Montag, November 08, 2010

Bestseller 17: Neustart mit Ingwer-Bionade




Die Minister-Stüve-Straße ist eine reine Wohngegend. Wo soll hier ein Geschäftshaus sein? In Nummer sechzehn finde ich den Verlag. In einem stinknormalen Mehrfamilienhaus. Mike Marré wohnt in der zweiten Etage. Marré trägt trotz des eher warmen Klimas ein grau-schwarz-karriertes Sakko und eine noch grauere Stoffhose mit überdimensionierten Taschen an den Hosenbeinen. Schräger Typ. Eine rote Haartolle hängt mitten auf seiner Stirn, die Koteletten wuchern bis zum Hals. Er blickt durch eine Hornbrille, die an die schicken Achtziger-Jahre-Modelle erinnert. In der Hand hält er einen erloschenen Zigarillo. Er mag ein wenig älter als ich sein, schätze ihn auf knappe vierzig.
»Guten Tag, was kann ich für Sie tun? », fragt er mit ausgesuchter Höflichkeit.
»Horst Stengel, wir hatten gestern telefoniert. Wegen des Jobs.»
»Klasse, komm rein», freut er sich. Die Wohnung sieht aus, als wäre ein Tornado durch eine Bibliothek gewütet. Überall liegen Bücher, Papiere und Ordner. Auf dem Regalen, Schränken und dem Boden. Den Teppich sieht man nur an vereinzelten Stellen. Gemütlich finde ich es nicht.
»Entschuldige, wie es hier aussieht. Aber ich habe einfach keine Zeit, klar Schiff zu machen. Das wäre dann unter anderem deine Aufgabe», zündet er sich mit einem Zippo den Zigarillo wieder an, der sofort wieder erlischt.
Er führt mich nach dem Hinweis »Bitte auf keine Unterlagen treten» durch den Flur ins Arbeitszimmer. Hier dasselbe Bild. Sein Schreibtisch quillt über, der Fußboden ist mit Papier belegt.
»Man sagt, das Genie beherrscht das Chaos», lächelt er. »Ich bin anscheinend kein Genie.»
Ich darf einen Stapel mit Ordnern vom Stuhl nehmen und mich drauf setzen. Aus einem Kühlschrank hinter ihm nimmt er eine Flasche Ingwer-Bionade und schmeißt sie mir rüber. Ich bedanke mich artig, öffne sie und nehme einen Schluck. Lecker.
»Ich bin, wie du siehst, ein Kleinverleger. Ein Mann-Betrieb. Habe früher eine Lehre als Verlagskaufmann gemacht, wollte mich aber nie an einen Arbeitgeber binden. Eine schwierige Situation. Dann habe ich mich irgendwann selbstständig gemacht. Ich gebe Krimiautoren der Pulp-Tradition heraus. Da suche ich mir ältere Schätzchen, bei denen ich günstig an die Lizenz komme oder auch jüngere deutsche Autoren des Underground.»
Underground. Genau mein Ding.
»Ich schreibe auch. Habe gerade Schiffbruch mit einem Verlag erlebt.»
Erzähle ihn von meinem Leidensweg, lasse nichts aus, male meinen großartigen Roman in schillerndsten Farben aus. Und Mike sagt »Klingt gut. Warum nicht?»
Ich kann es nicht fassen, starre ihn mit großen Augen an.
»Wenn jemand so viel für sein Ziel auf sich nimmt, muss es irgendwann belohnt werden. Mail mir dein Skript, dann schaue ich es mir genauer an.»
»Wieviel verkaufst du denn von einem Buch? », frage ich.
»Wenn es gut läuft, vielleicht tausend Bücher. Von Meine geliebte Wumme spuckt Blei haben wir tausendfünfhundert verscherbelt. Das ist unser Verlagsbestseller. Weißt du: Ich produziere on demand: Wenn jemand was kauft, wird es gedruckt. So gehe ich kaum Riskio ein. Ich übernehme Lektorat, Gestaltung und Werbung. Bringt keine hohen Umsatzzahlen, aber ich kann davon leben und die Autoren fahren auch nicht schlecht damit.»
Das klingt nicht so, als ob ich in nächster Zeit meinen Lebensunterhalt mit meinem Buch bestreiten könnte. Allerdings haut er nicht so auf die Kacke wie Frau Ahmert. Ist doch ein Lichtblick denke ich schließlich.
