Marten will nach dem Schwimmen zu McDonald‘s. Ich nicht, Marten gewinnt aber wie immer. Wir fahren mit meinem altersschwachen Fort bei McDrive vor.
»Ein Big Mac, zwei Hamburger.«
Eine Qualmwolke dringt aus dem Fenster.
»Als Menü oder einzeln?« Eine Hustenattacke folgt. Wenn mich nicht alles täuscht, klingt der Husten nach…
»Horst, bist du es?«
»Schrecklich. Noch nicht mal auf der Arbeit bin ich vor dir sicher, Bresser.«
»Warum arbeitest du denn bei McDoof?«
»Vorschlag der ARGE. Finde ich gut, wollte schon immer richtig kochen lernen. Heute McDrive, morgen brutzele ich Buletten, übermorgen Pommes. Wenn ich mich gut führe, steht dann das Grünzeug an. Und als Erfrischung schlürfe ich ein leckeres McPils. Das Leben ist herrlich.«
»McDonalds-Fraß ist ungesund, die behindern die Bildung von Betriebsräten und roden Amazonaswälder für den Soja-Anbau. Nachhaltig sieht anders aus.«
»Man könnte fast glauben, du willst nicht, dass ich arbeite, Bresser. Ein Pilsken zum Runterkommen?«
»Ich trinke nicht beim Autofahren.«
Der Autofahrer hinter uns hupt.
»Gute Einstellung, Bresser. Sag dem Schwachmaten hinter dir, er soll den Ball flach halten. Für einen kleinen Schnack zwischendurch muss Zeit sein. Ich kläre dich jetzt kurz über meinen neuen Arbeitgeber auf: Der Fraß ist besser als sein Ruf. Die Ratten hinterm Haus haben die Reste gefressen und strahlen über alle Barthaare. Der nächste Betriebsrat werde ich, alles mit den Kollegen bekakelt. Und wegen der Urwaldabholzung habe ich vorhin eine giftige Mail an die Geschäftsleitung geschickt. Du siehst, alles wird gut. Prost.«
Mittlerweile hupen fünf Autos. Ich winke ihnen beruhigend zu.
»Ich habe Hunger. Wann kocht der Horst uns was?«, quengelt jetzt auch Marten.
»Bringst du uns bitte unser Essen. Wir können noch zu Hause reden.«
»Erst aufrauchen. Hektik und Stress verursachen schlimme Krankheiten«, sagt Horst.
»Kraschinski, Sie Flachpfeife. Sie sind entlassen. Nennen unseren Deutschland-Chef einen Vollpfosten, der Brasilien vernichtet hat und Deutschlands Kinder in die Fettleibigkeit schickt. Außerdem herrscht hier Rauchverbot. Sie haben ab sofort Hausverbot.«
Eine Minute später tritt ein feixender Horst vor die Tür.
»Nehmt ihr mich mit?«
»Tut mir Leid, dass du deinen Job verloren hast.«
Horst zaubert eine Zigarette hinter dem Ohr hervor.
»Kein Problem. Ich habe die Schulungsunterlagen geklaut. Jetzt gründe ich McHorst und starte durch. Kartoffeln ins die Mikrowelle, Buletten in den Toaster und Grünzeug in die Fritteuse. Statt Fast Food speist Hannover Horst Food.«
»Ist das dein Ernst, Horst?«, fragt Marten verwirrt.
»Klar, mein kleiner Freund. Und dein Vater spielt den rothaarigen Clown und unterhält meine Gäste. Das wird eine nachhaltige Gaudi.«
Böse Stimmen bezeichnen ihn als Mischung aus Mario Barth und Mr. Bean. Mit Recht. Homepage:www.rockdasdorf.de
Donnerstag, Juni 27, 2013
Montag, Juni 24, 2013
Wahlkampfhelfer im Fluteinsatz
Horst ruft an und bittet mich nach oben. Es sei dringend. Ich solle meine Kamera mitbringen. Ich sage kein Wort. Dennoch pflaumt mich mein Nachbar an, warum ich nicht schon da wäre. Er hätte seine Zeit schließlich nicht gestohlen. Ich hetze los. Horst hat ein Poster des vom Elbhochwasser überschwemmten Pirna an seine Wohnzimmerwand geklebt. Davor liegt ein blauer Plastiksack, aus dem Sand rieselt. Horst stellt seinen Fuß drauf.
»Foto, Bresser«, bölkt er mich an. »Aber pronto.«
»Moin, Horst.« Ich versuche die Situation zu beruhigen. »Was soll diese Inszenierung bedeuten?«
»Mensch, Bresser. Es ist Eile geboten. Die Arbeitsvermittlung hat mir einen Job als Wahlkampfhelfer in den Hochwassergebieten angeboten. Die Merkel war schon in jedem überschwemmten Kuhkaff im Osten und Süden. Die ist ausgebrannt. Steinbrück hat keinen Bock auf Dreck. Der will erst die Katastrophengebiete bereisen, wenn alles saniert ist. Um Wählerstimmen abzugreifen, müssen die Parteien aber Präsenz zeigen, zupacken, den Menschen Hoffnung geben. Da komme ich ins Spiel. Horst Kraschinski, geheimer Generalsekretär der SPD. Ich kann aber auch grün, schwarz, gelb und links. Je nachdem, wer mich anfordert.«
»Das kannst du doch nicht machen, Horst. Das sind ganz arme Schweine, deren Existenz von Donau und Elbe weggeschwemmt wurden. Die kannst du doch nicht schamlos anlügen.«
Horst schaut erstaunt.
