Donnerstag, Mai 30, 2013

111 Gründe, Hannover 96 zu lieben



Ich freue mich, sehr dass an meinem und Steffis Hochzeitstag unser erstes gemeinsames Manuskript an Schwarzkopf & Schwarzkopf geht. Ein Buch unserer gemeinsamen Liebe für die Roten von Hannover 96.



Das Thema:
Hartes Holz und ganz viel alte, rote Liebe
Die Liebe zu einem Fußballverein kann man nicht erklären. Sie entsteht und hält meistens ein Leben lang. Es sind oft nicht nur die Erfolge, die den Fan an den Verein binden. Gerade Pleiten, Abstiege und Frusterlebnisse schweißen Bündnisse für die Ewigkeit. Davon gibt es in Hannover 96s Vereinsgeschichte genug. Aber auch wundersame Ereignisse, wo der Leinephoenix aus der Asche auftauchte, in letzter Sekunde dem Abstiegstod von der Schüppe sprang oder übermächtige Gegner in Endspielen niederrang.
Dennoch muss ein Fan der Roten aus härterem Holz geschnitzt sein, als ein erfolgsverwöhnter Bayern- oder BVB-Fan.  Erstaunlicherweise gibt es unzählige Anlässe diesen sympathischen Verein aus der Landeshauptstadt Niedersachsens zu lieben. Leider wird er in der öffentlichen Wahrnehmung oft verkannt.  Wir haben uns auf die für uns 111 besten Gründe beschränkt und möchten unsere Begeisterung für diesen großartigen Club und unsere wunderbare Stadt mit den Lesern teilen.

Das Buch:
Die vermeintlich graue Maus der Bundesliga
Hannover 96 wird in der Öffentlichkeit gerne als graue Maus im Bundesligageschäft wahrgenommen. Völlig zu unrecht. Ein Blick in die jüngere und ältere Historie enthüllt viele interessante Geschichten, Persönlichkeiten und Ereignisse, die das Bild eines faszinierenden Vereins zeichnen, der aus der schönsten Stadt der Welt nicht wegzudenken ist.
Jeder weiß, dass 96 als erster richtiger Zweitligist den DFB-Pokal gewonnen hat. Aber wer weiß schon, dass Pelé fast seine Zelte in der Leinestadt aufgeschlagen hätte? Rekordmeister, 3-Monate-Präsidenten, Rekordaufsteiger? Ein ehemaliger Nationalspieler, der wegen seiner Liebe für hochprozentige Getränke lieber die Stadionkneipe als den Fußballplatz betrat?  Den Rekord für die meisten Eigentore in einem Spiel? Die Autoren haben 111 Beweise gesammelt, warum die Roten ein interessanter und liebenswerter Verein sind.

Die Autoren:
Michael Bresser, 1971 im Ruhrgebiet geboren, studierte die Wirtschaft des Potts in der Praxis und an der  Universität. 2007 zog er nach Hannover. Dort verliebte er sich in die Stadt und ihren Fußballverein Hannover 96.
Stephanie Ristig-Bresser, 1971 in Seesen am Harz geboren, steht für praktizierte Fantoleranz. Der Papa versuchte sie, für die Braunschweiger Eintracht zu begeistern. Doch spätestens seit sie in Hannover lebt, brennt sie für die Roten. Dazu schaut ins Buch… 

Zitat
Deutscher Meister, DFB-Pokal, schräge Vögel und Jahrhunderttalente
Ein Buch über Hannover 96 also, über unsere alte rote Liebe zu einem wundervollen Verein in einer wundervollen Stadt in einem wundervollen Land. Jeder 96-Fan unterschreibt den vorigen Satz sicherlich zu 100 Prozent,  mag sich mit diesem Buch auf die Reise begeben, magische Momente wieder erleben und auch ein paar Tränen trocknen, wenn wir auf die „Stunden der Wahrheit“ zu sprechen kommen.
Aber, es gibt da sicherlich eine Mehrheit, die die 96er aus der Ferne wahrnehmen sehen nur: mausgraues Mittelfeld. Mit diesem Buch möchten wir auch genau ihnen Lust machen, einmal genauer hin zu sehen. Hannover 96 hat mehr zu bieten, als es zunächst den Anschein hat. Vom Torjäger bis zum Startrainer, von der Deutschen Meisterschaft bis zum DFB-Pokal, von schrägen Vögeln und Jahrhundert-Talenten aus den eigenen Nachwuchsreihen, von Skandalnudeln bis hin zu Vereinspleiten – die Geschichte von Hannover 96 hält jede Menge Geschichten bereit.