»Es würde mich freuen, wenn du meinen Roman herausbringen würdest», sage ich daher.
Mike wiegelt ab. »Erst mal abwarten. Wann kannst du bei mir anfangen?»
Ich überlege kurz und meine schließlich, dass übermorgen ein guter Arbeitsstarttermin wäre. Hoffentlich lebe ich dann noch.
»Prima. Du solltest erst mal Ordner für jedes Buchprojekt anlegen und dieses Papierchaos beseitigen. Dann sehen wir weiter. Ich habe massenhaft Aufgaben, für die mir selber jegliche Zeit fehlt», startet er bereits den fünften Versuch, den Zigarillostumpen zum Stinken zu bringen.
Wir vereinbaren, dass ich erst mal eine Woche im Monat voll arbeite. Was über die vierhundert Euro hinausgeht, bezahlt er mir cash. Das gefällt mir. Zufrieden schiebe ich nach Hause ab. Ein Job, der Spaß und Bares bringt. Kann mich nicht erinnern, wann ich das letzte Mal zu dem Vergnügen kam.

Um kurz vor neunzehn Uhr treffen wir uns vor dem Versteck der Polizei. Antje küsst mich, freut sich sehr, mich zu sehen, obwohl wir uns erst am Morgen getrennt haben. Wie soll das mit Amerika gehen? Die Wohnung liegt in einem Mietshaus mit acht Parteien. Wir klingeln bei Müller und stiefeln eine Treppe hoch. Unauffällig, der Herr Müller. An der Tür hängt allerdings eine Art Adventskranz ohne Kerzen. Ziemlich vergammelt. Scheint den Nachbarn egal zu sein, denn das Teil hängt bestimmt seit über einem Jahr. Kleine öffnet. Eingerichtet ist die Bude nicht, wie ich sofort sehe. An der Wand steht ein Tisch, worauf sich diverser technischer Schnickschnack befindet. Abhörvorrichtung. Davor sitzt ein etwa fünfzigjähriger Mann mit Vollbart und Segelohren.
»Hi», grüßt er. »Ich bin Kommissar Wegner, der Abhörspezialist. Kannst mich Kalle nennen. Tut jeder.»
»Stasi-Kalle», grinst Kleine. Bullen haben einen seltsamen Humor.
Ich bekomme ein Mikrophon unter das Shirt gesteckt und einen Sender in die Hosentasche.
»Fein», sagt Kleine. »Nichts zu sehen. Verhalten Sie sich unauffällig und versuchen ihn zu Aussagen über kriminelle Handlungen zu verleiten.»
»Ist das nicht widersprüchlich?», frage ich. »Was, wenn er Lunte riecht?»
Kleine verdreht die Augen. »Wir sind sofort zur Stelle. Unsere Eingreiftruppe von sieben Mann lauern in unmittelbarer Nähe. Die schlagen sofort zu, wenn wir Gefahr wittern. Keine Sorge.»
»Wann soll ich los?», frage ich. Meine Knie zittern. Antje merkt das und legt den Arm um meine Schultern.
»Geht schon alles gut, vertrau mir», flüstert sie.
»Warten Sie noch eine halbe Stunde», blickt Kleine auf die Uhr. »Kalle kocht uns einen Kaffee.»
Der Abhörspezialist schaut furstriert, begibt sich aber in die kleine Küche und füllt vier Tassen mit Nesskaffee. Schmeckt nicht und macht mich noch nervöser. Antje hält meine Hand. Kleine spricht ab und an unverständliche Codes in sein Funkgerät. Stasikalle spielt Solitaire auf seinem Laptop. Flucht, wenn die Karten gegen ihn sind als würde es um Kohle gehen. Schließlich hallt »Zielperson auf F 5», aus dem Funkgerät. Kleine blickt mich an.
»Lüscherhoff hat gerade das Spezial betreten. Wir warten fünf Minuten, dann gehen Sie los. Dann geht die Luzzi ab», grinst er selbstgefällig. Er sitzt schließlich in Sicherheit.
Sekunden dehnen sich zu Minuten. Bis Kleine schließlich sagt »Los. Viel Glück.»
Kalle sagt, ohne sich von seinen Karten abzuwenden »Du machst das schon. Bis später.»
Antje küsst mich. »Süßer, ich bin immer bei dir, auch wenn ich nicht da bin. Ich habe eine kleine Überraschung für dich. Aber komm erst heil zurück.»