»Aber das macht doch jeder Politiker. Glaubst du im Ernst, dass Merkels zugesicherte Millionen bei Ömmaken Stengel aus Dresden ankommen? Mathematik war noch nie deine Stärke. Lass eine Sanierungsmaßnahme eines Totalschadens 100.000 € kosten. Bescheiden geschätzt. Dann können mit Angies angekündigten 100 Millionen schlappe 1000 Häuser wieder hergerichtet werden. Das dürfte noch nicht einmal für den Ortskern von Pirna reichen. Und jetzt kommst du.«
»Nur weil alle lügen, kannst du den Leuten nicht auch noch Märchen erzählen. Und diesen Politkasperln zur Wiederwahl zu verhelfen…. Ddddas finde ich zutiefst unmoralisch.« Vor Empörung stottere ich.
Horst steckt sich eine Roth-Händle an und hüllt die Überflutungslandschaft in beißende Nebelschwaden.
»Bleib ruhig, Bresser. Du siehst alles viel zu schwarz. Steinbrück würde gerne helfen. Der weiß von Helmut Schmidt, welche Strahlkraft von Flutwasserhilfen ausgeht. Leider hat er Bandscheibe und kann keine Sandsäcke schleppen. Aber er würde gerne Knöpfe drücken, um einen Damm zu sprengen, habe ich gehört. Leider lässt ihn keiner. Angie beruhigt. Sie erweckt den Eindruck, sich zu kümmern, ohne dass etwas passiert. Das ist große Kunst. Von der Lady kann jeder eine Menge lernen. Ich werde auf der Merkel-Schiene fahren. Viel versprechen, ducken und wieder zurück in meine Butze. In 14 Tagen interessieren sich die Medien doch wieder für wichtigere Themen: Schließlich läuft bestimmt bald die nächste Staffel Deutschland sucht den Superdödel an.«
Ich hole mir ein Bier aus Horsts Badewanne.
»Sorry, Horst. Ich finde deine Einstellung zynisch.«
Horst schüttelt den Kopf.
»Heute hast du intellektuell einen besonders bescheidenen Tag, Bresser. Besteht nicht das ganze Leben aus Hoffnung? Warum sind Bibel und Koran Weltbestseller? Weil sie das Paradies versprechen, ohne sich an Ergebnissen messen lassen zu müssen. Das Konzept der Religionen haben sich die Politiker abgeschaut. Ich werde einfach auch ein Prophet einer goldenen Zukunft. Jetzt trink nicht so viel, sondern knips mein Bewerbungsfoto.«
In diesem Augenblick klingelt Horsts I-Phone.
»Horst hier.« Nach einer Minute sagt Horst. »Das kann selbst ich nicht. Sorry. Suchen Sie einen anderen Wahnsinnigen.« Dann legt er auf. Eine Träne kullert seine Wange herunter.
»Was ist los, Horst?«
»Die etablierten Parteien wollen meine Dienste nicht. Nur ein Herr Rösler von einer unbekannten Partei namens FDP war begeistert. Ich soll ihm über die 5%-Hürde helfen. Aber Wunder kann selbst ich nicht. Schade, ich hätte so gerne geholfen. Prost.«
»Foto, Bresser«, bölkt er mich an. »Aber pronto.«
»Moin, Horst.« Ich versuche die Situation zu beruhigen. »Was soll diese Inszenierung bedeuten?«
»Mensch, Bresser. Es ist Eile geboten. Die Arbeitsvermittlung hat mir einen Job als Wahlkampfhelfer in den Hochwassergebieten angeboten. Die Merkel war schon in jedem überschwemmten Kuhkaff im Osten und Süden. Die ist ausgebrannt. Steinbrück hat keinen Bock auf Dreck. Der will erst die Katastrophengebiete bereisen, wenn alles saniert ist. Um Wählerstimmen abzugreifen, müssen die Parteien aber Präsenz zeigen, zupacken, den Menschen Hoffnung geben. Da komme ich ins Spiel. Horst Kraschinski, geheimer Generalsekretär der SPD. Ich kann aber auch grün, schwarz, gelb und links. Je nachdem, wer mich anfordert.«
»Das kannst du doch nicht machen, Horst. Das sind ganz arme Schweine, deren Existenz von Donau und Elbe weggeschwemmt wurden. Die kannst du doch nicht schamlos anlügen.«
Horst schaut erstaunt.
»Aber das macht doch jeder Politiker. Glaubst du im Ernst, dass Merkels zugesicherte Millionen bei Ömmaken Stengel aus Dresden ankommen? Mathematik war noch nie deine Stärke. Lass eine Sanierungsmaßnahme eines Totalschadens 100.000 € kosten. Bescheiden geschätzt. Dann können mit Angies angekündigten 100 Millionen schlappe 1000 Häuser wieder hergerichtet werden. Das dürfte noch nicht einmal für den Ortskern von Pirna reichen. Und jetzt kommst du.«
»Nur weil alle lügen, kannst du den Leuten nicht auch noch Märchen erzählen. Und diesen Politkasperln zur Wiederwahl zu verhelfen…. Ddddas finde ich zutiefst unmoralisch.« Vor Empörung stottere ich.
Horst steckt sich eine Roth-Händle an und hüllt die Überflutungslandschaft in beißende Nebelschwaden.
