Donnerstag, Juli 07, 2005

Metamorphosen

Ich habe gute Bekannte, Esther und Thomas Wochniak. Er arbeitet als Grundschullehrer in einem der diversen sozialen Brennpunkte in Duisburg; sie ist Kindergärtnerin. Selber haben sie auch zwei Jungen: Marco (5) und Tim (8). Beide Kinder sind vollkommen integriert und beliebt in Kindergarten und Schule. Esther erinnert mich immer ein wenig an meine Schwester, chaotisch, impulsiv und gutmütig; Thomas ist ein ziemlicher relaxter Typ, den nichts aus der Ruhe bringt. Fazit: Sympathische Menschen, die jeder gern zu seinem Bekanntenkreis zählt.

Bis vor einem halben Jahr. Die Familie wohnte in einem alten efeuumrankten Haus der Gruenderzeit in Hamborn. Guenstige Miete, gute Verkehrsanbindung, sie durften den Garten nutzen, in dem sie Tomaten, Himbeeren und Brokuli angepflanzt hatten. Vermieterin Gerda Jablonsik war eine reizende ältere Dame, Witwe. Bis sie aus irgendeinem Grund auf den Trichter kam, dass sie die Wochniaks nicht mehr mochte.

Wenn einer der jungen nur den Mund aufmachte, wurde mit dem Besenstil von oben auf die Decke geklopft. Eine Steigerung waren die folgenden regelmaessigen Polizeibesuche, wobei Gerda feixend im Treppenhaus stand. Nach zwei Wochen waren die Nerven der Wochniaks bereits arg strapaziert. Als Esther meinte, wenn sie ihre Vermieterin auf der Strasse sehen würde, bliebe ihr Fuss auf dem Gaspedal. Oh, dachte ich, wie koennen sich so nette Menschen zu solchen Bestien entwickeln. Aber klar, Gerda lauterte den Kindern auf und stauchte diese zusammen, woraufhin diese regelmaessig von der grauenhaften Frau alptraeumten. Ich schlug vor, mit dem Besen zurückzuklopfen und nachts um vier im Scream-Kostuem an Gerdas Tuer zu klingeln. Schliesslich sind die Wochniaks Mitte dreißig und Gerda ueber siebzig. Waere doch gelacht, wenn dem Luder nicht beizukommen waere.

Doch Esther und Thomas hatte keine Lust auf den ewigen Kleinkrieg mehr. Sie taten das einzige richtige: Sie kuendigten zum 30.06. Sie mussten vorher aber die Wohnung noch renovieren. So einen Spass hatte ich noch nie bei einer Renovierung, meinte Esther lachend. Alle Zimmer strahlen jetzt in knalligem Barby-Pink. Ihre Freude auf den Abnahmetermin mit Gerda kannte keine Grenzen.

Doch leider erschien Gerda nicht zur Abnahme. So konnte der Wochniak-Anwalt den Schluessel erst am 01.07. Gerdas Anwalt uebergeben. Natuerlich will Gerda noch die Julimiete, weil sie angeblich vor Ort war; nicht aber die Wochniaks. So steht ein langjaehriger Rechtstreit vor der Tuer. Ich bin mal gespannt, ob ich nicht eines Tages in der Zeitung lese, dass eine arme Rentnerin brutal mit dem Auto ueberfahren und noch dreimal ueberrollt wurde. Wundern wuerde es mich nicht.

Haut rein Michael

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