»Ich freue mich», sag ich automatisch, verlasse die Wohnung und wandere los. Kopf leer, Nerven angespannt.

Beim Special steht Ronni an der Tür. Er grinst, als hätte er soeben eine Million beim Lotto abgezogen.
»Unser Starautor», klopft er mir auf die Schulter. »Ich wusste, dass du in den Schoß der Familie zurückkehrst. Nimm unsere kleine Schönheitsoperation nicht persönlich. Ist alles beruflich.»
Hat anscheinend zu viel Mafiastreifen konsumiert. Schlagartig verschwindet die Nervosität aus meinem Nervensystem. Dem werde ich es zeigen.
Ich lege ihm den Arm um die Schultern und drücke, dass es selbst dem Schrank weh tut. Erstaunt blickt er mich an.
»Ich freue mich riesig, mit euch weiterzuarbeiten. Habe diverse Ideen, die ich mit Pierre durchsprechen werde.»
»Na dann geh rein», brummt er. Erstaunlich viel los heute. Freier aller Herren Länder plaudern mit den Damen und schlürfen Sekt. Russlana sehe ich auch, sie zwinkert und prostet mir zu. Dann befummelt sie wieder den feisten Opa in krachledernen Shorts mit Gamsbarthut. Sexy Typ.
Pierre sitzt an einem Tisch in einer Loge unter einer einem Kerzenleuchte nachempfundenen Lampe. Er trägt einen cremefarbenen Anzug und ein weißes Hemd mit einer Rose im Knopfloch. Smarter geht’s nicht. Er nippt an einem Cappuccino und brütet über Excel-Sheets. Konzentriert, sehen wie Umsatz- oder Gewinn- oder Verlustrechnungen aus. Als er mich bemerkt, knipst er sein gewinnendes Lächeln an.
»Horst, ich freu mich, dich wieder zu sehen», schüttelt er mir die Hand. Er weist auf die Unterlagen vor ihm. »Langweiliger Buchhaltungskram, aber als Selbständiger muss sich ja einer drum kümmern.»
Klingt wie ein von Bürokratie genervter Backshopbesitzer. Aus dem kleinen Kopfhörer, den Kalle installiert hat, höre ich Kleine »Gehen Sie auf den Small-Talk ein. Tun Sie, als ob Sie ganz entspannt wären.»
Hält der mich für blöd?
»Versteh ich», sage ich und versuche entspannt und selbstbewusst zu klingen. »Obwohl ich in geistiger Umnachtung eine Umschulung zum Kaufmann abgeschlossen habe, hat mich das ganze Zahlenzeug immer angeödet.»
Wir beide nicken, verstehen einander.
»Hauptsache, die Kasse stimmt am Monatsende», sagt Pierre. »Schließlich habe ich einen Haufen Angestellter, die gefüttert werden wollen.»
Der gute Familienvater. Ich könnte kotzen.
»Der Staat macht es uns allen nicht einfach», gebe auch ich einen Allgemeinplatz von mir.
Pierre verdreht gespielt verzweifelt die Augen.
»Kommen Sie zur Sache», dröhnt Kleine.
»Mir hat der Besuch deiner Schläger überhaupt nicht gefallen», tue ich ihm den Gefallen.
»Sie sollten nur mit dir reden», versichert Pierre. »Leider ist es schwierig, gute Angestellte zu finden, die sich strikt an deine Weisungen halten. Bernie scheint da etwas übermotiviert gewesen zu sein. Er geht auch zurück nach Thailand.»
»Nagel Sie ihn fest, dass er den Auftrag gegeben hat! Aber bleiben Sie verbindlich», nervt der Kommissar. Hat gut reden, das Schlimmste, was er zu befürchten hat, ist Kalles Koffeingebräu.
»Komm schon. Du hast Ronny und diesen Neandertaler Bernie losgeschickt, damit sie mir die Nase richten. Kein Problem, ich habe diesen kleinen Denkanstoß gebraucht. Ich hatte gezweifelt, dass ich mit dir den Erfolg erreiche, den ich haben will. Doch ich bin in mich gegangen, habe meinen inneren Buddha befragt, und bin zu dem Schluss gekommen, dass wir uns gegenseitig stützen werden. Ich verschaffe dir neue Ideen für die Filmproduktion, du gibst mir finanziellen Raum für Romanprojekte.»
Ich kann nicht glauben, welchen Mist ich von mir gebe. Innerer Buddha. Da spricht der Autor aus mir.