»Bleib ruhig, Bresser. Du siehst alles viel zu schwarz. Steinbrück würde gerne helfen. Der weiß von Helmut Schmidt, welche Strahlkraft von Flutwasserhilfen ausgeht. Leider hat er Bandscheibe und kann keine Sandsäcke schleppen. Aber er würde gerne Knöpfe drücken, um einen Damm zu sprengen, habe ich gehört. Leider lässt ihn keiner. Angie beruhigt. Sie erweckt den Eindruck, sich zu kümmern, ohne dass etwas passiert. Das ist große Kunst. Von der Lady kann jeder eine Menge lernen. Ich werde auf der Merkel-Schiene fahren. Viel versprechen, ducken und wieder zurück in meine Butze. In 14 Tagen interessieren sich die Medien doch wieder für wichtigere Themen: Schließlich läuft bestimmt bald die nächste Staffel Deutschland sucht den Superdödel an.«
Ich hole mir ein Bier aus Horsts Badewanne.
»Sorry, Horst. Ich finde deine Einstellung zynisch.«
Horst schüttelt den Kopf.
»Heute hast du intellektuell einen besonders bescheidenen Tag, Bresser. Besteht nicht das ganze Leben aus Hoffnung? Warum sind Bibel und Koran Weltbestseller? Weil sie das Paradies versprechen, ohne sich an Ergebnissen messen lassen zu müssen. Das Konzept der Religionen haben sich die Politiker abgeschaut. Ich werde einfach auch ein Prophet einer goldenen Zukunft. Jetzt trink nicht so viel, sondern knips mein Bewerbungsfoto.«
In diesem Augenblick klingelt Horsts I-Phone.
»Horst hier.« Nach einer Minute sagt Horst. »Das kann selbst ich nicht. Sorry. Suchen Sie einen anderen Wahnsinnigen.« Dann legt er auf. Eine Träne kullert seine Wange herunter.
»Was ist los, Horst?«
»Die etablierten Parteien wollen meine Dienste nicht. Nur ein Herr Rösler von einer unbekannten Partei namens FDP war begeistert. Ich soll ihm über die 5%-Hürde helfen. Aber Wunder kann selbst ich nicht. Schade, ich hätte so gerne geholfen. Prost.«
Donnerstag, Juni 20, 2013
Horst mediiert Steinbrück und Gabriel
Ich bringe Horst zur Abwechslung die taz vorbei. Er läuft wie ein aufgescheuchtes Huhn durch seine Einzimmerwohnung und hält seine Roth-Händle-Zigarette in alle vier Zimmerecken. Dann strahlt er.
»Könnte funktionieren«, murmelt er vor sich hin.
»Moin, Horst. Was treibst du da?«
Horst blickt auf die taz.
»Brauch ich nicht. Kritische Zeitungen machen mich depressiv. Besonders bei meinem neuen Job.«
»Neuer Job?«, frage ich erstaunt. »Wirst du Profiräuchermann unter dem Tannenbaum.«
»Spar dir deinen Zynismus, Bresser. Sowas verursacht Krebs und Hämorriden. Ich habe für die ARGE einen Psychotest gemacht, damit wir endlich meine Potenziale erkennen.«
»Und wo liegen die?«, frage ich neugierig.
»Empathie, Bresser. Ich kann mich in Menschen hinein fühlen, gleiche aus, erreiche einen Konsens.«
»Mir gegenüber zeigst du dich wenig empathisch. Aber vielleicht liegt das an mir.«
Horst überlegt eine Sekunde. »Liegt an dir. Bei dir hilft keine Freundlichkeit, nur Provokative Therapie. Wirkst auch viel ausgeglichener als zu Beginn unserer Bekanntschaft. Da warst du eine richtige Schlaftablette. Nun ja, jetzt ist auch noch Luft nach oben.«
»Ich wusste nicht, dass du Psychologie studiert hast«, kann ich mir nicht verkneifen. »Nun, sag schon. Bei welcher Tätigkeit kommen dir deine neuentdeckten Fähigkeiten zu Gute?«
»Ich werde Mediator. Das sind Leute, die zwischen zerstrittenen Ochsen vermitteln.«
»Ich weiß, was ein Mediator ist. Und für wen sollst du zerschnittene Tischtücher zusammenflicken?«
»Streng geheim, Bresser. Ich weiß du bist ein Plappermaul und verwurstest es in irgendeiner blöden Geschichte.«
»Niemals, ich schwöre.«
»Gut. Sigmar Gabriel und Peer Steinbrück können nicht miteinander. Weiß ja jeder. Den Steinmeier mögen sie auch nicht. Jedenfalls kennt mein Fallmanager einen SPD-Bonzen, der händeringend jemanden sucht, der die Troika wieder auf Kurs bringt. Und da komm ich ins Spiel. Dr. Psycho.«
Die Vorstellung fällt mir schwer, aber ich will Horst nicht entmutigen.
»Was hast du vor?«
Horst grinst.
»Ein Kinderspiel. Ich versammele die Hansels in einem Raum. Dann werden schlechte Energien geräuchert. Am Besten mit Salbei, Roth-Händle geht auch. Anschließend führen wir eine Familienaufstellung der SPD durch. Da können sich viele Blockaden lösen. Vielleicht schiebt Steinbrück Siggi einfach mal zur Seite, oder so. Wenn das nicht hilft, reisen wir in die schamanische Unterwelt und befragen Krafttiere.«
»Bist du dir sicher, dass die Herren an deiner Therapie teilnehmen?«
»Absolut. Wenn einer nicht spurt, muss er gegen die Klitschkos boxen. Aggressionsabbau. Das hilft hundertprozentig. Würde dir auch nicht schaden. Prost.«
»Könnte funktionieren«, murmelt er vor sich hin.
