Böse Stimmen bezeichnen ihn als Mischung aus Mario Barth und Mr. Bean. Mit Recht. Homepage:www.rockdasdorf.de
Mittwoch, Oktober 31, 2012
Bei Anruf Mord - Telefonanbieterwechsel leicht gemacht
Das 20. Jahrhundert hat uns viele segensreiche Erfindungen beschert: Das Internet, Antibiotika und Esspapier mit Erdbeergeschmack. Mir persönlich hat es das Internet besonders angetan. Seit es Breitband-DSL gibt, können Menschen mehrstündige Spielfilme in Sekundenschnelle aus dem Netz laden. Finde ich klasse. Das wollen wir auch. Und bei Janis können wir das günstiger als bei der Telekom. Zudem haben sie schnellere Leitungen und geben uns eine Geld-zurück-Garantie, sollten wir nicht zu 100% mit ihren Leistungen zufrieden sein. Heute wird unser Anschluss umgeschaltet. Ich freue mich wie ein Kind, das mit der Blechtrommel um den Weihnachtsbaum tanzt.
»Die Leitung ist tot«, sagt meine Frau. »Ich habe auch das Paket von Janis mit dem neuen Router geöffnet. Schon seltsam. Na, du weißt ja, was du tust.«
Sie drückt mir einen Karton in die Hand. Ich vergleiche den Inhalt mit dem Lieferschein. Die Geräte sind falsch, die Farbe ist falsch, selbst der Empfänger ist falsch. Das Paket ist für unsere Nachbarn.
Aber heute lasse ich mir die gute Laune nicht verderben. Ich nehme mein Handy und wähle die Servicenummer.
»Herzlich Willkommen bei Janis. Leider sind alle Mitarbeiter im Gespräch. Bitte haben Sie etwas Geduld. Wir verbinden Sie auf den nächsten freien Mitarbeiter.«
Dann ertönt entspannende Fahrstuhlmusik. James Lasts Version der Mondscheinsonate. Nur will ich mich nicht entspannen, ich will ein funktionierendes Telefon und eine DSL-Verbindung. Meine gute Laune flaut etwas ab.
Nach einem gefühlten Monat ertönt eine Computerstimme.
»Wenn Sie in Deutsch fortfahren wollen, drücken Sie die 1. Für Englisch die 2, für Türkisch…«
Ich hämmere wie wild auf die Eins. Danach erfolgt die Ansage in einer Sprache, die ich noch nie gehört habe. Deutsch ist es jedenfalls nicht. Der Kollege, der für unseren Telefonwechsel zuständig ist, scheint auch das System der Firma eingerichtet zu haben. Hätte ich mir denken können.
Ich lege auf. Beim nächsten Anruf erwische ich die deutsche Sprachführung. Gott sei Dank.
»Wenn Sie eine Bestellung aufgeben möchten, drücken Sie die 1. Wenn Sie Fragen zum Status ihrer Bestellung haben, drücken Sie die 2. Wenn Sie Fragen zum Unternehmen Janis haben, drücken Sie die 3. Drücken Sie jetzt.«
Was soll ich tun? Keine der Wahlmöglichkeiten verspricht Hilfe bei meinen Problemen. Ich lege auf und wähle erneut. Nach James Last und der richtigen Sprachwahl drücke ich die 4. »Sie werden mit dem nächsten freien Mitarbeiter verbunden.«
Endlich. »Bitte halten Sie die Lieferscheinnummer bereit.«
Mist. Ich spurte die zehn Meter zum Wohnzimmer, wo ich den Karton deponiert habe. Als ich mit dem Lieferschein in der Hand halte, tutet das Besetztzeichen aus dem Handy. Mir fällt ein, dass er mir sowieso nichts genutzt hätte, da die Geräte ja für die Nachbarn bestimmt waren.
Seltsamerweise komme ich bei der Bestellhotline sofort durch.
»Janis, Ihr kompetenter Kommunikationspartner. Mein Name ist Robert Hansen. Was kann ich für Sie tun?«
»Wenn Sie denken, dass ich Ihnen die Möglichkeit zur Nachbesserung gebe, drücken Sie die 1. Wenn Sie denken, dass ich sofort den Vertrag mit Ihrem Saftladen kündige, drücken Sie die 2. Wenn Sie denken, dass Sie sich den falschen Router umwickelt mit dem nicht verbundenen Telefonkabel in den Allerwertesten schieben können, drücken Sie die 3.«
»Was ist denn nun mit unserem Telefon?«, fragt meine Frau wenig später.
»Heute im Laufe des Tages läuft alles.«
»Dann ist ja gut.«
Hoffentlich stellt die Telekom nach meiner reuigen Kündigungszurücknahme die alte Verbindung so schnell wie versprochen wieder her. Ansonsten rufe ich die Service-Hotline an. Call-Center-Agenten fürchten mich.
Dienstag, Oktober 30, 2012
Bauchtanzen wie Imke aus Bielefeld
Gute Erziehung ist im Leben durchaus hilfreich: Wenn wir anderen Menschen zuhören, sie ausreden lassen und ihre Wünsche respektieren, machen wir die Welt zu einem besseren Ort. Es gibt aber auch Situationen, in denen mich meine anerzogene Höflichkeit zum Wahnsinn treibt.
Kairo. Hauptstadt Ägyptens, Residenz der Pharaonen und ihrer Grabstätten. In Kairo leben 8 Millionen Menschen, fahren 16 Millionen Autos und jagen 32 Millionen Straßenhändler kaufkräftige Touristen.
Ich verlasse das Davis-Hotel und wandere durch eine Palmenallee Richtung Novotel. Dort befindet sich ein Geldautomat. Eigentlich reichen zwanzig Euro, um ein halbes Jahr in Ägypten zu überleben, doch handgeknüpfte Teppiche, im Nildelta geschürfte Diamanten und in afrikanischen Feuern geschmiedete Wasserpfeifen schröpfen die Urlaubskasse. Doch jetzt ist Schluss mit dem Kaufrausch, schwöre ich. Ab jetzt gönne ich mir höchstens ein aus fünf Mangofrüchten gepresstes Glas Fruchtsaft für umgerechnet 8 Cent. Purer Luxus, den ich mir in Deutschland nicht leisten könnte. Allen Händlern zeige ich aber die kalte Schulter.
