Auf die Schweinereien der Einoede gefasst sein
"Liebe Landwirte. . ." Schon bei der Begrueßung hat man die Jauche vor Augen: Gleich wird es um Milchpreise gehen, um Traktor-Nachrichten. Mitnichten! Es geht um Mord. Am Montag erfolgte in der Fabrik K 14 die Premierenlesung von Michael Bresser und Martin Springenberger - "Schwein gehabt" (Ullstein-Verlag).
Einen Muensterland-Krimi verspricht das Werk mit dem tierischen Titel, so steht es auf dem Deckblatt. Die Reise des Dieter Nannen, der sich vom Prokuristen im tiefsten Ruhrpott in einen Schweinezuechter in der muensterlaender Einoede verwandelt, wird - darauf legen die Autoren großen Wert - zum Seminar für Fortgeschrittene.
Aber der Reihe nach: Zunaechst laeuft für den Held des Krimis eigentlich alles nach Plan: guter Job, heiße Freundin, dufte Kumpels, nette Stammkneipe. Dann folgt eine Erbschaft mit Bedingung: "Du erbst einen Hof im Muensterland, aber nur, wenn du dort lebst und den Hof unterhaeltst."
Zunaechst denkt der Stadtmensch durch und durch gar nicht an den Wechsel in die Pampa. Aus Essen dorthin zu ziehen, wo die Buergersteige hochgeklappt werden, wenn es ueberhaupt welche gibt. Doch die Situation soll sich ändern: Die Freundin wirft ihn nach einem Kneipenbesuch aus dem Haus, der Job ist auch weg. Was bleibt, ist die Erbschaft.
Dass ein Leben auf dem Land aber gar nicht einfach ist, zeigt sich schnell. Da ist etwa die einsame 29-jährige Nachbarin, die zwar nicht wie eine Baeuerin aussieht, aber genau so zicken kann, wie eine Großstaedterin. Aus Geldnot bekommt Nannen die Idee: Ich werde Privatdetektiv, was wird hier schon Schlimmes aufzuklaeren sein. Beim ersten Fall geht es gleich um Mord.
Die Einoede des Autorenteams kann man nicht nur lesen, sondern auch hören. Kurze Musik-Stuecke unterbrechen die Lesung. Bilder des Hofes haengen an der Wand. Bilder aus Essen übrigens nicht, "dafür fehlten die Sicherheitsnadeln". Amuesant, wie das Werk des Autoren-Duos. Plausibel klingt auch die Begruendung, warum sie ueberhaupt ein Buch (drei weitere sollen folgen) verfasst haben: "Ein Engagement in einer Band war ohne Erfolg, malen koennen wir nicht - also haben wir ein Buch geschrieben."
26.07.2005 Von Dirk Hein (WAZ)
Große Sauereien im Muensterland
LESUNG / Michael Bresser und Martin Springenberg stellten in der Fabrik K 14 am Montag mit einer Premieren-Lesung ihren Kriminalroman "Schwein gehabt" vor.
Prokurist Dieter Nannen (28) aus Essen hat gerade Job und Freundin verloren, dafuer aber einen einsamen Bauernhof geerbt. Er beschließt, Privatdetektiv zu werden, weil er zahlreiche hungrige Maeuler zu versorgen hat: Ein Schwein und diverse Kaninchen nennt er neuerdings sein Eigen. "Schwein gehabt" heißt der druckfrische Kriminalroman der beiden jungen Autoren Michael Bresser und Martin Springenberg aus den Ruhrgebiet. Montagabend stellten sie ihn in der Fabrik K 14 vor.
Ist die Idee zum Krimi um den Großstadtaussteiger, Muensterland-Neuling und Spontan-Detektiv namens Nannen schon pfiffig, war´s der Vortrag in der Reihe "Krimi am Montag" erst recht: Mit diversen Interpreten der Musikgeschichte, von Cash bis Coldplay, und mit einer Bandbreite der Songs von "Es fährt ein Zug nach Nirgendwo" bis "Just a Perfect Day" garnierten die Autoren ihre Premierenlesung. Premiere nicht nur deshalb, weil´s die erste Lesung war, sondern weil die Erstausgabe just am Montag erschien.
Nach anderthalb Stunden noch keine Leiche
Dass nach gut anderthalb Stunden noch keine Leiche auf dem Lesetisch im K 14 lag, ließ hoechstens den Titel der Reihe erblassen. Für die Zuschauer war´s ein ebenso spannender wie witziger Ausflug. Begonnen hatte er im Essener Yuppie-Millieu, fortgesetzt hatte der Romanheld ihn, als er Sonntagsmorgens auf der Suche nach Schweinefutter durch "Felder, Felder und nochmal Felder" im Muensterland radelte, und sein Ende fand er eben kurz vor dem Fund der ersten Leiche. Dazwischen lernten die Zuhoerer im Buch wie beim Vortrag sprachlich comic-haft gezeichnete Figuren kennen, von der Chefsekretaerin Marke "Barbie" und dem verlotterten Kumpel mit der Gurkennase über den "obligatorischen Dorftrottel" und die Oeko-Bäuerin bis zur Landarzttochter mit Drogenproblemen.
"Politisch korrekt" ist in dem Roman wohl nichts, kaum eine Zeile kommt an Klischees vorbei, und trotzdem - oder gerade deshalb - amuesiert man sich über die diversen Sauereien im Muensterland von Anfang an so gut, dass einem Leichen kaum fehlen. Die kommen dann im weiteren Verlauf zuhauf, das Tempo lege zu, versprachen Bresser und Springenberg - nach der Lesung.
Auf der Suche nach dem Tatort
Sie zeichneten sich auch beim abschließenden Interview durch lustige lapidare Sätze aus. Der Aufwand beim Schreiben sei "nur gering", sagten sie etwa, weil man sich ja abwechseln koenne. Die Ideenfindung sei auch nicht aufwaendig: "Man schnappt sich mal ´ne Eigenschaft" eines Bekannten, "streut ein paar skurrile Leute ein" und sucht sich einen Tatort: "egal wo, nur einsam." "Schwein gehabt": Gut zu lesen, gut zu hoeren.
26.07.2005 MICHAEL NICOLAS (NRZ)
Böse Stimmen bezeichnen ihn als Mischung aus Mario Barth und Mr. Bean. Mit Recht. Homepage:www.rockdasdorf.de
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