»Moin, Horst. Was treibst du da?«
Horst blickt auf die taz.
»Brauch ich nicht. Kritische Zeitungen machen mich depressiv. Besonders bei meinem neuen Job.«
»Neuer Job?«, frage ich erstaunt. »Wirst du Profiräuchermann unter dem Tannenbaum.«
»Spar dir deinen Zynismus, Bresser. Sowas verursacht Krebs und Hämorriden. Ich habe für die ARGE einen Psychotest gemacht, damit wir endlich meine Potenziale erkennen.«
»Und wo liegen die?«, frage ich neugierig.
»Empathie, Bresser. Ich kann mich in Menschen hinein fühlen, gleiche aus, erreiche einen Konsens.«
»Mir gegenüber zeigst du dich wenig empathisch. Aber vielleicht liegt das an mir.«
Horst überlegt eine Sekunde. »Liegt an dir. Bei dir hilft keine Freundlichkeit, nur Provokative Therapie. Wirkst auch viel ausgeglichener als zu Beginn unserer Bekanntschaft. Da warst du eine richtige Schlaftablette. Nun ja, jetzt ist auch noch Luft nach oben.«
»Ich wusste nicht, dass du Psychologie studiert hast«, kann ich mir nicht verkneifen. »Nun, sag schon. Bei welcher Tätigkeit kommen dir deine neuentdeckten Fähigkeiten zu Gute?«
»Ich werde Mediator. Das sind Leute, die zwischen zerstrittenen Ochsen vermitteln.«
»Ich weiß, was ein Mediator ist. Und für wen sollst du zerschnittene Tischtücher zusammenflicken?«
»Streng geheim, Bresser. Ich weiß du bist ein Plappermaul und verwurstest es in irgendeiner blöden Geschichte.«
»Niemals, ich schwöre.«
»Gut. Sigmar Gabriel und Peer Steinbrück können nicht miteinander. Weiß ja jeder. Den Steinmeier mögen sie auch nicht. Jedenfalls kennt mein Fallmanager einen SPD-Bonzen, der händeringend jemanden sucht, der die Troika wieder auf Kurs bringt. Und da komm ich ins Spiel. Dr. Psycho.«
Die Vorstellung fällt mir schwer, aber ich will Horst nicht entmutigen.
»Was hast du vor?«
Horst grinst.
»Ein Kinderspiel. Ich versammele die Hansels in einem Raum. Dann werden schlechte Energien geräuchert. Am Besten mit Salbei, Roth-Händle geht auch. Anschließend führen wir eine Familienaufstellung der SPD durch. Da können sich viele Blockaden lösen. Vielleicht schiebt Steinbrück Siggi einfach mal zur Seite, oder so. Wenn das nicht hilft, reisen wir in die schamanische Unterwelt und befragen Krafttiere.«
»Bist du dir sicher, dass die Herren an deiner Therapie teilnehmen?«
»Absolut. Wenn einer nicht spurt, muss er gegen die Klitschkos boxen. Aggressionsabbau. Das hilft hundertprozentig. Würde dir auch nicht schaden. Prost.«
Montag, Juni 17, 2013
De Maizière kauft Horst-Hawk
Morgens beim Frühstück schwappt mir die Kaffee über den Tassenrand. In Horsts Wohnung rumst es, als würde gerade Sodom vernichtet. Wir schauen uns besorgt an. Vor allem, da es eine Minute später wieder kracht.
»Geh doch mal nach dem Rechten schauen«, schlägt meine Liebste vor. Ich haste los, vielleicht kann ich größeren Schaden verhindern.
Vorsichtig öffne ich die Wohnungstür, dann die Stubentür. In dem Rauch durchfluteten Raum entdecke ich eine Wäscheleine, die diagonal von der Decke am Fenster bis zur Türschwelle verläuft. Eine seltsame Konstruktion. Vor allem der Bierkasten voll zerbrochener Flaschen vor der Tür, der an dieser Wäscheleine hängt. Eine schöne Sauerei.
»Moin, Horst. Kegelst du mit Bierkästen?«, frage ich verblüfft.
»Es sieht doch jeder Blinde, dass ich arbeite, Bresser. Nur du nicht. Ich bereite meine Selbstständigkeit vor.«
»Wer bezahlt dich dafür, Flaschen zu zerstören?«
Horst fischt sein Roth-Händle-Päckchen aus seiner Jogginganzugsjacke.
»Das Projekt ist topsecret. Ich sage nur Horst Hawk. Eigentlich müsste ich dich eliminieren, nur weil du das Sperrgebiet betreten hast.« Horst zielt mit seiner Zigarette auf mich.
»Ich kann schweigen«, beteuere ich.
