Horst hat seine Wohnung umdekoriert. Seit seinem Einzug verschönerte ein Bruce Springsteen Poster aus den 1970ern die Wohnzimmerwand. Nun hängen dort Bilder von nackten Menschen, Männern und Frauen. Aber nicht gerade Schönheiten aus dem Playboy. Eher Lieschen und Otto Müller vom Kiosk nebenan. Falten und Brauereigeschwüre in Nahaufnahme.
»Moin, Horst. Bist du unter die Voyeure gegangen?«, frage ich die Roth-Händle-Wolke um das Sofa, in der ich Horst vermute.
»Meinst du die Adams und Evas an der Wand? Wundert mich nicht, dass du auf schmutzige Gedanken kommst. Die Bilder gehören zur Geschäftsausstattung meines Unternehmens.«
»Unternehmen?«
»Mein Fallmanager hat mir mitgeteilt, dass ich schwer vermittelbar wäre. Zu individualistisch für den Arbeitsmarkt von Merkel-Deutschland. Ich solle mir meine Nische suchen und selber durchstarten.«
Horst taucht aus der Rauchwolke auf und öffnet eine Flasche Herri.
»Lass mich raten: Deine Nische heißt Aktphotographie.«
»Du denkst immer eindimensional wie ein Krokodilgehirn mit drei Zellen, Bresser. Mein Fallmanager hat sich richtig Mühe gegeben. Er hat mich gefragt, was ich am liebsten mache.«
»Rauchen?«
»Fast. Am liebsten sitze ich mit einer Flasche Bier in der Badewanne und höre Bruce Springsteen. Fand er gut. Da solle ich ein Unternehmen draus machen. Gibt auch Förderung von Vatter Staat.«
»Mir fällt kein Unternehmen ein, dass Geld mit Baden und Biertrinken verdient.«
»Liegt doch auf der Hand. Ich werde einen FKK-Badeclub eröffnen. Die Leute planschen auf meinem Areal und vernichten Unmengen an Bier, Cola und Thüringer Bratwürstchen. Mein Verdienst.«
»Es gibt hier aber kein Meer. Wo sollen deine Gäste baden?«
»Am Mittellandkanal. Das Gebiet ist von der Tourismusindustrie unentdeckt. Meine Chance.« Horst freut sich.
»Schreibt mir deine Frau einen Businessplan? Bezahlt das Amt. Die glauben an mich. Zum ersten Mal.« Horst kichert diabolisch. »Ich werde es euch allen zeigen.«
»Nur mal in den Raum geunkt. Könnte es nicht sein, dass es bisher keinen FKK-Club am Mittellandkanal gibt, weil es sich nicht rentiert? Und dein Fallmanager ist nur deshalb euphorisch, weil du aus der Arbeitslosenstatistik verschwindest.«
»Dein Pessimismus kotzt mich an, Bresser. Natürlich wird meine Geschäftsidee der Renner. Weißt du warum die Leute gerne FKK betreiben? Sie sind es leid, sich mit in vierter Welt gewebten Markenklamotten auszustaffieren. Bei mir können sie die Masken der Konsumgesellschaft fallen lassen und ganz sie selbst sein. Ich bin mir sicher: Dafür hopsen sie gerne nackt in den Mittellandkanal. Prost.«
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