»English? Français, Allemande?«
Ein bärtiger Nordafrikaner in weißem Kaftan wandert neben mir. Unter dem Arm trägt er eine Papyrusrolle.
»Ich kaufe nichts.«
»Ah, du Deutschland. Ich habe Bruder dort. Ist Arzt. Schönes Land. Ich bin Yusuf.«
Es ist seltsam. Jeder Ägypter hat Verwandte in Deutschland. Bei einem Volk von achtzig Millionen müsste ich rein statistisch den einen oder anderen kennen. Tu ich aber nicht. Vielleicht wohnen die in eher dünn besiedelten Gegenden, der Uckermark oder dem Bayrischen Wald. In Hannover habe ich jedenfalls noch keinen Ägypter getroffen.
»Prima. Na, dann wünsche ich dir noch einen schönen Tag.«
»Ich habe Business. Tolle Ware. Möchtest du sehen?«
Möchte ich definitiv nicht. Was hat er schon, was ich nicht in den letzten Tagen tausend Mal gesehen habe. Aber wie sage ich es Yusuf, ohne ihn vor den Kopf zu stoßen.
»Ich habe heute keine Zeit. Bin im Novotel verabredet.«
Vor dem Hotel verabschieden wir uns. Ich verspreche ihm hoch und heilig heute Abend oder morgen bei ihm vorbeizuschauen. Äußerlich heuchele ich Trauer, innerlich feixe ich. Yusuf hat keine Handynummer von mir, ich habe keine Adresse. Das Projekt Ladenbesichtigung hat sich auf elegante Weise erledigt.
Ich verschwinde im Novotel und hebe ein paar hundert ägyptische Pfund ab. Dann verlasse ich das Hotel und will zu einem nahen Internetcafé, wo ich mit meinem Kumpel Lukas verabredet bin. Als ich gut gelaunt Richtung Straße schlendere, bemerke ich auf einer Bank vor dem Hotel eine weiß gekleidete Gestalt. Yusuf. Der Hund hat einfach auf mich gewartet. Am meisten ärgere ich mich über die eigene Naivität. Einen ägyptischen Vollblutverkäufer wirst du nicht mit einer lahmen Ausrede los. Ich beschleunige meinen Schritt. Yusuf läuft zwanzig Meter neben mir. Er tut, als würde er mich nicht sehen. So ein Heuchler.
Vor mir türmt sich eine unüberwindbare Hürde auf: Ein Kreisverkehr mit acht abgehenden Straßen. Um mein Problem zu verstehen, muss Mensch das ägyptische Verkehrssystem kennen. Es gibt mehr Regeln als in der deutschen Straßenverkehrsordnung. Das kleine Problem: Niemand hält sich daran. Der Ägypter setzt sich in sein Auto und brettert einfach los. Rote Ampeln interessieren ihn nicht, Fußgänger ebenso wenig. Bietet sich auf den verstopften Straßen nur die kleinste Lücke, versuchen acht Autos gleichzeitig, diese zu füllen. Als Fußgänger fühlst du dich wie in einem Live-Playstation-Spiel.
Ich nutze eine kurz Unterbrechung der Blechlawine und spurte über auf die Insel in der Kreuzungsmitte. Im Augenwinkel sehe ich, dass Yusuf mir gemächlich folgt. Er schreitet seelenruhig durch die hupenden Autos wie Jesus über den See Genezareth.
»Mein Freund, du hier?« Er stürmt auf mich zu, als wären wir seit dem letzten Weltkrieg getrennte Freunde.
»Willst du jetzt mein Business besuchen?« Er drückt mir Küsse auf die linke und rechte Wange. Nein, will ich nicht. Aber andererseits habe ich es ihm versprochen. Versprechen muss Mensch halten, haben mir meine Eltern beigebracht. Während ich noch überlege, ob diese Regel auch gegenüber Ägyptern gilt, wandere ich bereits neben Yusuf über eine weitere Straße. Dann biegt er in eine Einfahrt, und durch einen Hinterhof gelangen wir in sein Geschäft. Er verkauft Sphinx-Portraits, Ringe und Alabasterkrüge. Wie jedes andere Geschäft in Kairo auch.
»Du willst Tee?«, fragt er.
Eigentlich nicht.
»Ich habe wenig Zeit«, behaupte ich.
»Wenn du Tee nicht trinkst, du beleidigst mich.«
Gut, das will ich auch nicht. Yusuf ruft etwas auf Arabisch aus dem Fenster. Scheint sich um eine Art Tee-Drive-In zu handeln.
»Du trinkst mein Tee, du bist mein Freund.« Er klopft mir strahlend auf die Schulter.
Soweit würde ich nicht gehen. In Deutschland ist auch nicht jeder mein Freund, der mir ein Bier ausschenkt. Aber ich fürchte, es ist zwecklos, ihm diesen Gedanken näherzubringen.
»Du willst kaufen?« Er breitet die Arme in Richtung seiner Waren aus.
»Ich nix kaufen«, bleibe ich hart. Ich halte mich eisern an meine Vorsätze. Das ist eine meiner großen Stärken.
»Ich habe sechs Kinder.« Er holt ein Foto aus einer Schublade, auf dem 6 in Lumpen gekleidete Orgelpfeifen in die Linse starren. Das rührt jetzt doch mein Herz. Mir fällt ein, dass ich kein Mitbringsel für meine Mutter besorgt habe. Ich deute auf ein filigran gearbeitetes Holzkästchen, das ich bereits bei 3 anderen Händlern gesehen habe.