Spitzmarke:
Der deutsche Rekordmeister Hannover 96
Spricht man über Meistertitel fallen meistens die Namen Bayern München, 1. FC Nürnberg, Schalke 04 oder Dortmund. Die Hannoveraner Meisterschaften scheinen vergessen. Dabei ist Hannover 96 der Deutsche Rekordmeister! »Bitte?«, wird jetzt selbst Fußballexperte Udo Lattek im Sport1-Doppelpass fragen. »Was habt ihr denn getrunken?« Viel Lüttje Lage, Herri und Gilde, stimmt. Aber das ändert nichts an den Tatsachen.

Erscheinungsdatum: 01.08.2013, bereits jetzt vorbestellbar

Obsoleszenz ist sexy

Ich bringe Horst eine Tüte Biotomaten aus der Gemüsekiste vorbei. Raucher brauchen Vitamine. Aber Horst gibt seine Hartz-4-Gage lieber für süffiges Herrenhäuser als für Gemüse und Obst aus. Kann ich verstehen, muss halt Prioritäten setzen.




Mein Nachbar hockt vor seinem Laptop und starrt auf die Benutzeroberfläche von Windows 98. In seiner rechten ist seine Roth-Händle-Zigarette zur Aschesäule verglüht. Neben seinem IKEA-Tisch vom Sperrmüll lungern 5 halb gefüllte Bierflaschen. Seltsam, normalerweise lässt Horst keinen Schluck vom Göttertrunk verkommen.



»Moin, Horst. Geht’s dir gut?«

»Du stellst Fragen wie ein gehirnamputierter Idiot, Bresser. Wie sollte es mir gutgehen? Du siehst doch, was ich mache!«

Ich überlege, habe aber keine Idee.

»Mensch, ich warte auf die Obsoleszenz. Das müsste selbst einem Dämlack wie dir einleuchten.«

»Die was?«

»Beziehst du deine nur aus dem Proletariatsfernsehen? O B S O L E S Z E N Z. Frag deinen Sohn, der weiß garantiert, was das bedeutet: Die Lebensdauer von Produkten wird durch bei der Herstellung eingebaute Fehler künstlich verkürzt. Ich habe gelesen, dass mein Laptop 15 Jahre alt wird. In 5 Minuten dürfte es sich von dieser Welt verabschieden.«

»Schweinerei, davon habe ich auch gehört. So zwingen dich Unternehmen, die neusten Produkte zu kaufen.«

Horst blickt mich erstaunt an. »Ich finde es klasse. Mein Fallmanager hilft mir, ein neues Gerät zu beantragen, wenn der Ömmes hier den Geist aufgibt. Irgendwomit muss ich ja Eingaben und Bewerbungsschreiben verfassen.«

»Aber so wird doch ein künstlicher Bedarf geschaffen. Die Leute kaufen mehr, es entsteht mehr Abfall, nachhaltig ist das nicht.«

»Papperlapapp. Du verstehst einfach nichts von Wirtschaft, Bresser. Wenn ich etwas Neues bekomme, explodieren meine Endorphine. Alles gut. Wenn ich nach 15 Jahren einen neuen Rechner besorgen muss, nutze ich den alten nachhaltig. Aufgeschraubt wird er mir gute Dienste als Aschenbecher oder Zeitungshalter leisten. Sei mal ein wenig kreativ.«

Horst schaut auf die Uhr.



»Mist. Alles funktioniert. Wieder keinen neuen Rechner.« Er steckt sich eine frische Roth-Händle an.

»Tut mir Leid. Da war dein Computerhersteller besser als sein Ruf. Vielleicht ist diese Obsoleszenz auch nur eine Zeitungsente.«

In diesem Augenblick kracht die Lampe von der Decke. Horst blickt verwirrt wie ein Hamster auf LSD. Dann schnappt er sich sein Notizbuch und blättert wild darin herum.



»Dreck. Ich habe die Daten verwechselt. Mein blöder Rechner hält noch weitere 15 Jahre. Die Lampe, die meine Mutter vor vierzig Jahre gekauft hat, sollte heute ihren Geist aufgeben. Die hätte ich gerne noch länger behalten.«

»Du kannst sie dir immerhin am Kabel als Kette um den Hals hängen.«

»Spar dir deinen albernen Sarkasmus, Bresser.«

»Immerhin halte deine wenigen Besitztümer«, versuche ich, Horst zu trösten.

»Dafür unternehme ich auch jede Menge. Tag für Tag konserviere ich mein Eigentum mit Tabakrauch. Deshalb funzt alles bis in die Ewigkeit. Eigentlich bin ich Nichtraucher.«

»Im Ernst?«

»Ich bin auch nicht arbeitslos. Bresser, und du glaubst noch an den Weihnachtsmann. Prost.«

Montag, Mai 27, 2013

150 Jahre SPD - Oh weh

Horsts Wohnungstür war für mehrere Tage verschlossen. Heute dringt aber wieder ätzender Qualm durch die Türfuge. Ich bin beruhigt. Mein Nachbar hockt auf dem Sofa, um den Hals einen Hannover-96-Schal.