»Da hat mir deine Frau anderes erzählt, aber ich bin leichtgläubig. Mein Fallmanager hat mir den Tipp gegeben, dass Verteidigungsminister de Maizière Drohnen kauft. Habe ich in der Zeitung nachgelesen. Korrekt. Die baue ich jetzt auch.«
»Du hast doch keine Ahnung von Waffenkonstruktion. Ist das nicht ein gewagtes Vorhaben?«
Horst blickt mich verwirrt an. »Die Amis doch auch nicht. Trotzdem hat sie das Verteidigungsministerium gekauft. Außerdem ist Horst Hawk besser als dieser Euro-Hawk-Scheiß. Du siehst einen Taliban mit einer Kalaschnikow, beförderst Horst Hawk geladen mit süffigem Herri vor seine Füße, der probiert und vergisst alle Jungfrauen, die im Paradies auf ihn warten. Der de Maizière braucht dringend ein Erfolgserlebnis. Ich verscherbele ihm meine Super-Duper-Drohne für läppische 40 Millionen, und der Dödel bleibt im Amt. Ist ein Super-Deal für beide. Schreibst du mir ein Geschäftskonzept? Wenn wir das verkaufen, würde ich dir 39 Millionen abgeben. Ich bin bescheiden.«
Ich denke über Marten nach, der sich eine neue Eisenbahn wünscht. So richtig in Urlaub waren wir auch lange nicht mehr. Vielleicht ein eigenes Haus. Alles erfüllbar mit Horsts Millionen.
»Sorry, Horst. Ich arbeite nicht fürs Verteidigungsministerium. Mensch kann doch nicht ernsthaft für eine bessere Welt eintreten und selbst fürs Militär arbeiten.«
Horst öffnet ein Bier.
»Du bist und bleibst ein Blödmann, Bresser. Was meinst du, worauf Horst Hawk abzielt? Wir verkaufen noch diverse andere sinnlose Projekte an die Berliner Idioten, dann gehen die pleite und das Verteidigungsministerium wird abgeschafft. Tue Gutes und kassier dafür.«
»Meine Nackenhaare sträuben sich. Ist das nicht betrügerisch?«
Horst leert seine Flasche.
»Das ist Lobbyismus, Bresser. Politische Bildung würde dir guttun. Wir bekämpfen Nonsens mit Nonsens. Und wenn wir mit Deutschland fertig sind, verkaufen wir an die Taliban, Syrien und den Iran. Wenn ich auch sonst zu nicht viel tauge: In 10 Jahren habe ich den Weltfrieden sichergestellt. Prost.«
»Geh doch mal nach dem Rechten schauen«, schlägt meine Liebste vor. Ich haste los, vielleicht kann ich größeren Schaden verhindern.
Vorsichtig öffne ich die Wohnungstür, dann die Stubentür. In dem Rauch durchfluteten Raum entdecke ich eine Wäscheleine, die diagonal von der Decke am Fenster bis zur Türschwelle verläuft. Eine seltsame Konstruktion. Vor allem der Bierkasten voll zerbrochener Flaschen vor der Tür, der an dieser Wäscheleine hängt. Eine schöne Sauerei.
»Moin, Horst. Kegelst du mit Bierkästen?«, frage ich verblüfft.
»Es sieht doch jeder Blinde, dass ich arbeite, Bresser. Nur du nicht. Ich bereite meine Selbstständigkeit vor.«
»Wer bezahlt dich dafür, Flaschen zu zerstören?«
Horst fischt sein Roth-Händle-Päckchen aus seiner Jogginganzugsjacke.
»Das Projekt ist topsecret. Ich sage nur Horst Hawk. Eigentlich müsste ich dich eliminieren, nur weil du das Sperrgebiet betreten hast.« Horst zielt mit seiner Zigarette auf mich.
»Ich kann schweigen«, beteuere ich.
»Da hat mir deine Frau anderes erzählt, aber ich bin leichtgläubig. Mein Fallmanager hat mir den Tipp gegeben, dass Verteidigungsminister de Maizière Drohnen kauft. Habe ich in der Zeitung nachgelesen. Korrekt. Die baue ich jetzt auch.«
»Du hast doch keine Ahnung von Waffenkonstruktion. Ist das nicht ein gewagtes Vorhaben?«
Horst blickt mich verwirrt an. »Die Amis doch auch nicht. Trotzdem hat sie das Verteidigungsministerium gekauft. Außerdem ist Horst Hawk besser als dieser Euro-Hawk-Scheiß. Du siehst einen Taliban mit einer Kalaschnikow, beförderst Horst Hawk geladen mit süffigem Herri vor seine Füße, der probiert und vergisst alle Jungfrauen, die im Paradies auf ihn warten. Der de Maizière braucht dringend ein Erfolgserlebnis. Ich verscherbele ihm meine Super-Duper-Drohne für läppische 40 Millionen, und der Dödel bleibt im Amt. Ist ein Super-Deal für beide. Schreibst du mir ein Geschäftskonzept? Wenn wir das verkaufen, würde ich dir 39 Millionen abgeben. Ich bin bescheiden.«
Ich denke über Marten nach, der sich eine neue Eisenbahn wünscht. So richtig in Urlaub waren wir auch lange nicht mehr. Vielleicht ein eigenes Haus. Alles erfüllbar mit Horsts Millionen.
»Sorry, Horst. Ich arbeite nicht fürs Verteidigungsministerium. Mensch kann doch nicht ernsthaft für eine bessere Welt eintreten und selbst fürs Militär arbeiten.«
Horst öffnet ein Bier.