»Das würde mir schon gefallen. Wie viel?«
Yusuf überlegt. Dieses Kästchen sei besonders wertvoll. Schließlich sei es ein Erbstück seiner Frau.
»200 Pfund.«
Bitte. Das Teil sollte gestern bei Yusufs Kollegen 20 Pfund kosten.
»5«
»Du willst mich beleidigen. Wir sind doch Freunde.«
Ich schweige.
»180. Letztes Wort.« Er wickelt das Kästchen in weißes Papier und stellt es vor mich hin.
»10. Letztes Wort.«
»180. Du nimmst mit.«
»Ich will eigentlich gar nichts kaufen.«
Ich erhebe mich, doch Yusuf hält mich zurück.
»Du kannst nicht gehen. Noch nicht Tee getrunken.«
Er hat recht. Jetzt hat er extra wegen mir Getränke geordert. Beleidigen will ich ihn nicht.
»Du musst kaufen. Alle Kunden sind zufrieden.«
Er legt mir einen Brief von Imke aus Bielefeld vor. Sie liebt Yusufs Bauchtanzkostüm heiß und innig.
»Ich tanze nicht Bauch.«
»Du musst kaufen. Imke sehr zufrieden. 170!«
»Nein.« Wir sitzen uns gegenüber und starren uns finster an. Dicke Luft.
Ein Junge bringt ein Teeglas und stellt es vor mich hin.
Ich stürze den Tee hinunter, will nur noch raus. Kaum hat der letzte Schluck meine Kehle durchflossen, erhebe ich mich.
»Hundert Pfund. Meine Kinder müssen essen.« Er quetscht sich wirklich eine Träne aus dem Auge. Mist, ich will kein Unmensch sein und lege ihm das Geld auf den Tisch.
»Du hast gutes Geschäft gemacht.«
Als ich mich mit meinem Kästchen wieder auf der Straße befinde, fühle ich mich trotzdem schlecht. Obwohl ich nur wenig mehr als 12 Euro bezahlt habe, fühle ich mich über den Tisch gezogen. Aber was soll’s. Ich hake es als Erfahrung ab.
»Du Deutsch?« Ein älterer Araber läuft neben mir. »Ich habe Onkel in Berlin. Du willst kaufen gut Papyrus?«
Ehe ich mich versehe, zieht er mich in seinen Laden. Gut, dass ich Prinzipien habe.
Montag, Oktober 29, 2012
Chaostheorie und Mauerfall
Ich war immer ein passabler Schüler. Nur Physik begriff ich nie.
Bis zum 09.11.1989. An diesem Tag furzte Dr. Stachinski so laut, dass der Physiksaal bebte. Am nächsten Tag fiel die Berliner Mauer, und ich kapierte die Chaostheorie.
Freitag, Oktober 19, 2012
Schönen Tag noch
Ich muss mir einen Job suchen. Zum einen brauche ich neues Futter für Geschichten, zum anderen schreit das Bankkonto nach Auffrischung. Aber was? Von meinem BWL-Studium erinnere ich mich nur an die Semesterfeten, Journalisten haben wenig attraktive Arbeitszeiten, und für Weihnachtsmänner ist jetzt keine Saison… Halt, ich weiß was ich mache. Ich helfe vom Leben benachteiligten Menschen. Vielleicht im Seniorenheim oder bei der Obdachlosenhilfe. Die brauchen immer helfende Hände. Ich arbeite nachhaltig und fülle mein Portemonnaie. Ein gutes Konzept.
Die Altenheime brauchen mich nicht, stelle ich nach zwanzig Absagen fest. Zumindest nicht für Bezahlung. Aber der Elektronikriese Jupiter in Hannover- Mühlenberg braucht einen stressresistenten Mitarbeiter im Servicebereich, der defekte Geräte tauscht oder dem Hersteller zur Reparatur zurückschickt. Kein Problem.
Ich scheue mich auch nicht in Mühlenberg zu arbeiten. Dieses Viertel ist so verrufen, dass selbst die Polizeihunde schusssichere Westen tragen müssen. Ein Bürgermeister Hannovers bot es der 30 Kilometer entfernten Stadt Hildesheim an. Als Zugabe eine halbe Million für das leere Stadtsäckel. Das Hildesheimer Stadtoberhaupt verklagte seinen Hannoveraner Kollegen wegen Beleidigung. In den Kindergärten dieser wenig freundlichen Ecke werden die Kiddies in jedem Raum auf das bestehende Alkoholverbot hingewiesen. Doch die Marwins und Justins, die den Metalldetektor passieren können, trinken meistens nicht. Besoffen zielt es sich schlecht. Ich habe wie gesagt keine Berührungsängste. Das sind auch Menschen, leuchtende Lichtwesen auf ihrem Weg durch die Ewigkeit, wie ein Esoterikschmöker meinte.
Serviceleiter Metzger, ein rundlicher Gemütsmensch, gibt mir morgens einen halbstündigen Crashkus in Garantie und Gewährleistung. »Und immer schön freundlich bleiben. Sie sind der Repräsentant von Jupiter, der den Kunden im Gedächtnis bleibt. Gleichzeitig zeigen Sie sich bestimmt in der Sache. Orientieren Sie sich einfach an dem Kollegen Arno, unser Betriebsfaktotum. Der arbeitet seit 10 Jahren im Service und kennt das Thema aus dem Effeff.«
Die Serviceabteilung des Marktes befindet sich im Keller und ist nur über eine schmale Treppe erreichbar. Ich tapere durch schummrig beleuchtete Gänge mit schimmeligen Wänden. Einige Ratten huschen durch die Katakomben. Mein Gott, ich würde freiwillig auf die Reparatur meines DVD-Players verzichten, um dieses Verließ zu vermeiden. Vielleicht war dieser Servicejob doch nicht meine beste Idee.
In einer tristen, mit grellem Neonlicht ausgestrahlten Halle befinden sich zwei Pulte. An einem steht ein hagerer Typ im rot-blauen Marktoutfit. Die blonden Haare fallen auf die Stirn. Im rechten Ohr klemmen fünf Goldringe.