»Moin, Horst. Ich habe mir Sorgen gemacht. Wo warst du?«



Horst legt seine Roth-Händle auf den überquellenden Ascher.

»Habe Geburtstag gefeiert und die Puppen tanzen lassen«, krächzt er. »Meine Stimmbänder sind immer noch ramponiert.«

»Herzlichen Glückwunsch. Leider habe ich kein Geschenk dabei. Wird aber nachgereicht.«

»Doch nicht ich. Die SPD ist 150 geworden. Liest du eigentlich keine Zeitung?« Er winkt mit der aktuellen BILD.

»Was machst du denn auf dem Sozigeburtstag. Ich wusste gar nicht, dass du Parteimitglied bist.«



»Bist du bekloppt? Mein Fallmanager ist Mitglied. Der konnte nicht teilnehmen und hat mir seine Karte geschenkt. Ich solle mal sehen, dass die Roten nicht nur aus Agenda-2010-Darth-Vaders bestehen. Richtig nette Menschen hat er mir versprochen.«

»Und?«

»Ich bin mir nicht sicher, ob die nett sind. Und Menschen?« Horst öffnet ein Herri. »Die sahen schon seltsam aus. Habe mich in die erste Reihe zwischen Steinbrück und Gabriel gesetzt. Da kam so ein Muttchen angetapert. Frisur aus den 50ern, Klamotten aus den 70ern und eine freudlose Miene, als hätte Männe kein Mammut erjagt. Die wollte wirklich meinen Platz. Sehr unhöflich.«

»Horst, das war Frau Merkel, unsere Bundeskanzlerin.«



»Bresser, du spinnst.« Horst zeigt mir einen Vogel. »Ich mag zwar ungebildet sein, aber verscheißern lass ich mich nicht. Die Merkel ist doch nicht in der SPD! Obwohl das eigentlich auch egal ist. Einen großen Unterschied entdecke ich zwischen diesen seltsamen Parteien nicht.«

»Die Merkel war als Ehrengast eingeladen. Habt ihr trotzdem schön gefeiert?«

»Sachen gibt es, die gibt es gar nicht. Doch war nett. Wir haben die Internationale; Brüder zur Sonne, zur Freiheit und Wann wir schreiten Seit‘ an Seit‘ geträllert. Die Merkel am Lautesten.«

»Ich bin entsetzt. Merkel steht für ein Deutschland des Stillstands, für die Verarmung des Mittelstands; die Frau geht doch gar nicht.«



Horst schüttelt den Kopf und raucht seine Zigarette bis auf einen mikroskopisch kleinen Stummel runter.

»Du schnallst gar nichts, Bresser. Ich habe mit der Frau Sekt schlürft und Austen verschnuckert. Die hat für alles Verständnis. Sie wollte mir sogar einen Job verschaffen. Praktikant im Bundestag. 3,50 am Tag. Und sogar die Chance auf einen Anschlussvertrag. Geil, wa? Ich darf sogar den Koks von den Toiletten wegschnüffeln. Siggi und Per haben zugestimmt. Das sind jetzt meine Buddies. Wenn du einmal zusammen besoffen in der Ecke gelegen hast, verbindet das. So geht Politik, Bresser.«

»Willst du wirklich nach Berlin gehen?«, frage ich leicht enttäuscht. »Du liebst doch Hannover.«



»Bist du bekloppt. So besoffen kann ich gar nicht sein, dass ich für 3.50 Euro am Tag malochen gehe. Da würde ich doch den Staat abzocken. Das könnte ich mit meinem Gewissen nicht vereinbaren. Per und Angie waren traurig, Siggi hat es emotionslos aufgenommen. Ich glaube, der will den Koks von den Bundestagstoiletten allein für sich haben. Soll er. Muss ja nicht leben, wie ein Hund.«

»Sind das jetzt deine neuen Freunde? Dann brauchst du mich ja nicht mehr.« Ich merke, dass ich eifersüchtig bin.



»Wir waren nie Freunde, sind keine Freunde und werden nie welche sein, Bresser. Du bist mein Nachbar. Schlimm genug. Die Angie, Siggi und Per sind Marionetten des Großkapitals. Meine einzigen Freunde sind Herri und Roth-Händle. Auf die kann ich mich immer verlassen. Prost.«

Donnerstag, Mai 23, 2013

Ein Hoch auf die Frauenquote

Als ich zu Horsts Wohnung hochstiefele, begegne ich dem Getränkelieferanten, der einen Hubwagen mit 3 Kisten Herri die Treppen hochzieht. Eine Tagesration. Auf einmal öffnet sich Horsts Tür. Mein Nachbar reißt dem Boten die Karre aus der Hand, lädt die Kisten ab und brüllt ihn an:


»Damit eins klar: Beim nächsten Mal schickt ihr eine Frau, Machoschweine!«



Er quittiert dem verstörten Jungen widerwillig den Empfang.