»Du bist und bleibst ein Blödmann, Bresser. Was meinst du, worauf Horst Hawk abzielt? Wir verkaufen noch diverse andere sinnlose Projekte an die Berliner Idioten, dann gehen die pleite und das Verteidigungsministerium wird abgeschafft. Tue Gutes und kassier dafür.«
»Meine Nackenhaare sträuben sich. Ist das nicht betrügerisch?«
Horst leert seine Flasche.
»Das ist Lobbyismus, Bresser. Politische Bildung würde dir guttun. Wir bekämpfen Nonsens mit Nonsens. Und wenn wir mit Deutschland fertig sind, verkaufen wir an die Taliban, Syrien und den Iran. Wenn ich auch sonst zu nicht viel tauge: In 10 Jahren habe ich den Weltfrieden sichergestellt. Prost.«
Donnerstag, Juni 13, 2013
Die Lösung für "Wetten dass"
Als ich das Treppenhaus betrete, finde ich Horst auf unserem Absatz vor. Er trägt einen grauen Anzug und führt Liegestützen aus, als bereite er sich auf die nächste Turnweltmeisterschaft vor. Eine respektable Leistung, vor allem mit der stinkenden Roth-Händle im Mund, die vor sich hin pafft wie eine Dampflock.
»Moin, Horst. Trainierst du für Olympia?«
Horst lässt sich schnaufen auf den Boden sinken.
»Blödsinn, du Vollpfosten. Die ARGE meint, ich solle zum Fernsehen wechseln. Der Lanz steht auf der Kippe. Spätestens Anfang nächsten Jahres springe ich in die Bresche. Unterhalterqualitäten hätte ich, außerdem haben die meine ARGE-Kollegin Cindy aus Marzahn dort untergebracht.«
»Und warum übst du Liegestütze?«
Horst stöhnt.
»Noch nicht mal beim Fernsehen kennst du dich aus. Es werden Kandidaten aus dem Publikum in der sogenannten Horst-Wette gegen mich antreten. Liegestütze, Limbodance oder Wettpupsen, je nachdem was sich die Redakteure einfallen lassen.«
»Jetzt mal ganz im Ernst, Horst. Du hast doch keinerlei Erfahrungen in der Unterhaltungsbranche.«
»Jetzt muss ich lachen. Der Lanz doch auch nicht. Jetzt wird zwar Gottschalk glorifiziert, aber die Sendung war bereits zu seiner Zeit eine Einschlafhilfe für die Seniorenheime. Egal, ich werde dem in die Jahre gekommenen ehemaligen Flaggschiff der deutschen Fernsehunterhaltung zu neuen Höhenflügen verhelfen.«
Er tänzelt auf dem Treppenabsatz herum. »There’s no business like show-business. Cindy, ick komme.« Horst ähnelt wirklich dem jüngeren Frank Sinatra. Nur die Joggingjacke unter dem Sacko wirkt etwas befremdlich.
»Ich freue mich über deine Begeisterung. Aber du musst mit Weltstars wie Sharon Stone oder George Clooney schnacken, und nicht nur über Bier. Vor einem Millionenpublikum. Auf Englisch.«
»Ja, und?«, fragt Horst erstaunt. »Die Typen gehen auch aufs Klo, Bresser. Vor denen musst du keine Angst haben. Ich würde denen natürlich Fragen über nachhaltige Arbeit, den Weltfrieden und das große Glück stellen. Seichtes Gequatsche interessiert doch keinen. Das ist der Fehler von Herrn Lanz.«
»Ich fürchte, da irrst du dich, Horst. Die Öffentlichkeit möchte leicht, aber scheinbar anspruchsvoll unterhalten werden. Es darf sich keiner schämen, deine Sendung gesehen zu haben. Glück und Frieden interessieren die Zuschauer am Samstagabend wenig.«
Horst zieht eine neue Roth-Händle aus seinem Schuh und entzündet sie.
»Bresser, du Pessimist. Meinst du wirklich? Wenn das so ist, mache ich da nicht mehr mit. Selbst wenn meine Monatstantieme um einen Euro aufgestockt wird. Die großen Themen unserer Welt, sollte man selbst beim Limbo tanzen nicht vergessen. Prost.«
»Moin, Horst. Trainierst du für Olympia?«
Horst lässt sich schnaufen auf den Boden sinken.
»Blödsinn, du Vollpfosten. Die ARGE meint, ich solle zum Fernsehen wechseln. Der Lanz steht auf der Kippe. Spätestens Anfang nächsten Jahres springe ich in die Bresche. Unterhalterqualitäten hätte ich, außerdem haben die meine ARGE-Kollegin Cindy aus Marzahn dort untergebracht.«
»Und warum übst du Liegestütze?«
Horst stöhnt.
»Noch nicht mal beim Fernsehen kennst du dich aus. Es werden Kandidaten aus dem Publikum in der sogenannten Horst-Wette gegen mich antreten. Liegestütze, Limbodance oder Wettpupsen, je nachdem was sich die Redakteure einfallen lassen.«
»Jetzt mal ganz im Ernst, Horst. Du hast doch keinerlei Erfahrungen in der Unterhaltungsbranche.«
»Jetzt muss ich lachen. Der Lanz doch auch nicht. Jetzt wird zwar Gottschalk glorifiziert, aber die Sendung war bereits zu seiner Zeit eine Einschlafhilfe für die Seniorenheime. Egal, ich werde dem in die Jahre gekommenen ehemaligen Flaggschiff der deutschen Fernsehunterhaltung zu neuen Höhenflügen verhelfen.«
Er tänzelt auf dem Treppenabsatz herum. »There’s no business like show-business. Cindy, ick komme.« Horst ähnelt wirklich dem jüngeren Frank Sinatra. Nur die Joggingjacke unter dem Sacko wirkt etwas befremdlich.