»Ich bin Arno. Willkommen im Kundenparadies. Wenn du Probleme hast, helfe ich gerne.«
Ein netter Kerl. Und einen guten Kollegen brauche ich auch. Ab 9 Uhr sehen wir uns zwei gefühlt 20 Meter langen Kundenschlagen gegenüber. Wirklich erstaunlich, dass sich so viele Menschen in einem ungemütlichen Ambiente einer wahrscheinlich stundenlagen Wartezeit aussetzen.
Mein erster Kunde. Ich freue mich wie ein Kind an Weihnachten, diesen Menschen glücklich zu machen.
»Hier.« Der schnauzbärtige Joggingsanzugträger haut mir einen schmuddeligen Karton auf die Theke.
»Einen wunderschönen Tag. Willkommen bei Jupiter. Was haben wir denn da?«
Er antwortet nicht, starrt mich nur finster an. Also öffne ich selber den Karton.
»Eine Kaffeemaschine. Mhm, meine Oma hatte das gleiche Modell. Haben Sie einen Bon?«
»Geh mir weg mit Bon. Umtauschen!«
Freundlichkeit wird siegen. Ich schicke mental Liebe zu dem Jogginganzugträger.
»Ohne einen gültigen Kaufbeleg kann ich die Kaffeemaschine weder reparieren lassen noch umtauschen. Ohne Ihnen zu nahe treten zu wollen, mir scheint das Modell doch etwas antik zu sein. Gewährleistung und Garantie gelten höchstens zwei Jahre.«
»Umtauschen!« Er drängt seinen massiven Körper ans Pult. Seine klobigen Hände wirken verkrampft.
»Pass mal auf du verfluchter Schisser. Pack deine verfickte Kaffeemaschine ein und verpiss dich. Ich will deine hässliche Fresse nie wieder in unserem Laden sehen. Hast du mich verstanden, oder muss ich dir in den Arsch treten, bis dir deine verdreckten Zähne aus dem Maul fallen.«
Arno hat eine deutliche Kundenansprache, stelle ich erstaunt fest. Der Jogginganzug packt wirklich seinen Karton unter den Arm. »Nichts für ungut. Schönen Tag noch«, nuschelt er. Ich könnte sowas nicht. Ich will sowas auch nicht. Auch wenn wir eine kleine Meinungsverschiedenheit hatten, ist der Jogginganzugstyp ein Mensch, dem ich Respekt entgegenbringe. Arno klopft mir auf die Schulter.
»Beim nächsten Kunden läuft es besser.« Er zwinkert mir zu.
Der nächste Kunde ist eine Dame Mitte Fünfzig mit hochgesteckten Haaren.
»Ihr Staubsauger saugt nicht.« Sie legt den Bon auf die Theke.
Ich probiere das Gerät aus, saugt wirklich nicht.
»Stimmt. Wir müssten es zur Reparatur schicken.«
»Das macht mich ganz fertig.«
»Dann schau ich mal, ob ich das Gerät umtauschen kann.«
»Aber rasch. Ich habe schon Depressionen.« Obwohl ich mir alle Mühe gebe, wirkt sie leicht aggressiv.
»Wissen Sie wer ein Recht auf Depressionen hat? Kinder in der dritten Welt, die von einer Hand voll Reis am Tag leben müssen. Ein bekloppter Staubsauger ist kein Grund für Depressionen. Hier.« Arno öffnet den Staubsauer und schüttelt einen Haufen Dreck auf den Betonboden. »Schon mal was von einer grandiosen Erfindung namens Müllbeutel gehört. Nehmen Sie Modell H23B F aus unserer Haushaltswarenabteilung. Der Sauger ist vollkommen in Ordnung. Auf Nimmerwiedersehen.«
Die Dame murmelt etwas von Frechheiten und Beschwerden bei der Konzernleitung, dackelt aber los.
»Wie hältst du das nur seit 10 Jahren aus?«, frage ich Arno. »Treibst du Sport zum Ausgleich?«
»Micha, ich arbeite von morgens bis abends. Dann gehe ich nach Hause, setze mich aufs Sofa und warte auf den Tod.« Arno lacht. »Wenn du den Leuten nicht Paroli bietest, bist du nach einem Tag ein seelisches Wrack. Und es nimmt dir keiner übel. Die wollen sich über uns aufregen. Können sie kriegen. Arbeite an deiner Einstellung, Junge.«
Vielleicht hat er recht. Der nächste Kunde nähert sich. Ein schneidiger Mann in meinem Alter. Er trägt einen grauen Anzug, in dem er bestimmt schon zur Welt gekommen ist. Arno gibt mir ein Handzeichen. Das scheint ein besonders schwieriger Kundentyp zu sein.
»Schön guten Tag. Mein Drucker ist defekt.«
»Haben Sie einen Bon.« Arno winkt. Dem soll ich es so richtig zeigen.
»Leider nicht.«
Ich gebe mir einen Ruck, besinne mich auf das Böse in mir und keife los »Pass auf du, Drecksack. Nimm deinen vollgewichsten Drucker und gewinn Land. Ohne Bon tun wir hier gar nichts.« Arno winkt noch heftiger. Diesmal musste er nicht eingreifen, ich habe rasch gelernt.
»Gestatten, Klaus Streng. Ich bin der Niederlassungsleiter dieser Filiale.«
Ich sacke zusammen. Da versuche ich es einmal richtig zu machen, und dann so ein Fiasko.
»Tttut mir Leid«, stammele ich. »Ich leide unter Tourette.«
Streng lacht schallend. »Sie brauchen sich nicht zu entschuldigen. Das haben Sie hervorragend gemacht. Genauso müssen diese Penner behandelt werden, die unseren Laden ausrauben wollen. Endlich ein Mann, der in Arnos Fußstapfen tritt. Was halten Sie von einem unbefristeten Arbeitsvertrag?«
Ich sehe mich abends auf dem Sofa sitzen und auf den Tod warten. Nein, danke. Ich ziehe den Jupiter-Dress aus und schmeiße ihn auf den Boden. Der Menschheit Gutes zu tun, ist mir zu schwierig.