Ich helfe ihm, das flüssige Gold in die Wohnung zu tragen.

»Was war denn das gerade?«, frage ich Horst, nachdem alles verstaut ist.

»Ich bin fuchtig. Die CDU will eine Frauenquote erst ab 2020 einführen, sagt die BILD. Und dass auch nur, weil Uschi aufgemuckt hat. Sauerei. Und das unter einer Kanzlerin.«



»Du kennst doch die Politik. Die SPD ist nicht sozial, die CDU nicht christlich, die Grünen wollen Windräder nur, solange sie nicht in Nähe der eigenen Kommune stehen.«

Horst zündet sich eine Roth-Händle an und hüllt den Raum in dichte Qualmschwaden.

»Dein Pessimismus wellt meine Fußnägel, Bresser. Einfach zum Kotzen. Die Uschi ist die Vorzeigefrau. Jettet in der Welt rum, pflegt ihren dementen Vater, betreut in Vollzeit ihre sechs Kindchen und setzt sich gegen den Fraktionszwang für Frauen ein. Wenn das keine Christin ist, war Jesus auch keiner.«



»Die lässt ihre Kinder doch von Staatssekretaren bekuscheln. Wie soll jemand dieses Pensum sonst schaffen. Lass dich doch nicht von jeder dahergelaufenen Politikschnalle bezirzen. Die lügt doch, wenn sie den Mund aufmacht.«

»Diese böswilligen Verallgemeinerungen stehen dir nicht, Bresser.« Horst öffnet ein Bier. »Warum sollen Menschen nicht das Unmögliche schaffen? Eine enge Weltsicht, du Kleingeist. Sie hat gekämpft wie eine Löwin.«

»Und du meinst, Frauen fühlen sich beim Bierkästen schleppen benachteiligt?«



Horst grinst verschmitzt. »Nö. Aber vielleicht lerne ich so eine nette Frau kennen. Eine Frau mit Affinität zum Bier wünsche ich mir von ganzem Herzen. Trinkt Röschen von der Leyen eigentlich Herri?«

Dienstag, Mai 21, 2013

Tomaten für den European Song Contest

Meine bessere Hälfte schickt mich zu Horst. Ich soll ihm Tomaten vorbeibringen. Ich merke vorsichtig an, dass unser Nachbar keine besondere Begeisterung für Gemüsegeschenke zeigt. Ihm scheint eine Ernährung aus Bier und Zigaretten auszureichen.


»Du kaust doch nur die gängigen Klischees über Hartz-4-Empfänger wieder. Von dir erwarte ich mehr Weitblick.«

Wie immer hat sie recht.

Missmutig tapere ich die 12 Treppenstufen nach oben. Horst sitzt zusammengesunken auf dem Sofa. Über den Augen trägt er eine Migränemaske, im Mund steckt eine dampfende Roth-Händle.

»Moin, Horst. Alles gut bei dir?«, frage ich doch etwas besorgt.



»Ich bin fix und fertig. Mein Fallmanager hat mir geraten, den European Song Contest anzuschauen. Ich sei doch kulturell interessiert. Wenn ich trainieren würde, könnte ich dort nächstes Jahr auftreten und wäre wieder erwerbstätig.«

»Die verlangen viel von dir. Der Grand Prix ist nichts für zart besaitete Gemüter. Besonders der rumänische Beitrag: Ein als Dracula kostümierter Opernsänger schrillt in einer Blutdekoration, dass die Trommelfelle vibrieren. Schön ist anders.«

Horst zieht sich die Maske vom Kopf.



»Du hast wieder mal gar nichts kapiert, Bresser. Das ist große europäische Kunst. Einzeln vielleicht Schrott, insgesamt eine Revolution. Jedes Land hat seinen Müll nach Malmö geschickt. Kann Mensch besser den europäischen Gedanken von 2013 leben? Hier waren die Griechen sogar um Welten besser als die deutsche Diskotussi. Europa holt auf, wir bauen ab.«



»Es gibt Verschwörungstheorien, dass Europa uns wegen Merkels Spardiktat nur 18 magere Punkte gegeben hat.«

»Wenn die wirklich Muddi hätten abstrafen wollen, hätten sie diese Cascada von 15 debilen Ballettspacken umtanzen lassen, die ihr Pyros ins Dekolleté geschmuggelt hätten. Ich habe den Eindruck, dass sie eher was gegen die Belgier hatten. Die Hupfdohlen haben den Jungen doch ganz wuschig gemacht. Du musst außerdem nicht jeden Scheiß glauben, den die deutsche Verdummungspresse schreibt. Apropos, hast du mir eine BILD mitgebracht?«

»Vergessen. Möchtest du Tomaten?«

Horst öffnet sich ein Herri.