Doch Pierre scheint darauf anzuspringen. Bedächtig nickt er.
»Ich wusste, dass du Vernunft annimmst. Aber Ronny und Bernie haben auf eigene Faust gehandelt. Du kennst mich doch. Ich bin strikter Gegner von Gewalt.»
Glatt wie ein mit Vaseline eingeschmierter Aal.
»Scheiße», flucht Kleine über den Kopfhörer.
Pierre winkt durch den Raum und Ronny steht sofort an unserem Tisch. Pierre winkt, und Ronny darf sich setzen.
»Mein Freund Horst meint, ich hätte dich beauftragt, ihn mit physischer Gewalt zu malträtieren. Habe ich dir solche Anweisungen gegeben?», verfällt er in gestelzte Ausdrucksweise.
Ronny schüttelt erstaunt den Kopf.
»Nie im Leben, Cheffe. Keine Ahnung, wie er darauf kommt. Wir haben uns nett unterhalten, nicht wahr, Horst?»
»Tun Sie so, als ob Sie einlenken. Lenken Sie das Gespräch auf Zwangsprostitution. Sagen Sie, Sie wollen mitmischen», weist Kleine an.
»Okay, ich will keinen Streit», bleibe ich cool. »Wie sieht es denn mit dem Nuttengeschäft aus. Ich könnte helfen, Frauen in Osteuropa zu rekrutieren. Die würden für dich arbeiten, ohne einen Cent zu verlangen. Ich bin kommunikativ geschickt, viele Frauen meinen, ich hätte die Redegabe eines Pfarrers. Da könnte die Firma gewaltig profitieren.»
Pierre und Ronni schauen sich ungläubig an, grinsen und lachend schallend.
»Wir verstehen nicht, wovon du sprichst. Was meinst du mit ‚ohne einen Cent zu verlangen’?»
»Machen Sie jetzt Druck», brüllt Kleine.
»Na kommt, ist ja ein offenes Geheimnis, dass ihr hier Mädels ohne Bezahlung die Beine breit machen lasst», hake ich nach.
»Gut so», tönt der Kommissar im Ohr. »Die müssen jetzt die Hosen runterlassen.»
Irgendwas scheint aber mit der Verbindung gründlich schief zu gehen. Der Knopf in meinem Ohr dröhnt und fiept. Rückkopplungen, die haben mir gerade noch gefehlt. Ich zucke zusammen.
»Weißt du, wovon Horst spricht? », fragt Pierre.
Ronny hebt unschuldig die Schultern.
»Keinen Plan. Ich bin ein einfacher Mann. Kenn mich mit Finanzen nicht aus», blickt er mich an. Es fiept wieder.
»Hast du was? », fragt Ronny. »Du wirst uns doch nicht krank?»
»Kein Problem, alles easy», antworte ich und wünsche mich an einen Platz Millionen Kilometer entfernt. Pierre mustert mich misstrauisch. Plötzlich schnell er auf mich zu und reißt mir das Shirt hoch.
»Das Arschloch ist verdrahtet», fällt seine Maske. Ronny mustert mich. Wut strahlt aus seinen Augen. Ich schnelle hoch, doch der Schläger ist schneller. Er reißt mich nach vorne und zerfetzt die Verkabelung. Ich bete, dass die Bullen jetzt zugreifen. Auf einmal reißt sich der Trachtendepp von Russlana los und zieht einen Revolver.
»Polizei. Lassen Sie sofort Herrn Stengel los. Ansonsten schieße ich.»
Pierre hebt die Hände, doch Ronny hält auf einmal auch eine Knarre in der Hand und an meinem Kopf. Ich spüre, wie sich meine Blase erleichtert. Bin doch nicht so hart, wie ich gedacht habe.
»Runter mit der Wumme, sonst blas ich dem Verräter den Schädel zu Matsche», brüllt Ronny.
Der Bulle starrt und hält seine Waffe weiter auf Ronny gerichtet. Ein klassisches Patt.
Doch auf einmal sinkt er zusammen. Russlana hat ihm die Sektflasche über den Kopf gezogen.
»Du sollst Liebe machen mit Russlana. Nicht mit Waffe auf Chef zielen.»
»Seid ihr komplett wahnsinnig», zischt Pierre. »Es gab doch überhaupt kein Problem. Warum müsst ihr ausrasten?»
