Mittwoch, August 05, 2009

Schnüffler und Beneficker - Talk auf der Nannenfarm

Horst: Du bist hier nicht gerade mit überragender Infrastruktur gesegnet. Mit anderen Worten: Du lebst mitten in der Pampa. Wie kommt jemand dazu, aus Essen in diese Dorfsimulation zu ziehen.

Dieter (hebt genervt die Augenbraue): Es war damals eine Notlage. Meine Freundin hat mich aus heiterem Himmel und völlig zu Unrecht vor die Tür unserer gemeinsamen Wohnung und der Firma ihres Vaters gesetzt. Die Gute war völlig hysterisch. Natürlich hätte ich mit Hilfe der Behörden gegen die Kündigung klagen und Zutritt zu der Wohnung erlangen können. Aber das hätte nur noch mehr Ärger verursacht. Ich hatte durch Zufall diesen Hof in Buldern von einem entfernten Bekannten geerbt. Den hätte ich nie verkaufen können, da er weder über Strom noch Wasseranschluss verfügte. Da bin ich damals hingeflüchtet. Mein Kumpel Pedder Grabowski erzählte mir, dass er als Privatdetektiv dicke Kohle verdienen würde. Ich dachte mir: Was der kann, kann ich auch und habe eine Anzeige in der Zeitung geschaltet. Zu meinem Glück hatte der Brückener Dorfarzt Probleme mit dem Schulbesuch seiner Tochter. Ich sollte dem Mädel auf dem Zahn fühlen. Da stand ich wieder auf der Sonnenseite des Lebens. Kurz darauf wurde sie tot aufgefunden, und ich hatte meinen ersten dicken Auftrag. Den habe ich auch zur Zufriedenheit des Docs gelöst und konnte die notwendigsten Sanierungsarbeiten am Gebäude durchführen. Mit den Nachteilen habe ich mich arrangiert. Gibt Schlimmeres. Hannover ist doch auch nicht der Bringer. Wieso hat es dich in diese Provinzstadt verschlagen?

Horst: Du kennst doch nur einen Bruchteil von Hannover. Diese Stadt hat verdammt viel schöne Ecke. Linden, Nordstadt, Deister und Harz sind nah. Da gibt es mehr Kneipen als in Nordrhein-Westfalen.

Dieter grinst süffisant.

Horst: Na, fast. Jedenfalls ist es bei mir umgekehrt gelaufen. Die Liebe hat mich nach Hannover gezogen. Bea, um genau zu sagen. Ist leider schief gelaufen. Lag auch an mir. Ich habe mich zu sehr aufs Schreiben konzentriert, habe den Haushalt vernachlässigt. Das fand sie nicht gut. Nach der Trennung war ich ziemlich down. Habe aber dann Antje kennen gelernt. Mit der war alles easy. Aber die ist nun auch Geschichte. Jedenfalls gefällt mir Hannover ausgesprochen gut. Habe mich in die Stadt verliebt.

Dieter: Mir hat die Trennung von Bettina keine schlaflosen Nächte bereitet. Alter, man muss einfach erkennen, wenn man nicht zueinander passt. Die wohnt jetzt übrigens wieder hier im Ort. Hat mich mal besucht und wollte unsere Beziehung wieder aufwärmen. Das klappt sowieso nicht. Zu meinem Glück hat sie einen verstrahlten Tantrajünger getroffen. Mit dem reist sie jetzt zu irgendwelchen Gurus und vernebelt sich das letzte Fünkchen Gehirn mit Räucherstäbchen. Aber das ist nicht mehr mein Bier. Zu deinem Buch. Ich bin auch ein Freund der Literatur. Allerdings mehr lesend als schreibend. Wie kommst du auf deine Ideen. Blutegel sind so weit ich weiß noch nie Protagonisten in Romanen gewesen. Hat mir übrigens gefallen. Sehr abgefahren.

Horst (geschmeichelt): Danke. Die Blutegelidee ist mir beim Pilze essen gekommen. War scharfes Zeug. Auf einmal habe ich so ein Viech gesehen, das Mr. Telekom Zumwinkel ausgesaugt hat. All die veruntreuten Steuermillionen. Da dachte ich mir: Mach da einen Roman draus. Ansonsten kommen mir die Ideen, wenn ich durch Stadt gehe, Straßenbahn fahre, in einem Café sitze. Überall. Neulich bin ich vom Bahnhof nach Linden gefahren. Da saßen zwei sturzbesoffene Typen und haben sich unterhalten. »Wo bist du geboren?», fragt Glatze. Lakers-Shirt antwortet »In Döhren. Weiß du Alter, bei den Leuten In Döhren musst du echt vorsichtig sein. Die wollen dich alle ficken. Aber ehe mich jemand fickt, fick ich die. Weil Ficker lassen sich nicht ficken.» - »Ich habe keine Probleme mit Leuten, die mich ficken wollen», sagt Glatze. »Bin eher der freundliche Typ. Da kommt keiner auf die Idee, mich zu ficken. Ich selber ficke andere auch nicht. Nee, mach ich nicht.»
Dann haben die Typen ihre Gilde-Pullen geleert. Keiner der Deppen hat gelacht. Dabei war der Dialog komplett absurd. So etwas kannst du dir nicht ausdenken.

Dieter lacht: Da kenne ich auch einige Spezialisten. Vielleicht schreibe ich auch mal ein eigenes Buch. Aber Micha und Martin machen das schon ganz passabel. Auch wenn ich manchmal ein wenig zu machomäßig rüberkomme. Es soll ja Leute geben, die sich freuen, wenn ich in ein Fettnäpfchen nach dem anderen tappse.

Horst: Woran arbeitest du denn momentan?

Dieter: Es treibt sich ein Karnickelmörder in der Gegend rum. Klingt zwar nicht aufregend, aber es gibt Kohle. Ich habe schon ein Mal ein paar sanfte Schläge auf den Schädel bekommen, Drohanrufe erfolgen stündlich, und ein Mordanschlag auf meinen Auftraggeber wurde auch verübt. Business as usual wie es aussieht. Und woran arbeitest du gerade?

Horst: Nach der Veröffentlichung von „Memoiren eines Blutegels”, einer Kapitalismuskritik, nehme ich mir die Kirche vor. Das ist doch ein alter Hut, werden viele sagen. Es gibt doch Dan Brown oder Robert Anton Wilson. Stimmt, aber ich habe einen anderen Blickwinkel. Arbeitstitel des neuen Buchs lautet „Benefick” und handelt von einer revolutionären Kirchenmaus, die sich als Che Guevara der Nagetiere durch die Katakomben der Vatikangewölbe beißt. Harter Stoff, bisher gibt es nichts Vergleichbares.

Dieter grinst: Klingt viel versprechend. Lass uns einen trinken gehen. Die Dorfkneipe schenkt kaltes Münsterländer aus.

Michael: Was dabei besprochen wurde, entzieht sich meiner Kenntnis, da keiner der Herren das Diktiergerät angeschaltet hatte. Sie sollen sich aber gut verstanden haben. Der Ruhrpottproll und der Niedersachsenbukowski.

Bis dahin liebe Grüße Michael

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