Donnerstag, Juni 13, 2013

Die Lösung für "Wetten dass"

Als ich das Treppenhaus betrete, finde ich Horst auf unserem Absatz vor. Er trägt einen grauen Anzug und führt Liegestützen aus, als bereite er sich auf die nächste Turnweltmeisterschaft vor. Eine respektable Leistung, vor allem mit der stinkenden Roth-Händle im Mund, die vor sich hin pafft wie eine Dampflock.


»Moin, Horst. Trainierst du für Olympia?«



Horst lässt sich schnaufen auf den Boden sinken.

»Blödsinn, du Vollpfosten. Die ARGE meint, ich solle zum Fernsehen wechseln. Der Lanz steht auf der Kippe. Spätestens Anfang nächsten Jahres springe ich in die Bresche. Unterhalterqualitäten hätte ich, außerdem haben die meine ARGE-Kollegin Cindy aus Marzahn dort untergebracht.«

»Und warum übst du Liegestütze?«

Horst stöhnt.



»Noch nicht mal beim Fernsehen kennst du dich aus. Es werden Kandidaten aus dem Publikum in der sogenannten Horst-Wette gegen mich antreten. Liegestütze, Limbodance oder Wettpupsen, je nachdem was sich die Redakteure einfallen lassen.«

»Jetzt mal ganz im Ernst, Horst. Du hast doch keinerlei Erfahrungen in der Unterhaltungsbranche.«

»Jetzt muss ich lachen. Der Lanz doch auch nicht. Jetzt wird zwar Gottschalk glorifiziert, aber die Sendung war bereits zu seiner Zeit eine Einschlafhilfe für die Seniorenheime. Egal, ich werde dem in die Jahre gekommenen ehemaligen Flaggschiff der deutschen Fernsehunterhaltung zu neuen Höhenflügen verhelfen.«

Er tänzelt auf dem Treppenabsatz herum. »There’s no business like show-business. Cindy, ick komme.« Horst ähnelt wirklich dem jüngeren Frank Sinatra. Nur die Joggingjacke unter dem Sacko wirkt etwas befremdlich.



»Ich freue mich über deine Begeisterung. Aber du musst mit Weltstars wie Sharon Stone oder George Clooney schnacken, und nicht nur über Bier. Vor einem Millionenpublikum. Auf Englisch.«

»Ja, und?«, fragt Horst erstaunt. »Die Typen gehen auch aufs Klo, Bresser. Vor denen musst du keine Angst haben. Ich würde denen natürlich Fragen über nachhaltige Arbeit, den Weltfrieden und das große Glück stellen. Seichtes Gequatsche interessiert doch keinen. Das ist der Fehler von Herrn Lanz.«



»Ich fürchte, da irrst du dich, Horst. Die Öffentlichkeit möchte leicht, aber scheinbar anspruchsvoll unterhalten werden. Es darf sich keiner schämen, deine Sendung gesehen zu haben. Glück und Frieden interessieren die Zuschauer am Samstagabend wenig.«

Horst zieht eine neue Roth-Händle aus seinem Schuh und entzündet sie.



»Bresser, du Pessimist. Meinst du wirklich? Wenn das so ist, mache ich da nicht mehr mit. Selbst wenn meine Monatstantieme um einen Euro aufgestockt wird. Die großen Themen unserer Welt, sollte man selbst beim Limbo tanzen nicht vergessen. Prost.«

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