Donnerstag, Oktober 18, 2012
Der Schatz im Steinhuder Meer
An manchen Tagen scheint die Sonne heller, die Luft riecht frischer und die Vögel zwitschern Mozart-Melodien. Heute ist so ein Tag. Endorphine spritzen in meine Blutbahn und sorgen für ein natürliches High.
»Guten Morgen, mein Schatz. Ich habe die Lösung für unsere Zukunft.«
Meine Frau schaut irritiert, gießt mir trotzdem Kaffee ein. Ein herrlicher Duft.
»Wie soll ich das verstehen? Unsere Zukunft sieht doch rosig aus, oder?«
»Etwas rosiger geht immer. Geld wird unser ständiger Begleiter sein. Wir werden nur noch zum Vergnügen arbeiten.«
Während sich meine Vorfreude minütlich steigert, wirkt die Miene meiner Frau immer misstrauischer. Ich verdenke es ihr nicht und kann die guten Nachrichten selbst kaum glauben.
»Hast du im Lotto gewonnen?«, fragt meine Frau. »Nee, du spielst ja nicht, weil du alle Glückspieler für Idioten hältst, die Zeit und Geld verschwenden.«
»Genau so ist es. Aber mein Projekt ist eine todsichere Angelegenheit. Ich habe gestern Abend Hannover-TV gesehen. Die haben eine Reportage über das Steinhuder Meer gezeigt. Wusstest du, dass Pirat Otto, genannt der stumme Sachse, genau dort im 16 Jahrhundert seinen Schatz versenkt hat? Der wurde bis heute nicht gehoben. Und als ich in der Nacht träumte, flüsterte mir Otto zu: Michael, du wirst diesen Schatz bergen und mit deinen Lieben in Hülle und Fülle leben. Ist das nicht fantastisch? Laut dem Reporter ist der Wert des Bernsteinzimmers gegen Ottos Schatz ein Almosen.«
Ich fühle mich wie ein Pionier im Goldrausch von Alaska. Mienen und Nuggets vor dem inneren Auge. Die Villa im Zooviertel, die ich uns vom Schatz kaufe, ist ebenfalls schon eingerichtet.
»Dieser stumme Sachse hat während seiner Lebenszeit doch nicht gesprochen. Warum sollte er aus dem Jenseits heraus zu dir im Schlaf reden?«
Ich habe den Eindruck, dass meine Frau mich nicht ganz ernst nimmt.
»Warum weiß ich auch nicht. Spielt doch keine Rolle. Wir haben uns jedenfalls über Zeichen verständigt. Im Traum ist alles möglich.«
Ich stecke zwei Toastscheiben in den Toaster.
»Aha. Ich wusste auch gar nicht, dass es in Sachsen Piraten gibt. Soviel ich weiß, liegt Dresden auch nicht am Meer. Und selbst wenn: Warum sollte ein Seeräuber einen Schatz in einem niedersächsischen See verbuddeln?«
Jetzt hat sie mich. Aber nur fast.
»Otto hat auf der Ostsee geräubert. Sachsen ist seine Heimatgegend. In Leipzig wurde es ihm irgendwann zu heiß, und er floh Richtung Ostfriesland. Bei Hannover waren ihm die Häscher seines Regionalfürsten dicht an den Fersen. Da bog er zum Steinhuder Meer ab, versenkte den Schatz und sprach einen Fluch. Jeder der ihn bergen wollte, starb einen qualvollen Tod.«
Der Toast ist fertig. Ich gehe zum Gerät und fische zwei leicht agekokelte Scheiben heraus. Kann man noch essen. Mich stoppt heute nichts und niemand.
»Ich dachte, dieser Otto wäre stumm. Wie kann er da fluchen?«
»Wir wollen uns nicht in Details verlieren, mein Schatz. So genau sind die Überlieferungen auch nicht. Schließlich gab es damals keine Presse und kein Internet.«
Sie nickt. Ich habe sie überzeugt.
»Okay. Eine wirklich tolle Geschichte. Und niemand hat sich bisher um diese Reichtümer gekümmert, also machst du das. Alles klar. Nur so mal am Rande: Deine Erfahrungen in der Schatzsuche hast du mir bis jetzt verheimlicht. Wie birgst du unsere zukünftigen Reichtümer?«
Ich scheine sie von meinem Projekt überzeugt zu haben.
»Mein Kumpel Joe ist Taucher und hat zurzeit drei Wochen Urlaub. Ich habe heute morgen bereits ein Raster des Sees angelegt, das schwimmen wir mit Metalldetektoren ab. Dreißig Quadratkilometer sollten wir locker in einer Woche schaffen.«
»Und Joe fand deine Idee gut?«, fragt meine Frau. Höre ich Ungläubigkeit in ihrer Stimme? Nach der ganzen Überzeugungsarbeit bin ich enttäuscht.
»Nein, er fand sie sogar brillant. Er hat Stevensons Schatzinsel 12 Mal gelesen. Wir leben seinen Kindheitstraum.«
»Kaum zu glauben, dass Joe so einen Blödsinn mitmacht. Ich hoffe, Eure Pfadfinderaktivitäten kosten nicht zu viel.«
Blödsinn finde ich wirklich hart, doch ich lass mir die gute Laune durch die vielen Nachfragen nicht verderben. Ich habe nämlich in der Zeit zwischen Aufstehen und Frühstück alles genau durchdacht, Joe für mein Vorhaben gewonnen und einen Projektplan mit Budget und Meilensteinen am Rechner entworfen.
»Keine Sorge. Wir nehmen Zimmer in der Mardorfer Jugendherberge. Das kostet nicht viel und wie verschwenden keine Zeit.«
»Schatzsuche finde ich klasse«, meldet sich unser Sohn zu Wort. »Darf ich mitkommen?«
»Marten, das ist eine ernste…«
»Fahr ruhig mit den Kindsköpfen«, grinst meine Frau.