»Gib her. Kann nicht schaden.«

Das freut mich wirklich.

»Ernährst du dich jetzt doch gesünder? Eine weise Entscheidung.«

»Ich frage mich wirklich, wie du mit so wenig Intelligenz durchs Leben gekommen bist, Bresser. Den Schweinskram esse ich doch nicht, den hebe ich für den ESC im nächsten Jahr auf.«



»Willst du damit die Interpreten beschmeißen? Gewalt ist keine Lösung!«

»Quatsch, ich trete als Sänger auf. Ich bin das typische Produkt von Merkeldeutschland: Hässlich, untalentiert und verarmt, dabei aber sexy wie Schmitz Katze. Wenn das nicht funzt, sollen mich die Dänen ruhig mit deinen Tomaten bewerfen.«

»Und warum bist du so fertig, wenn alles prima ist?«

Horst zündet sich an der alten Roth-Händle eine neue an.

»Ist doch klar, du Vollpfosten. Weil ich ein ganzes Jahr warten muss, bis ich mich Europa präsentiere. Bis dahin vernichte ich genügend Bier, um die rumänische Konkurrenz ohne seelischen Schaden zu überstehen. Prost.«

Donnerstag, Mai 16, 2013

Horst bewirbt sich bei Germany's next Top Model

Als ich das Treppenhaus betrete, stolziert Horst die Stufen runter. Auf dem Kopf balanciert er ein Buch, in der rechten Hand die obligatorische Roth-Händle, in der linken ein Herri. Seine Füße stecken in High Heels. Er trällert krumm und schief »Weil ich ein Mädchen bin«.


»Moin, Horst. Bist du es wirklich?«

Horst erschrickt, stolpert und lässt die Bierflasche fallen. Er kullert drei Stufen runter, ehe ich ihn auffange.

»Du, Idiot. Siehst du nicht, dass ich arbeite? Wie komme ich jetzt an ein neues Bier?«



Schuldbewusst hole ich eine volle Flasche aus unserer Wohnung.

»Wurde auch Zeit«, grummelt Horst.

»Jetzt erkläre mir deinen Aufzug.«

»Die ARGE behauptet, der Zug wäre für mich abgefahren. Heute müsste man für einen Job nicht mehr eine Ausbildung haben oder studieren. Ich sollte meine Personality developen und Character zeigen. Am besten in mehreren Facetten.«

»Ich verstehe kein Wort«, gebe ich zu.



»Bresser, du Vollpfosten. Es kommt heute aufs Gesamtpaket an. Du kritzelst deine Bücher zusammen, und kümmerst dich keinen Deut um dein Styling. Du bist out.«

»Aber du trägst den selben Jogginganzug wie immer.« Ich bin ein wenig ratlos.

»Wen stört es? Dafür bewege ich mich sexy.« Horst wackelt mit dem Hintern. Das ist nicht schön.



»Die meisten Jobs werden heute durch Casting-Shows vermittelt. Mein Fallmanager hat gute Beziehungen zu Heidi Klum. Wenn ich reinklotze und elegant den Catwalk laufe, werde ich vielleicht Germany’s next Top-Model. Dann reise ich durch die Welt, trinke Schampus und verputze Rohkost.«

»Aber Bier ist dann auch verboten. Du musst schließlich auf deine Linie achten.«



»Kein Bier?« Horst wird nachdenklich. »Dann gehe ich zu DSDS oder Voice of Germany. Die Kandidaten dürften wenigstens im Flugzeug kopulieren, sagt die BILD. Das sind zwar auch prekäre Beschäftigungsverhältnisse, immerhin bin ich dann Z-Promi.

»Bist du doch jetzt schon. Aber um im Proletariat-TV Erfolg zu haben, müsstest du eine rührselige Lebensgeschichte vorweisen: Krebskranke Mutter, Drogensucht, Großvater mit Hämorriden.«



Während Horst sein Herri leert, überlegt er.

»Kann ich nicht. Mir geht es einfach viel zu gut. Kannst du mir nicht eine schlimme Geschichte erfinden, damit ich in diese seltsame Welt passe?«

Mittwoch, Mai 15, 2013

Unser Sohn träumt davon, Versicherungskaufmann zu werden :-(

Schnack beim Abendessen:

Marten: Ich habe meine Ziele geändert. Ich sitze später mit Krawatte in einer Versicherung und korrigiere Schadensakten.
Michael: Wieso denn das? Du wolltest Unternehmen gründen, die Welt erobern, als Survival-Spezialist die Menschen erstaunen. Wieso Versicherungskaufmann?????