»Ich freue mich über deine Begeisterung. Aber du musst mit Weltstars wie Sharon Stone oder George Clooney schnacken, und nicht nur über Bier. Vor einem Millionenpublikum. Auf Englisch.«
»Ja, und?«, fragt Horst erstaunt. »Die Typen gehen auch aufs Klo, Bresser. Vor denen musst du keine Angst haben. Ich würde denen natürlich Fragen über nachhaltige Arbeit, den Weltfrieden und das große Glück stellen. Seichtes Gequatsche interessiert doch keinen. Das ist der Fehler von Herrn Lanz.«
»Ich fürchte, da irrst du dich, Horst. Die Öffentlichkeit möchte leicht, aber scheinbar anspruchsvoll unterhalten werden. Es darf sich keiner schämen, deine Sendung gesehen zu haben. Glück und Frieden interessieren die Zuschauer am Samstagabend wenig.«
Horst zieht eine neue Roth-Händle aus seinem Schuh und entzündet sie.
»Bresser, du Pessimist. Meinst du wirklich? Wenn das so ist, mache ich da nicht mehr mit. Selbst wenn meine Monatstantieme um einen Euro aufgestockt wird. Die großen Themen unserer Welt, sollte man selbst beim Limbo tanzen nicht vergessen. Prost.«
Montag, Juni 10, 2013
Hannover frackt
Als ich die Wohnung verlasse, um im Salikum schreibenderweise die Seele baumeln zu lassen, stolpere ich über eine Kiste. Mit besten Grüßen von Horst, steht auf der beiliegenden Karte. Ich öffne den Karton. Acht Flaschen Champagner und drei Dosen Beluga-Kaviar. Woher hat Horst das Geld für solche Präsente?
Seine Wohnung finde ich verwaist vor, doch ich höre Stimmen aus dem Keller.
Ich treffe Horst zusammen mit einem breitschultrigen Mann, in dessen wallenden Vollbart Vögel verstecken spielen können. Er trägt einen beigen Pullunder über einer Latzhose. Horst trägt einen Nadelstreifenanzug, als wäre er Sprecher eines DAX-Unternehmens. Sehr befremdlich.
»Bresser, schön dass du da bist.«
So freundlich begrüßt mich Horst selten. »Moin, Horst. Danke für den Schampus.«
»Da nicht für, Bresser. Ich hab’s ja. Sollst auch nicht leben wie ein Hund.« Horst klopft mir gönnerhaft auf die Schulter. »Habt ihr eigentlich mal über einen Umzug nachgedacht? Hannover bietet viele schöne Viertel, wo dich die Muse küssen kann. Ihr braucht nicht ausgerechnet hier zu leben.«
»Auch andere Städte haben ihre Reize. Leipzig, Berlin, Bitterfeld?« Der Bärtige drückt mir einige Reiseführer in die Hand.
»Kannst du mich bitte aufklären, was das alles soll?«, frage ich Horst.
»Lange Geschichte, Bresser. Mein Fallmanager hat mir Beine gemacht. Ich soll klotzen, nicht kleckern. Selbständigkeit in einem zukunftsträchtigen Markt, hat er vorgegeben. Deshalb gründe ich jetzt die Horst AG und gehe unter die Fracker. Mensch, Bresser, ich bin aufgeregt wie ein Goldschürfer in Alaska, der einen gelben Schimmer im Fluss entdeckt hat.«
Horst holt einen Packung Dunhill aus der Anzugstasche.
»Mit gutem Recht, Herr Kroschinski. Wir packen das und scheffeln Millionen«, bekräftigt der Vollbart.
»Was zum Teufel ist ein Fracker?«, frage ich verblüfft.
»Erdgasförderung. Wir injizieren mehrere 100 Meter unter der Erde Flüssigkeiten, brechen das Gestein und fördern Gas mittels Bohrtürmen, mal ganz vereinfacht ausgedrückt.«
»Und wer ist dein Kollege hier?«
»Dr. Eberhard Ringmann. Ich betreue als Geologe die Horst AG in Gründung.«
Er wedelt angewidert Horsts Zigarettenrauch zur Seite.
»Und was soll diese Umzugsempfehlung?«, frage ich.
»Gut, dass du darauf zu sprechen kommst. Doc Ringmann hat ermittelt, dass unter unserem Haus gewaltige Gasvorkommen schlummern. Die wollen wir bergen. Wenn das Haus durch unsere Trupps abgerissen wird, können wir hier nicht mehr wohnen. Ist doch logisch, oder. Ich ziehe sowieso nach Isernhagen oder Burgwedel, wo erfolgreiche Unternehmer wie Dirk Rossmann und ich hausen.«
»Ich bitte dich, Horst. Willst du den ganzen Stadtteil abreißen? Außerdem kann ich mir nicht vorstellen, dass es der Umwelt bekommt, wenn du Chemikalien in die Erde einleitest.«
Am liebsten würde ich jetzt auch rauchen, meine Wut braucht ein Ventil.
