle mit Zwangsprostituierten. Mich hat er zu erpressen versucht. Als er damit keinen Erfolg hatte, haben mich seine Bodyguards zusammengeschlagen.»
Bea zögert einen Moment, dann lacht sie schallend.
»You’re kidding, honey. Im Ernst, wie gefällt dir die Zusammenarbeit mit Pierre? Ist er nicht ein wundervoller Mann? Das kann ich jetzt ohne Gewissensbisse fragen, wo auch du eine neue Freundin hast, n’est ce pas.»
Ich blicke Antje an, zucke Hilfe suchend die Schultern.
»Du verstehst nicht, das meine ich vollkommen ernst. Hast du schon Pierres Firma besichtigt, oder warst in einem seiner Lokale? Bei dem Kerl siehst du den Stecken vor lauter Dreck nicht mehr.»
Wieder zögern.
»Ich finde es nicht nett, was du über Pierre sagst. Deine Beschuldigungen sind völlig halt- und geschmacklos. Selbstverständlich hat er mich durch seine Firma geführt. Das asiatische Flair ist sicherlich Geschmackssache, aber Pierre bezieht seine Kraft aus der Weisheit des Buddhismus. Da sehe ich nichts Verkehrtes dran. Ich weiß nicht, warum du mir Pierre madig machen willst.»
Ihre Stimme hat an Schärfe gewonnen.
»Ich will ihn nicht schlecht machen, er ist schlecht. Ich will dir nur die Augen öffnen. Frag ihn doch mal, was das Spezial im Steintorviertel für ein Lokal ist. Was er für die Zwangsprostituierten bezahlt hat, was für ein Gefühl es ist, Leuten Drogen ins Getränk zu schütten und kompromittierende Fotos zu schießen.»
»Du sprichst in Rätseln, mein Lieber», verbreitet Beas Stimme die Wärme eines vereisten Kühlschranks. »Ich habe aber auch keine Zeit, deinen Märchen zu lauschen. Wenn du Probleme mit Pierre hast, kläre sie mit ihm, lass mich aus dem Spiel. Ich wünsch dir einen schönen Tag.»
Damit legt sie auf.
»Sie glaubt mir nicht», fühle ich mich bedröppelt.
»Wie sollte sie», sagt Antje. »Wenn mir jemand erzählt, dass du ein Massenmörder bist, würde ich auch auflegen. Wahrscheinlich», grinst sie.
»Wer weiß, was der Typ mit Bea vorhat. Gutes sicherlich nicht.»
»Da können wir wenig machen. Lass uns zur Polizei gehen.»
Machen wir. Wir setzen uns in die Straßenbahn und fahren zum Hauptbahnhof. Die Wache in der Herschelstraße liegt gleich nebenan. Roter Backsteinbau, der verstaubte Behördenaura ausstrahlt.
Wir werden zu Kommissar Kleine geleitet. Er sitzt in einem fünf Quadratmeter kleinen Raum, die Wand ist mit Familienfotos tapeziert. Er hat zwei Kinder, beides Jungen, blond und hübsch. Er selbst wirkt für seine fünfzig Jahre drahtig und durchtrainiert. Das blaue Hemd frisch gestärkt, der schwarze Schlips sieht aus, als käme er gerade von einer Beerdigung.
Ich erzähle ihm von meinen Erlebnissen im Spezial.
Er nickt, schreibt auf einen Block, nickt und schreibt. Dann murmelt er »Der schöne Pierre, so kennen wir ihn.»
»Er ist bei Ihnen gelistet? », fragt Antje erstaunt.
Kleine nickt.
»Lüscherhof ist erst seit ein paar Jahren in der Rotlichtszene tätig. Mit Anfang dreißig ein Startup. Das Studium im Ausland scheint sich auszuzahlen. Eigentlich passt er überhaupt nicht in die Zuhälterbranche. Als er das Spezial ins Hannover und einige Läden in Berlin übernommen hat, fand das die Konkurrenz gar nicht gut. Da hat er sich allerdings auf skrupellose Weise Respekt verschafft. Zwei Konkurrenten, ein Russe und ein Türke wurden auf offener Straße hingerichtet. Anders kann ich es nicht nennen. Lüscherhof war nichts zu beweisen. Er hielt sich zu den jeweiligen Tatzeitpunkten in Asien auf. Aber seitdem hatte er Ruhe. Wir befürchteten, dass sich insbesondere die Russen-Fraktion diesen Angriff nicht gefallen lassen würde. Aber komischerweise blieb es ruhig. Bis heute. Er hat sich anscheinend wirklich Respekt verschafft.»