Marten: Mein Lehrer hat gesagt, kein Kind würde später das, was es sich heute vorstellt. Er wollte Lokführer werden, ist dann aber Lehrer geworden, weil er da weniger zu tun hat.
Michael: Aber gib doch nicht mit 9 schon deine Träume auf! Die ganze Welt steht dir offen.

Marten: Michael, du verstehst mal wieder gar nichts. Wenn ich träume, Lokführer zu werden, arbeite ich später bei der Versicherung. Wenn ich jetzt plane, bei der Versicherung zu ackern, werde ich später Lokführer oder führe ein Eisenbahnunternehmen. Niemand wird das, was er sich als Kind erträumt. So werden meine Ziele ganz einfach Realität.

Montag, Mai 13, 2013

Schweizer Steuermodelle

Als ich nach Hause komme, hängt aus dem Fenster im 3. Stock ein Bierkasten an der Fassade. Aus der Wohnung dringt Rauch. Kein Grund zur Sorge. Das ist Horsts Wohnung. Trotzdem sehe ich nach dem Rechten.


Die Tür ist verschlossen. Als ich klingele, öffnet Horst. In seinen Augen entdecke ich Panik, aber vielleicht sehe ich Gespenster.



»Moin, Horst. Was ist los?«

»Die ARGE tickt aus, Bresser. Die glauben mir nicht mehr, dass ich mittellos bin. Ich kann jede Sekunde mit einer Kontrolle rechnen, hat mein Fallmanager gesagt. Und da werden alle Staubkörner in Geld bewertet. Auch im Ausland.«

»Wie kommen die darauf, dass du Vermögen gehortet hast?«

»Sippenhaft. Dieser Bayern-Präsi Hoeneß soll Hunderte von Millionen in der Schweiz gebunkert haben. Da verdächtigen Finanzamt und ARGE jetzt jeden. Mein Fallmanager vermutet, dass ich Bierkästen in der Schweiz versteckt habe. Dabei brauen die so schlechte Suppe, dass kein deutsches Bier dort sicher wäre.«

»Dass ausgerechnet der selbstgerechte Prediger der Nation Hoeneß Steuern hinterzieht, hat mich schon erstaunt. Aber bei diesem Bayerngesocks sollte man alles Schlechte zutrauen.«



»Wenn einer selbstgerecht ist, dann eine Schwatzbacke wie du, Bresser. Jeder macht irgendwann ein Fehlerchen. Ich verlege meine Kippen, Uli seine Millionen. Sind wir deshalb schlechte Menschen?«

»Sicherlich nicht. Aber Steuerhinterziehung im großen Stil ist kein Kavaliersdelikt. Mir ist es außerdem ein Rätsel, warum eine Privatperson hunderte Millionen auf der hohen Kante haben muss. Ich hätte bei dem Vermögen kein Problem, dem Staat einige Millionen abzugeben.«



»Du bist ein fantasieloser Trottel. Das ist Erotik pur. Der Hoeneß besitzt einen eigenen Geldspeicher, in dem er wie Dagobert Duck in seiner Kohle schwimmt. Das erregt ihn wie der Honig Winnie Pooh. Bei 5 Millionen weniger fällt der Sprung vom Drei-Meter-Brett härter aus. Ist doch logisch.«

»Du zeigst für alles Verständnis«, knurre ich.



»Auf so einen Blödsinn kann auch nur ein Intelligenzlegastheniker wie du kommen. Natürlich nicht. Ich habe kein Verständnis, dass Muddi extra für Uli ein Gesetz schaffen wollte, dass er straffrei ausgeht. Das ist ungerecht. Für Hartzer wie mich hätte das Gesetz nämlich nicht gegolten. Nur für Steueralzheimerpatienten.«

»Hast du etwa auch Gelder versteckt?«



Horst blickt mich verschwörerisch an. »Erzähl bloß keinem von meinen schwarzen Roth-Händle-Depots in Nicaragua. Nicht mal dem Uli.«

Mittwoch, Mai 08, 2013

Horst twittert für die Piraten

Als ich nachmittags nach Hause komme, steht Horst am Flurfenster und bläst Rauchkringel auf die Straße.


»Moin, Horst. Schnupperst du frische Luft?«

Horst hustet wie ein altersschwacher Traktor.

»Halt die Fresse, Bresser. Ich arbeite.«

Er bläst weitere Kringel in Richtung des Porschehändlers auf der gegenüberliegenden Straßenseite. Ich betrete unser Haus und stelle mich neben Horst.



