Donnerstag, Mai 02, 2013

Oscar Lafontaines Leopardenfell

Ich bringe Horst Äpfel und Brot vorbei. Der Arme hat keine Zeit zum Einkaufen. Schließlich bereitet er seine Selbstständigkeit vor.
Die Nacktposter sind allerdings abgehängt, und der junge Bruce Springsteen strahlt wieder von der Wand. Zumindest kann ich das Leuchten seiner Augen unter der Dunstglocke schwarzen Tabaks erahnen.

»Moin, Horst. Hast du die Aktbilder in deine neuen Geschäftsräume am Mittellandkanal transportiert?«, frage ich neugierig.
»Dass FKK-Ressort hat sich erledigt. Lohnt sich nicht.«
»Du warst doch ganz begeistert. Was ist passiert?«
Horst öffnet sich ein Herri und leert die Flasche bis zur Hälfte.
»Ich bin jetzt informiert. Langsam hat es sich rumgesprochen, dass die Hartzer die Bundestagswahl entscheiden können. Schließlich gibt es viereinhalb Millionen von uns. Deshalb hat mich Oscar besucht. Ich wäre Hannovers bekanntester Langzeitarbeitsloser und sollte Stimmung für die Linken machen.«
»Was hat das mit deinem Geschäft zu tun?«

»Oscar hat mir abgeraten. Ich sei dann Kapitalist und Feind des Proletariats. Ich würde meine Angestellten ausbeuten, eine Betriebsratsbildung behindern und nach meinem Tod in einem heißeren Höllenkessel brutzeln als die KIK- und Amazoneigentümer. Als Hartz-4-Empfänger könnte ich mehr für die Menschheit erreichen.«
»Oscar ist doch auch Kapitalist. Ich sage nur Armani-Jeans.«
»Er hat gewusst, dass du das anführen würdest.«
»Woher kennt er meinen Namen? Ich habe ihn noch nie persönlich getroffen. Lege auch keinen Wert darauf.«
»Ich habe ihm gesagt, dass mein pessimistisches Arschloch von Nachbar ihn schlecht machen wird. Er kennt genug Deppen wie dich, meinte er. Die Designerreizwäsche für Sarah und das echte Leopardenfell vor dem Kamin sind übrigens Presselügen.«

»Wenn Oscar das sagt. In meiner Welt sind Unternehmen wichtig. Wer soll sonst dein Bier brauen, der Staat?«
»So weit seid ihr gar nicht auseinander. Oscar will auch freie Unternehmer. Und das Gute ist: Wenn die über den Hartz-4-Satz hinaus verdienen, zahlen sie Reichensteuer, die wiederum den Hartz-4-Empfängern zu Gute kommt. Finanziell stehe ich mich als Hartzer besser und tue Gutes, wenn ich ihn richtig verstanden habe.«

»Ich verstehe es nicht.«
»Ist auch egal. Hauptsache, du machst dein Kreuz an der richtigen Stelle. Oscar und Sarah richten es für dich.«
»Wählst du denn die Linken?«

»Bist du jetzt total bekloppt? Im Wahlbüro gibt es kein Bier; außerdem herrscht Rauchverbot. Ohne diese Stimulantien fehlt mir die Inspiration, meine Entscheidung noch zu überdenken. Die Yogisches-Schweben-Partei finde ich auch interessant.«
Ich verrate ihm nicht, dass man auch per Brief wählen kann, sondern stoße lieber mit ihm an.

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