»Super, ich geh schon mal packen«, jubelt Marten.
Na toll, ich bin in großer Mission unterwegs und muss jetzt auch noch auf Marten aufpassen. Ich fühle mich nicht ernst genommen. Aber ich werde zuletzt lachen. Du wirst schon sehen, Schatz.
»Wo ist denn meine Arbeitshose, Liebling?«, küsse ich den Nacken meiner besseren Hälfte.
»Schau mal auf deinem Schreibtischstuhl.« Okay. Fünf Minuten später.
»Weißt du, wo mein Werkzeugkoffer ist?«
»Müsste im Keller sein. Schön, dass du an alles denkst.«
Das klingt ein wenig sarkastisch. Aber das juckt mich nicht.
»Und meine Brotdose? Wir brauchen am See schließlich Verpflegung.«
»Wie wäre es mit dem Küchenschrank?«
Nach zwei Stunden hake ich auf meinem Plan die erste Phase Projektvorbereitung ab. Marten hüpft vor Vorfreude auf der Stelle. Ich küsse meine Frau.
»Danke, dass du an mich glaubst. Ich melde mich.«
»Macht euch eine schöne Zeit.« Marten läuft schon zum Auto vor.
Während ich ihm folge, höre ich meine Frau murmeln »Pirat Ottos Schatz wird bei meinen Spezialisten noch lange im See ruhen. Vor allem, wenn die Reportage über den gewaltigen Schatz am ersten April gesendet wurde. Hauptsache, die Jungs kommen an die frische Luft.«
Mittwoch, Oktober 17, 2012
Ich war noch niemals auf Hawaii
Manchmal wird mir der ganze Lärm zu viel. Mir kommt es vor, als ob die Leute momentan dauernd reden, quatschen oder schnacken. Dann sitze ich still vor mich hin und denke mir meinen Teil. Meist schweifen meine Gedanken durch exotische Gegenden wie zum Beispiel Hawaii. Da würde ich wirklich gerne hinfliegen; zumindest dann, wenn mich Begriffe wie Cash-Flow, Bildungskrise oder Staatsverschuldung in eine tiefe Trance beamen.
Selber Reden ist eigentlich noch schlimmer. Im Unternehmen muss ich in Konferenzen Standpunkte mitteilen, als Autor über meine Projekte referieren und als Privatmensch am Familienrat Gedanken zum Allgemeinwohl erörtern. Nun, eigentlich bin ich froh, dass ich am Familienrat teilnehmen darf, denn Marten meint, dass Mama und er als bestimmende Familienmitglieder reichen. Eine aus seiner Sicht durchaus nachvollziehbare Sichtweise, denn dann würde eine mögliche Gegenstimme wegfallen.
Normalerweise halte ich mich bei diesen Diskussionen über Speiseplan, Arbeitszeiten und Freizeitaktivitäten zurück. Es reicht mir, still dabeizusitzen, denn meine Lieben wissen meistens, was gut für uns alle und damit auch für mich ist. Und ich kann vor mich hin träumen. Nur heute habe ich ein Anliegen. Ein unerwartetes Redebedürfnis erfüllt mich.
»Einen Moment noch. Ich hätte noch ein Thema, was wir dringend diskutieren müssen«, eröffne ich, als meine Lieblinge sich gerade erheben wollen.
Die beiden starren mich erstaunt an, setzen sich dann aber, zögerlich abwartend.
»Was möchtest du uns denn mitteilen, Michael?«, fragt meine Frau vorsichtig.
»Die Zahnpastatube. Ich denke da besteht in unserer Familie Optimierungspotenzial.«
»Ihr macht beide die Zahnpasta nicht richtig zu.« Marten ist entrüstet. Oha, da habe ich ein heißes Eisen angepackt.
»Richtig, Marten. Aber darum geht es nicht. Mir ist aufgefallen, dass du und Mama irgendwo an der Tube quetscht, meistens oben. Ich halte es für effektiver, die Zahnpasta vom untersten Ende nach oben hin auszudrücken. Dadurch gewinnen wir zusätzliche Paste.«
Meine Frau lächelt müde. »Hast du sonst noch Probleme, Michael?«
»Ganz im Ernst. Im Jahr können wir durch eine optimale Nutzung bestimmt 10 Zahnpastatuben sparen. Mindestens 40 Euro. Davon könnten wir lecker essen gehen. Du wolltest doch schon immer zum Mongolen.«
»Wenn ich mich recht entsinne, wolltest DU zum Mongolen.«
»Lass uns nicht streiten. Ist doch egal. Konsensvorschlag: Einer aus unserer Familie wollte zum Mongolen.« So leicht lasse ich mich nicht unterkriegen.
»Außerdem habe ich gestern gesehen, wie du selber oben an der Zahnpastatube gedrückt hast«, sagt Marten.
»Ja, das stimmt, da war ich Eile. Es geht mir aber nicht um den Einzelfall. Grundsätzlich ist es besser Dinge aufzubrauchen. Da hat man mehr von. Soll ich euch einmal an der Tube demonstrieren, wie ich mir das vorstelle?«
»Deine Grundsätze verstehe ich nicht. Du hast dich doch noch nie um die Zahnpastatube gekümmert.«
Meine Frau schüttelt den Kopf. Sie wirkt ein wenig angenervt. Verstehe ich nicht. Meine Idee bietet doch ganz neue Perspektiven.
»Einmal ist immer das erste Mal. Wenn man Probleme sieht, sollte man sie angehen. Oder Marten?« Ich versuche, mir einen Verbündeten auf die Seite zu ziehen.
