Montag, Mai 06, 2013

Horst beim NSU-Prozess

Ich bringe Horst die BILD-Zeitung vom Kiosk. Als ich die Wohnungstür öffne, höre ich Horsts Stimme aus der Roth-Händle-Wolke.


»Du hast richtig gehört, du Spacken. Ich verkaufe mein Los nicht. Schreib dir das hinter die Ohren.«

Ein Handy aus der Anfangszeit des Mobilfunks fliegt gegen die Wand.

»Moin, Horst. Alles klar bei dir?«

Horst lässt sich aufs Sofa fallen.

»Ich bin fix und fertig, Bresser.« Er öffnet ein Herri und leert in einem Zug die halbe Flasche. »Das waren die Penner von der Süddeutschen. Ich solle meinen Gerichtsplatz beim NSU-Prozess abtreten. Der FAZ habe ich schon erzählt, wo der Bartel den Most holt.«

»Was hast du mit dem NSU-Prozess zu tun? Da wurden doch nur Plätze an Pressevertreter verlost.«

»Bin ich. Idee der ARGE. Ich könnte doch aufstocken. Da ich gute Eingaben verfasse, müsste ich auch eine Zeitung herausgeben können. Was tut man nicht alles für seinen Fallmanager. Ich publiziere ein Punk-Fanzine wie sie in den Neunzigern hip waren. Fuck the Fascho-System. Merk dir den Namen.«

»Wusste ich gar nicht«, bekenne ich.

»Ich arbeite seit 2 Jahren an der Erstausgabe. Gut Ding will Weile haben. Jedenfalls habe ich mich für einen Presseplatz beworben. Erweiter schließlich mein journalistisches Spektrum. Und gewonnen. Ist das nicht geil.«

Horsts Egoismus ist unbegreiflich. »Und was willst du der Presse aus Punksicht über Frau Zschäpe mitteilen?«

»Ich könnte natürlich über ihre Ideologie, Thor-Steinar-Klamotten und den üblen Musikgeschmack schnacken. Aber ich werde meinen Platz an einen türkischen Kollegen abgeben. Da bin ich solidarisch.«

»Nett von dir. Hätte ich einem Journalisten, der als Fachblatt ausschließlich die BILD konsumiert, gar nicht zugetraut.«

Horst steckt sich eine neue Zigarette an.

»Sarkasmus macht hässlich, Bresser. Um ehrlich zu sein: Ich hätte neben einer Kollegin von der Bäckerblume gesessen. Und das geht gar nicht. Die wollte nur über Plätzchen, Kümmelbrote und Laugenbrezeln berichten. Alles was Zschäpe so im Knast verputzt. Da steh ich überhaupt nicht drauf. Schließlich schuckere ich völlig antifaschistisch nur Weißbrot. Prost.«

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