Montag, Mai 27, 2013

150 Jahre SPD - Oh weh

Horsts Wohnungstür war für mehrere Tage verschlossen. Heute dringt aber wieder ätzender Qualm durch die Türfuge. Ich bin beruhigt. Mein Nachbar hockt auf dem Sofa, um den Hals einen Hannover-96-Schal.


»Moin, Horst. Ich habe mir Sorgen gemacht. Wo warst du?«



Horst legt seine Roth-Händle auf den überquellenden Ascher.

»Habe Geburtstag gefeiert und die Puppen tanzen lassen«, krächzt er. »Meine Stimmbänder sind immer noch ramponiert.«

»Herzlichen Glückwunsch. Leider habe ich kein Geschenk dabei. Wird aber nachgereicht.«

»Doch nicht ich. Die SPD ist 150 geworden. Liest du eigentlich keine Zeitung?« Er winkt mit der aktuellen BILD.

»Was machst du denn auf dem Sozigeburtstag. Ich wusste gar nicht, dass du Parteimitglied bist.«



»Bist du bekloppt? Mein Fallmanager ist Mitglied. Der konnte nicht teilnehmen und hat mir seine Karte geschenkt. Ich solle mal sehen, dass die Roten nicht nur aus Agenda-2010-Darth-Vaders bestehen. Richtig nette Menschen hat er mir versprochen.«

»Und?«

»Ich bin mir nicht sicher, ob die nett sind. Und Menschen?« Horst öffnet ein Herri. »Die sahen schon seltsam aus. Habe mich in die erste Reihe zwischen Steinbrück und Gabriel gesetzt. Da kam so ein Muttchen angetapert. Frisur aus den 50ern, Klamotten aus den 70ern und eine freudlose Miene, als hätte Männe kein Mammut erjagt. Die wollte wirklich meinen Platz. Sehr unhöflich.«

»Horst, das war Frau Merkel, unsere Bundeskanzlerin.«



»Bresser, du spinnst.« Horst zeigt mir einen Vogel. »Ich mag zwar ungebildet sein, aber verscheißern lass ich mich nicht. Die Merkel ist doch nicht in der SPD! Obwohl das eigentlich auch egal ist. Einen großen Unterschied entdecke ich zwischen diesen seltsamen Parteien nicht.«

»Die Merkel war als Ehrengast eingeladen. Habt ihr trotzdem schön gefeiert?«

»Sachen gibt es, die gibt es gar nicht. Doch war nett. Wir haben die Internationale; Brüder zur Sonne, zur Freiheit und Wann wir schreiten Seit‘ an Seit‘ geträllert. Die Merkel am Lautesten.«

»Ich bin entsetzt. Merkel steht für ein Deutschland des Stillstands, für die Verarmung des Mittelstands; die Frau geht doch gar nicht.«



Horst schüttelt den Kopf und raucht seine Zigarette bis auf einen mikroskopisch kleinen Stummel runter.

»Du schnallst gar nichts, Bresser. Ich habe mit der Frau Sekt schlürft und Austen verschnuckert. Die hat für alles Verständnis. Sie wollte mir sogar einen Job verschaffen. Praktikant im Bundestag. 3,50 am Tag. Und sogar die Chance auf einen Anschlussvertrag. Geil, wa? Ich darf sogar den Koks von den Toiletten wegschnüffeln. Siggi und Per haben zugestimmt. Das sind jetzt meine Buddies. Wenn du einmal zusammen besoffen in der Ecke gelegen hast, verbindet das. So geht Politik, Bresser.«

»Willst du wirklich nach Berlin gehen?«, frage ich leicht enttäuscht. »Du liebst doch Hannover.«



»Bist du bekloppt. So besoffen kann ich gar nicht sein, dass ich für 3.50 Euro am Tag malochen gehe. Da würde ich doch den Staat abzocken. Das könnte ich mit meinem Gewissen nicht vereinbaren. Per und Angie waren traurig, Siggi hat es emotionslos aufgenommen. Ich glaube, der will den Koks von den Bundestagstoiletten allein für sich haben. Soll er. Muss ja nicht leben, wie ein Hund.«

»Sind das jetzt deine neuen Freunde? Dann brauchst du mich ja nicht mehr.« Ich merke, dass ich eifersüchtig bin.



»Wir waren nie Freunde, sind keine Freunde und werden nie welche sein, Bresser. Du bist mein Nachbar. Schlimm genug. Die Angie, Siggi und Per sind Marionetten des Großkapitals. Meine einzigen Freunde sind Herri und Roth-Händle. Auf die kann ich mich immer verlassen. Prost.«

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