Sonntag, Juni 06, 2010

Michael Gantenberg - Zwischen allen Wolken



Eine Achterbahnfahrt der Gefühle

Michael Gantenbergs "Zwischen allen Wolken" ist große Literatur. Mit einem entscheidenden Nachteil. Sie ist extrem unterhaltsam, und das geht in Deutschland bekanntlich gar nicht. Ich würde diesen Roman als "Bitter-Sweet-Comedy" bezeichnen. Lecker wie Zartbitterschokolade mit melancholischem Abgang.

Der Roman spielt auf der fiktiven Nordseeinsel Nördrum. Einem idyllischen Urlaubsparadies. Der Bruder der Abiturientin Gesa stirbt beim Fallschirmspringen. Dadurch gerät das eh schon skurrile Familienumfeld des Mädchens aus den Fugen. Die Mutter behandelt eine Ente wie einen Menschen. Oma Insa führt Fruchtbarkeitsrituale im Watt für kinderlose Festländer durch. Der Vater flüchtet. Tante Nele gabelt paarungswillige Touristen am Strand auf, und der geistig zurückgebliebene Sohn des Feinkosthändlers will Gesa heiraten. Wilkos Tod verändert jeden. Und auch, wenn es zunächst nicht offensichtlich ist, wächst jeder Charakter an der Bewältigung des traurigen Ereignisses.

"Zwischen allen Wolken" wechselt virtuos vom Dur- in dem Moll-Modus und wieder zurück. Hat man gerade noch über die hemdsärmeligen Touristen aus dem Pott gelacht, verzweifelt man mit Gesa an ihrer Liebe zum smarten Inselschreiber Malte. Oder ist es gar keine Liebe? Und warum spricht der tote Bruder zu ihr?

Es werden viele Fragen aufgeworfen, die sich zum Ende hin alle auflösen, zumeist anders, als ich gedacht habe. Dieser Roman vermittelt Spaß an Literatur. Er ist authentisch und spricht viele Wahrheiten über das Leben aus, ohne die Hand auch nur aus der Hosentasche zu holen, geschweige denn den Zeigefinger zu erheben. Zudem ist er gnadenlos witzig.

Ich freue mich wie ein Kind über den Weihnachtsmann auf Michael Gantenbergs nächsten Roman und wünsche diesem viele, viele Leser. "Zwischen allen Wolken" hat sie verdient.

PS: Michael Gantenbergs Lesungen sind ebenfalls extrem unterhaltsam. Wem sich die Gelegenheit bietet, sollte unbedingt eine besuchen.

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