»Warum haben Se ihn nicht festgenommen?», frage ich erstaunt und mich schauert es, wenn ich denke, dass ich mit einem Schwerverbrecher zusammen gesessen habe.
»Keine Beweise», seufzt Kleine. »Seine Läden wurden alle einige Male durchsucht. Wir haben nichts Illegales gefunden. Wir wissen nur, was unsere Informanten flüstern. Außerdem beginnt Lüscherhof legale Firmen aufzubauen. Dazu zähle ich die Filmgesellschaft und einen Laden mit japanischen Antiquitäten. Lackschalen, wirklich wertvolle Ware. Es ist allerdings nicht klar, ob diese Aktivitäten rein zur Tarnung dienen oder ob er sich aus dem Rotlichtmilieu zurückziehen will. Es werden Kontakte zur Yakuza, der japanischen Mafia, vermutet.»
Ich bekomme es mit der Angst zu tun. Beas Macker scheint skrupelloser zu sein, als ich vermutet habe.
»Und nun? », frage ich. »Er hat mich bedroht, seine Schläger haben mir die Nase gebrochen. Können Sie ihn nicht festnehmen lassen?»
Kleine lächelt müde.
»Meinen Sie die gestehen? Und außer Ihnen hat die keiner gesehen. Einen Zusammenhang mit Lüscherhof werden die sowieso leugnen. Natürlich werden wir Sie von Amts wegen befragen, aber große Hoffnungen kann ich Ihnen nicht machen.»
Verdammt. Ich habe keine Lust zu sterben.
»Dann müssen Sie Horst unter Polizeischutz stellen», fordert Antje. »Wenn dieser Pierre seine Konkurrenten ermordet, wird er mit Horst kurzen Prozess machen.»
»Lüscherhofs Männer haben schließlich nicht gedroht, Sie zu töten, oder?»
»Nein», verzweifele ich. »Aber wenn Sie ihn verhören, weiß er, dass ich ihn verpfiffen habe. Das ist doch ein logischer Schritt in seiner Welt. Er fährt wieder ins Ausland, und meine Leiche liegt auf der Limmerstraße. Und keiner kann sich erklären, warum.»
»Ich versteh überhaupt nicht, warum Lüscherhof den Horst in seinem Verbrecherladen haben will. Kriminelle Energie hat er bisher nicht gezeigt», kann Antje Kleines Bericht noch immer nicht nachvollziehen.
Der Polizist überlegt. »Das ist wirklich seltsam. Aber ich denke, dass er wirklich Fuß in seriösen Bereichen fassen will. Pornofilmen ist zumindest nicht illegal. Und dabei benötigt er unverbrauchte Leute, die nicht aus dem kriminellen Milieu stammen. Allerdings scheint es ihm schwer zu fallen, seine Geschäftspraktiken zu ändern.»
Wir wissen nicht, ob das stimmt. Ist zumindest eine Theorie. Ich erzähle, dass wir Bea nicht von Pierres Machenschaften überzeugen konnten.
»Bei ihr hat er sich bisher von seiner besten Seite gezeigt. Lüscherhof spielt gerne den Mann von Welt. Er ist gebildet und charmant. Bis er die Maske fallen lässt, kann es dauern. Und dann», Kleine schweigt bedeutungsvoll »dann ist es zu spät. Aber das sind nur Mutmaßungen. Um auf Ihre Frage zurückzukommen, Herr Stengel, ich fürchte, wir können da wenig tun. Es gibt keine Beweise.»
Wir blicken auf den Boden, wissen nicht, was wir sagen sollen. Mein Magen ist ein einziger Eisklumpen. Schließlich sage ich »Irgendetwas müssen Sie tun. Wenn mir etwas passiert, geht Antje an die Presse.»
»Genau», triumphiert Antje. »Wir gehen an die Presse. Wenn Sie uns nicht helfen, können Sie einpacken, mein Freund. Dann ist es Essig mit dem Job als Polizeipräsi.»
Kleine lächelt müde.
»Für einen solchen Posten diene ich zu gerne dem Bürger. Politik ist nicht mein Ding. Aber vielleicht habe ich doch eine Idee, wie wir an Pierre rankommen können.»
Wir starren ihn mit offenen Augen an.
»Und welche?», fragen wir.
Er blickt verschwörerisch.
»Wenn Sie mutig sind, Herr Stengel, spielen Sie für uns den Lockvogel.»
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