»Nur mal für einfach strukturierte Menschen wie mich: Was arbeitest du denn gerade?«

»Du bist noch blöder, als du aussiehst. Ich tittere.«

»Pardon?«

»Tittern, Nachrichten mit höchstens 140 Zeichen in die Welt pusten. Du hast die Zeichen der Zeit verschlafen, Bresser. So kommuniziert der moderne Mensch heute.«

»Ich will nicht klugschnacken. Aber es heißt twittern und funktioniert übers Internet.«

»Von mir aus twittern. Aber die Geschichte mit dem Internet ist Tinnef. Du verschickst kurze Textnachrichten. Manche Leute digital übers Netz, ich analog per Rauchzeichen. So habe ich diesen Bernd Schlömer von der Piratenpartei verstanden.«

»Woher kennst du Schlömer?«



Horst steckt sich eine neue Zigarette an.

»Eine Empfehlung der ARGE. Ich will mich politisch betätigen. Mein Fallmanager meint, bei einer Idiotenpartei würde ich den geringsten Schaden anrichten. Damit hat er meinen Ehrgeiz geweckt. Dieser Ponader ist ein netter Arbeitskollege in der Hartzbranche. Der hat mit sofort die Nummer seines Kumpels Schlömer gegeben. Feiner Kerl, leider selbst für einen Hartzer etwas faul.«



»Ich persönlich finde die Piraten inakzeptabel. Julia Schramm verkündet, dass geistiges Eigentum ekelhaft sei, lässt ihr eigenes Buch aber nicht downloaden. Wasser predigen und Wein saufen.«

»Blödsinn, ich saufe nur Bier. Und recht hat die Schramm. Eigentum jedweder Art kotzt mich auch an. Willst du eine Roth-Händle? Meine Zigaretten sind deine.«

»Ich rauche nicht mehr.« Schon beim Gedanken an Horsts Peststumpen bekomme ich Atemnot.



»Dann kann ich nichts ändern. Die Zeit ist noch nicht reif für das Piratenprogramm. Vielleicht sollten wir darüber abstimmen, ob wir abstimmen sollen, über eine Strategieänderung abzustimmen.«

»Nett, dass du einfache Leute wie mich mit ins Piratenschiff holen willst.«

Horst schaut mich entsetzt an.



»Nichts liegt mir ferner, du Flachpfeife. Es reicht, dass du in meinem Haus lebst. Die Piraten sind die einzige Partei, die um des Abstimmens willen abstimmt. Ist das nicht fantastisch? So kommt nie Langeweile auf und jeder glaubt, dass sich irgendwas bewegt, ohne dass es einen Millimeter vorwärts geht. So kommt nie Langeweile auf.«

»Abstimmen nach Godot. Nein, danke. Dafür ist mir meine Zeit zu schade.«



Horst seufzt und holt eine Bierflasche aus der Seitentasche seiner Khakihose.

»Du raschelst wieder gar nichts, Bresser. Die meisten Politiker sind geltungssüchtig, korrupt oder schlichtweg dumm. Meistens in Kombination. Gefährlich! Die Piraten würden nie etwas Schlimmes anstellen, weil sie mit Abstimmen beschäftigt sind. Das ist die Zukunft unseres Landes: Altruismus durch bewegten Stillstand. Prost.«

Montag, Mai 06, 2013

Horst beim NSU-Prozess

Ich bringe Horst die BILD-Zeitung vom Kiosk. Als ich die Wohnungstür öffne, höre ich Horsts Stimme aus der Roth-Händle-Wolke.


»Du hast richtig gehört, du Spacken. Ich verkaufe mein Los nicht. Schreib dir das hinter die Ohren.«

Ein Handy aus der Anfangszeit des Mobilfunks fliegt gegen die Wand.

»Moin, Horst. Alles klar bei dir?«

Horst lässt sich aufs Sofa fallen.

»Ich bin fix und fertig, Bresser.« Er öffnet ein Herri und leert in einem Zug die halbe Flasche. »Das waren die Penner von der Süddeutschen. Ich solle meinen Gerichtsplatz beim NSU-Prozess abtreten. Der FAZ habe ich schon erzählt, wo der Bartel den Most holt.«

»Was hast du mit dem NSU-Prozess zu tun? Da wurden doch nur Plätze an Pressevertreter verlost.«

»Bin ich. Idee der ARGE. Ich könnte doch aufstocken. Da ich gute Eingaben verfasse, müsste ich auch eine Zeitung herausgeben können. Was tut man nicht alles für seinen Fallmanager. Ich publiziere ein Punk-Fanzine wie sie in den Neunzigern hip waren. Fuck the Fascho-System. Merk dir den Namen.«

»Wusste ich gar nicht«, bekenne ich.