»Du meinst: Wenn ich nicht aufräumen möchte, könnte ich mich krankstellen. So eine Problemlösung?«
»Das finde ich nicht gut, dass du uns anschwindelst.«
»Mache ich doch nicht. Hör mir doch nur einmal zu, Michael. Ich habe gesagt: könnte ich mich krankstellen! Das ist mir zu blöd, ich gehe jetzt lieber spielen.«
Da verschwindet mein Verbündeter Richtung Lego-Eisenbahn. Gut, dass ich nicht in die Politik gegangen bin. Kungeln liegt mir nicht.
»Ich verstehe nicht, was du eigentlich willst. Sonst denkst du doch auch nicht über so einen Blödsinn nach.« Meine Frau wird langsam unruhig.
»Ich versuche nur, unsere Zahnpastainvestitionen optimal zu nutzen. Wir kaufen doch auch Lebensmittel und schmeißen nicht sofort die Hälfte weg. Auf Jahre gerechnet, verschwenden wir einen Urlaub in Hawaii.«
Zur Demonstration lege ich einen Tui-Katalog auf den Tisch. Blauer Strand und Palmen. Wenn das keine Motivation ist.
»Sind unsere Zahnputzgewohnheiten daran schuld, dass wir noch nicht in Hawaii waren?« Der rechte Fuß meiner Frau stampft einen 16/16-Takt auf den Boden. Das macht sie nur, wenn sie richtig sauer ist. Verstehe ich nicht. Die Zahnpastakrise ist doch ein Thema, dessen Lösung der ganzen Familie zugutekommt.
»Wenn dir so viel an der Erhaltung unserer Investitionen liegt, solltest du deine Wäsche nicht um das ganze Haus herum verteilen. Ein paar Socken kostet um die fünf Euro. Du hast während unserer Ehe bestimmt 100 Paare verklüngelt. Von deinen eingerissenen Hosen und zu heiß gewaschenen Pullovern will ich gar nicht erst anfangen. Wenn du diese Investitionsnutzung einmal optimieren würdest, könnten wir drei mal um die Welt und zurück reisen.«
Da hat sie recht. Wenn ich auch ihre Aufrechnung als etwas kleinlich empfinde. »Ich wollte es nur mal ansprechen«, murmele ich.
Seither halten wir es wie immer: Meine Familie quetscht die Zahnpasta, wo sie will, und ich vernichte meine Kleidung. Nach Hawaii fliegen wir in näherer Zukunft auch nicht. Aber wenn andere reden, träume ich weiterhin gerne von den weißen Stränden der Insel. Und denke, wie schön es wäre, wenn meine Familie die Zahnpastatube am unteren Ende quetschen würde.
Dienstag, Oktober 16, 2012
Kaffeetrinken hilft gegen Pickel
Tatort Cranachstraße. Diese ist nur einspurig befahrbar. Ich zuckele mit den vorgeschriebenen 30 Stundenkilometern Höhe Straßenmitte, als ein schwarzer Jeep in die Straße einbiegt und auf mich zurast. Normalerweise schaut man in die Straße. Befindet sich dort bereits ein Fahrzeug, fährt man nicht rein. So mache ich das, alle anderen auch. Fast alle.
Eine hektische Dame Mitte dreißig steigt aus dem Auto und klopft an mein Fenster.
„Bitte fahren Sie zurück, damit ich weiterfahren kann. Ich habe es eilig.“
„Momentchen“, antworte ich. „Ich befand mich bereits in der Straße. Sie hätten warten müssen, bis ich aus der Straße rausfahre.“
„Guter Mann“, sagt sie. Auf diese Anrede kann ich gut. Da bekomme ich Pickel auf den Zehennägeln. Zudem piekst ihr Zeigefinger permanent gegen meine Autotür, was mein Blut in Wallung brachte. „Guter Mann, wir können hier bis heute Nacht diskutieren. Davon wird unser Problem nicht gelöst. Fahren Sie einfach zurück, damit ich weiterkann.“
Da platzte mir der Kragen. Ich betätige den Warnblinker und öffne die Tür. Die Frau springt zur Seite. „Gute Frau“, sagte ich. „Wir haben kein Problem. Höchstens Sie. Ich wohne nur hundert Meter weiter und kann bequem eine Kanne Kaffee trinken, bis Sie zurückgefahren sind. Schönen Tag noch.“
Ich schließe den Wagen ab und lasse ihn mitten auf der Straße stehen. Während ich gemächlich zu unserem Haus zurückschreite, höre ich, wie sie mir diverse Mutmaßungen über meinen Geisteszustand, die sexuellen Aktivitäten meiner Eltern und die Größe meines Geschlechtsorgans nachbrüllt. Eine halbe Stunde später bin ich zurückgegangen. Nur drei Autos sind im Rückwärtsgang aus der Cranachstraße gekrochen. Der Jeep war auch weg. Geht doch.
Leider ist das Ende der Geschichte nur mein Wunschdenken. Natürlich bin ich wie ein Gentleman zurückgefahren. Sie hat mir triumphierend zugewinkt und ich habe freundlich gelächelt. Das Knirschen meiner Zähne konnte sie Gott sei Dank nicht hören.
Ich hasse Rechthaber; auch wenn ich selber im Recht bin.
Samstag, Oktober 13, 2012
Geographiekenntnisse von Pakteboten
Hermes war über meine Kritik an ihrem Service nicht sehr erfreut.
"Sie sollten keine Pakteboten beleidigen", mailten sie mir.
"Warum nicht?", schrieb ich zurück.
"Wir wissen, wo Sie wohnen!"
Netter Versuch. Selbst wenn sie mich verprügeln wollten, würden sie am falschen Haus klingeln.
Donnerstag, Oktober 11, 2012
Seeland Multiversity
Freu mich wie Bolle an Weihnachten, dass Joy Lohmann beim Google-Fundraising-Wettbewerb 6 Riesen für die Seeland Muliversity zusammenbekommen hat.
Somit ist die Finanzierung dieses großartigen Projekt gesichert, zum anderen spendiert Joy sicherlich das eine und andere Herri auf den Sieg und ich werde nicht verdursten. Zwei Fliegen mit einer Klappe.