Ronny nimmt mich in den Schwitzkasten und will mich in Richtung Hinterräume zerren. Ich wehre mich nach Kräften, aber als er mir auf die kaputte Nase haut, bricht meine Gegenwehr zusammen. Unermesslicher Schmerz durchflutet mein Nervensystem. Dann wird die Lokaltür wird aufgerissen.
»Hände hoch und Waffe runter», schreit Kleine. Ronny löst die Sicherung und drückt mir die Waffe ins Ohr. Der Kerl ist wirklich verrückt.
Ein Knall ertönt und Blut spritzt auf mein Gesicht. Ronny lässt mich los, sinkt zusammen. Sein Gesicht ist matschig, sehe ich noch, dann werde ich bewusstlos.

Ich wache in einem Bett mit steifem weißem Leinenbettzeug auf. Ein hinten offenes grünes Hemd umhüllt mich. Ein Blick durchs Zimmer verrät mir: Krankenhaus. Mein Schatz und Kommissar Kleine sitzen auf Besucherstühlen. Antje küsst mich.
»Endlich bist du wieder wach, Süßer. Ich bin vor Angst fast gestorben.»
»Ich auch», gestehe ich und blicke den Kommissar grimmig an. »Die technische Panne hat mir beinahe das Leben gekostet.»
Der Polizist räuspert sich. »Sorry, Herr Stengel. Auch wenn dieser Fehler nicht passieren durfte, ist er geschehen. Ich kann mich nur dafür entschuldigen. Zum Glück ist die Sache relativ glimpflich ausgegangen. Wir haben sofort eingegriffen.»
Ich bin sauer, weiß aber, dass Schuldzuweisungen nichts bringen.
»War denn die Aktion von Erfolg gekrönt? Sitzt Pierre hinter schwedischen Gardinen?»
»Gott sei Dank», seufzt Kleine. »Er hat geleugnet, irgendetwas mit Ronny zu tun zu haben. Und der konnte ja nicht mehr aussagen. Wir haben allerdings im Spezial drei Kilogramm Koks gefunden. Zudem hat eines der Mädchen ausgesagt, sie wäre gegen ihren Willen zur Prostitution gezwungen worden. Lüscherhof hat natürliches alles abgestritten. Ich denke aber, dass es für eine mehrjährige Haftstrafe reichen wird. Gegen Bernd Knoth, der Ihnen die Nase gebrochen hat, liegt ein Haftbefehl vor. Zuhälterei und schwere Körperverletzung. Der Typ hat die Hälfte seines Lebens im Knast zugebracht. Der letzte Abschaum. Jetzt sitzt er für fünf weitere Jahre ein. Ich denke, von diesen Gangstern müssen Sie nichts mehr befürchten, Herr Stengel.»
Das beruhigt mich. Kleine verabschiedet sich. Er wollte nur nach meinem Gesundheitszustand schauen.
»Die Ärzte sagen, es war nur der Schock. Sie können heute wieder nach Hause.»
Super. Hätte keine Lust gehabt, an diesem trostlosen Ort längere Zeit zu verweilen. Fühle mich auch komplett fit. Antje hat mir frische Klamotten mitgebracht, so dass einem Umzug in die heimischen vier Wände nichts mehr im Wege steht.
Kleine zieht von dannen, hinterlässt noch eine Pralinenschachtel von Gubor. Scheinen nicht viel Kohle zu bekommen, die Bullen.
»Sie haben einen guten Job gemacht, Herr Stengel. Bis bald.»
Das hoffe ich nicht. Die Action der letzten Tage reicht mir fürs ganze Leben.
Antje küsst mich, dass mir heiß wird. Wirklich höchste Zeit, nach Hause zu kommen.
»Ich hab dir doch von einer Überraschung erzählt», flüstert sie, während sie meinen Schritt streichelt.
Fragend blicke ich sie an.
Sie zaubert einen Briefumschlag hervor.
»Hier ist ein Flugticket drin. Damit kannst du in vier Monaten über den Teich segeln und deine Liebste besuchen.»
»Super», stammele ich. Habe gedacht, die Überraschung sei, sie würde in Hannover bleiben.
»He, Sweety. Freust du dich gar nicht? Ist doch heiß. Dann machen wir New York unsicher.»
»Doch, klar. Finde ich gigantisch», freue ich mich langsam doch. New York könnte cool sein. Da gibt es bestimmt geile Konzerte und Lesungen.
Als eine halbe Stunde später die Zimmertür hinter Antje ins Schloss fällt, weiß ich: Ein weiterer Neuanfang erwartet mich.

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