»Ich arbeite seit 2 Jahren an der Erstausgabe. Gut Ding will Weile haben. Jedenfalls habe ich mich für einen Presseplatz beworben. Erweiter schließlich mein journalistisches Spektrum. Und gewonnen. Ist das nicht geil.«

Horsts Egoismus ist unbegreiflich. »Und was willst du der Presse aus Punksicht über Frau Zschäpe mitteilen?«

»Ich könnte natürlich über ihre Ideologie, Thor-Steinar-Klamotten und den üblen Musikgeschmack schnacken. Aber ich werde meinen Platz an einen türkischen Kollegen abgeben. Da bin ich solidarisch.«

»Nett von dir. Hätte ich einem Journalisten, der als Fachblatt ausschließlich die BILD konsumiert, gar nicht zugetraut.«

Horst steckt sich eine neue Zigarette an.

»Sarkasmus macht hässlich, Bresser. Um ehrlich zu sein: Ich hätte neben einer Kollegin von der Bäckerblume gesessen. Und das geht gar nicht. Die wollte nur über Plätzchen, Kümmelbrote und Laugenbrezeln berichten. Alles was Zschäpe so im Knast verputzt. Da steh ich überhaupt nicht drauf. Schließlich schuckere ich völlig antifaschistisch nur Weißbrot. Prost.«

Donnerstag, Mai 02, 2013

Oscar Lafontaines Leopardenfell

Ich bringe Horst Äpfel und Brot vorbei. Der Arme hat keine Zeit zum Einkaufen. Schließlich bereitet er seine Selbstständigkeit vor.
Die Nacktposter sind allerdings abgehängt, und der junge Bruce Springsteen strahlt wieder von der Wand. Zumindest kann ich das Leuchten seiner Augen unter der Dunstglocke schwarzen Tabaks erahnen.

»Moin, Horst. Hast du die Aktbilder in deine neuen Geschäftsräume am Mittellandkanal transportiert?«, frage ich neugierig.
»Dass FKK-Ressort hat sich erledigt. Lohnt sich nicht.«
»Du warst doch ganz begeistert. Was ist passiert?«
Horst öffnet sich ein Herri und leert die Flasche bis zur Hälfte.
»Ich bin jetzt informiert. Langsam hat es sich rumgesprochen, dass die Hartzer die Bundestagswahl entscheiden können. Schließlich gibt es viereinhalb Millionen von uns. Deshalb hat mich Oscar besucht. Ich wäre Hannovers bekanntester Langzeitarbeitsloser und sollte Stimmung für die Linken machen.«
»Was hat das mit deinem Geschäft zu tun?«

»Oscar hat mir abgeraten. Ich sei dann Kapitalist und Feind des Proletariats. Ich würde meine Angestellten ausbeuten, eine Betriebsratsbildung behindern und nach meinem Tod in einem heißeren Höllenkessel brutzeln als die KIK- und Amazoneigentümer. Als Hartz-4-Empfänger könnte ich mehr für die Menschheit erreichen.«
»Oscar ist doch auch Kapitalist. Ich sage nur Armani-Jeans.«
»Er hat gewusst, dass du das anführen würdest.«
»Woher kennt er meinen Namen? Ich habe ihn noch nie persönlich getroffen. Lege auch keinen Wert darauf.«
»Ich habe ihm gesagt, dass mein pessimistisches Arschloch von Nachbar ihn schlecht machen wird. Er kennt genug Deppen wie dich, meinte er. Die Designerreizwäsche für Sarah und das echte Leopardenfell vor dem Kamin sind übrigens Presselügen.«

»Wenn Oscar das sagt. In meiner Welt sind Unternehmen wichtig. Wer soll sonst dein Bier brauen, der Staat?«
»So weit seid ihr gar nicht auseinander. Oscar will auch freie Unternehmer. Und das Gute ist: Wenn die über den Hartz-4-Satz hinaus verdienen, zahlen sie Reichensteuer, die wiederum den Hartz-4-Empfängern zu Gute kommt. Finanziell stehe ich mich als Hartzer besser und tue Gutes, wenn ich ihn richtig verstanden habe.«

»Ich verstehe es nicht.«
»Ist auch egal. Hauptsache, du machst dein Kreuz an der richtigen Stelle. Oscar und Sarah richten es für dich.«
»Wählst du denn die Linken?«

»Bist du jetzt total bekloppt? Im Wahlbüro gibt es kein Bier; außerdem herrscht Rauchverbot. Ohne diese Stimulantien fehlt mir die Inspiration, meine Entscheidung noch zu überdenken. Die Yogisches-Schweben-Partei finde ich auch interessant.«
Ich verrate ihm nicht, dass man auch per Brief wählen kann, sondern stoße lieber mit ihm an.

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