Seeland Multiversity
Oktoberfest in Hannover
In Hannover findet zurzeit das zweitgrößte Oktoberfest Deutschlands statt. Grandios, dass ich Dirndlschauen, Après-Ski-Partys und Almrauschorgien auch bei uns im Norden genießen kann.
München hat allerdings auch seine Vorteile: Als Maßleiche liegt es sich in einem beheizten Zelt definitiv luxuriöser.
Mittwoch, Oktober 10, 2012
Schlange im Arbeitszimmer
Da hatte ich heute aber wirklich Schiss. Ich fand ein fieses, langsam vor sich hinkriechendes Reptil in meinem Arbeitszimmer. Wikipedia kannte das Viech nicht.
Ein Anruf beim Zoo Hannover half auch nicht weiter: Sie wären nicht für Druckerwarteschlagen zuständig.
Ich solle es im Fachgeschäft versuchen. Idioten! Wenigstens haben sie mir die Rufnummer von Zoo Zajak gegeben.
Dienstag, Oktober 09, 2012
Neue Erkenntnis bezüglich meiner Erkältung
Die Erkältung hat sich trotz Japanölkur wieder verschlechtert. Daher bin ich gestern noch zu meinem Hausarzt Doktor Stegmann gefahren und habe ihm meine Leidensgeschichte berichtet.
Er untersuchte mich eingehend und fällte ein niederschmetterndes Urteil: „Das sieht überhaupt nicht gut aus, junger Mann. Da müssen Sie zu einem Facharzt.“
Drei Stunden später verließ ich die Praxis von Dr. Eugelink mit exakter Diagnose: Ich bin ein notorischer Hypochonder mit Hang zur Nosophobie.
Gut Bescheid zu wissen, meinen Schnupfen hat diese Erkenntnis nicht gelindert.
Montag, Oktober 08, 2012
City-Bank heilt Erkältung
Diese Erkältung treibt mich noch in den finanziellen Ruin. Mein Schwester empfahl mir ein Bad in Japanöl.
Um die Wanne zu füllen, brauchte ich 4000 Fläschchen. Kostenpunkt 16.000 €. Zum Glück gibt die City-Bank eine nahezu unbegrenzten Dispo.
Mein Körper brennt jetzt wie nach einem Geländemarsch durch eine Brennnesselfarm, aber die Atemwege sind frei.
Sonntag, Oktober 07, 2012
Heilkraft der Natur
Nach dem gestrigen Nasenspraydesaster habe ich es heute mit der Kraft der Natur versucht: "An apple a day keeps the doctor away."
Erkenntnis: Apfelschnitzel in der Nase erhöhen sogar die Atemnot.
Samstag, Oktober 06, 2012
Nasenspray fördert meine Gesundheit
Bin heute so neben der Spur, dass ich mir Nasenspray unter die Achseln gesprüht habe. Immerhin: Die schniefen jetzt nicht mehr.
Chinesische Naturmedizin
Ich gehe gerne zu Dr. Wu, einem Anhänger chinesischer Naturmedizin. Bezüglich meines leichten Übergewichts riet er mir: "Sie müssen Fallad fahlen, Hell Blessel. Immel Fallad fahlen."
Ein guter Tipp. Seitdem ich mit dem Bike unterwegs bin, fühle ich viel besser.
Es mich begleitet mich immer auf dem Gepäckträger des Autodachs.
Das Befestigen alleine verbraucht bereits 500 Kalorien.
Abnehmen mit Brad Pitt
Ich habe zur Motivation eine Foto von Brad Pitt mit nacktem Oberkörper an unseren Kühlschrank geklebt.
Wie ich ihn so betrachtete, dachte ich mir: Zumindest dein Bizeps ist gar nicht sooo schlecht. Bin sofort zum Spiegel gestürzt und habe die Oberarmmuskeln angespannt.
Und richtig: Meine Muckis sind größer als die Klümpchen in der Sahnesauce. Das hat mich aufgebaut.
Freitag, Oktober 05, 2012
Hermes - Kein Götterbote
Wer eine Learning-by-Doing-Einführung ins Detektivgeschäft haben möchte, lasse sich Pakete von Hermes ausliefern.
Auch ohne jegliche Benachrichtigung habe ich herausgefunden, dass Horst Evers in der Reinigung gegenüber liegt. Muss ihn unbedingt morgen abholen, sonst wird er retour geschickt.
Mit mehr Erfahrung mit diesem großartigen Unternehmen sagt mir wahrscheinlich meine Intuition: "Hey, Michael. Irgendwas im Hausflur riecht so, als ob heute der Hermes-Bote an der Tür vorbeigelaufen ist. Geh mal in die Reinigung oder das kleine Bordell um die Ecke, wo Hermes-Pakete für gewöhnlich lagern."
Frühsport 2
Heuten morgen aufgestanden, angekleidet. Nach dem Frühstück 2 Kilometer gesprintet.
Nein, nicht persönlich. Ich habe einen Typen dafür bezahlt.
Das beruhigt mein schlechtes Gewissen, dass in Deutschland nicht genug Sport getrieben wird.
Donnerstag, Oktober 04, 2012
Frühsport
Heuten morgen aufgestanden, angekleidet. Nach dem Frühstück 2 Kilometer gesprintet.
Memo an mich selbst: Wenn ich am Hang parke, in Zukunft Handbremse festziehen.
Dienstag, Oktober 02, 2012
Im Kino mit Mama
Gemeinsame Familienunternehmungen sind meistens schön, manchmal beängstigend.
Ich erinnere mich gerne, als ich das erste Mal mit meiner Mutter im 3D-Kino war. Wir setzen diese komischen Kassengestellbrillen auf, der Film startet. Nach wenigen Minuten stößt mich meine Mutter in die Seite. “Das ist aber ein komisches Kino, Michael. Diese blauen Männchen laufen dauernd um mich herum. So krieg ich gar nichts vom Film mit. Lass uns bitte die Plätze wechseln.“
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