»Die Amis fracken seit Jahren. Die Umweltbedenken hatte ich auch, aber die Bereinigung der Arbeitslosenquote kommt vor Ökologie, sagt mein Fallmanager.«
»Horst geht an die Börse, verkauft mit Millionengewinn und setzt sich zur Ruhe. Dann schreibt er seine Biographie und scheffelt nochmals Millionen. Vorträge vor dem Bundestag, der UNO, Nobelpreis. Und das in fünf Jahren. Horst ist Visionär.«
Horst sackt zusammen.
»Und dann brauche ich nichts mehr zu tun?«
Ringmann klopft ihm auf die Schulter.
»Dann kannst du relaxen und lässt die anderen für dich arbeiten. Hast Zeit zum Philosophieren und kannst Zeitung lesen, wann du willst.«
»Das kann ich auch, ohne die Umwelt zu zerstören.« Horst knufft Ringmann. Dann holt er eine Flasche Herri aus seinem Aktenkoffer. »Ich denke ihr sucht euch einen anderen Nobelpreisträger und ich mir einen anderen Zirkus. Dunhill und Millionen sind einfach nicht meine Welt. Außerdem würde mir Bresser fehlen, wenn er nach Bitterfeld zieht. Irgendjemand muss mir schließlich die BILD vom Kiosk holen. Prost.«
Seine Wohnung finde ich verwaist vor, doch ich höre Stimmen aus dem Keller.
Ich treffe Horst zusammen mit einem breitschultrigen Mann, in dessen wallenden Vollbart Vögel verstecken spielen können. Er trägt einen beigen Pullunder über einer Latzhose. Horst trägt einen Nadelstreifenanzug, als wäre er Sprecher eines DAX-Unternehmens. Sehr befremdlich.
»Bresser, schön dass du da bist.«
So freundlich begrüßt mich Horst selten. »Moin, Horst. Danke für den Schampus.«
»Da nicht für, Bresser. Ich hab’s ja. Sollst auch nicht leben wie ein Hund.« Horst klopft mir gönnerhaft auf die Schulter. »Habt ihr eigentlich mal über einen Umzug nachgedacht? Hannover bietet viele schöne Viertel, wo dich die Muse küssen kann. Ihr braucht nicht ausgerechnet hier zu leben.«
»Auch andere Städte haben ihre Reize. Leipzig, Berlin, Bitterfeld?« Der Bärtige drückt mir einige Reiseführer in die Hand.
»Kannst du mich bitte aufklären, was das alles soll?«, frage ich Horst.
»Lange Geschichte, Bresser. Mein Fallmanager hat mir Beine gemacht. Ich soll klotzen, nicht kleckern. Selbständigkeit in einem zukunftsträchtigen Markt, hat er vorgegeben. Deshalb gründe ich jetzt die Horst AG und gehe unter die Fracker. Mensch, Bresser, ich bin aufgeregt wie ein Goldschürfer in Alaska, der einen gelben Schimmer im Fluss entdeckt hat.«
Horst holt einen Packung Dunhill aus der Anzugstasche.
»Mit gutem Recht, Herr Kroschinski. Wir packen das und scheffeln Millionen«, bekräftigt der Vollbart.
»Was zum Teufel ist ein Fracker?«, frage ich verblüfft.
»Erdgasförderung. Wir injizieren mehrere 100 Meter unter der Erde Flüssigkeiten, brechen das Gestein und fördern Gas mittels Bohrtürmen, mal ganz vereinfacht ausgedrückt.«
»Und wer ist dein Kollege hier?«
»Dr. Eberhard Ringmann. Ich betreue als Geologe die Horst AG in Gründung.«
Er wedelt angewidert Horsts Zigarettenrauch zur Seite.
»Und was soll diese Umzugsempfehlung?«, frage ich.
»Gut, dass du darauf zu sprechen kommst. Doc Ringmann hat ermittelt, dass unter unserem Haus gewaltige Gasvorkommen schlummern. Die wollen wir bergen. Wenn das Haus durch unsere Trupps abgerissen wird, können wir hier nicht mehr wohnen. Ist doch logisch, oder. Ich ziehe sowieso nach Isernhagen oder Burgwedel, wo erfolgreiche Unternehmer wie Dirk Rossmann und ich hausen.«
»Ich bitte dich, Horst. Willst du den ganzen Stadtteil abreißen? Außerdem kann ich mir nicht vorstellen, dass es der Umwelt bekommt, wenn du Chemikalien in die Erde einleitest.«
Am liebsten würde ich jetzt auch rauchen, meine Wut braucht ein Ventil.
»Die Amis fracken seit Jahren. Die Umweltbedenken hatte ich auch, aber die Bereinigung der Arbeitslosenquote kommt vor Ökologie, sagt mein Fallmanager.«
»Horst geht an die Börse, verkauft mit Millionengewinn und setzt sich zur Ruhe. Dann schreibt er seine Biographie und scheffelt nochmals Millionen. Vorträge vor dem Bundestag, der UNO, Nobelpreis. Und das in fünf Jahren. Horst ist Visionär.«
Horst sackt zusammen.
»Und dann brauche ich nichts mehr zu tun?«
Ringmann klopft ihm auf die Schulter.
»Dann kannst du relaxen und lässt die anderen für dich arbeiten. Hast Zeit zum Philosophieren und kannst Zeitung lesen, wann du willst.«
»Das kann ich auch, ohne die Umwelt zu zerstören.« Horst knufft Ringmann. Dann holt er eine Flasche Herri aus seinem Aktenkoffer. »Ich denke ihr sucht euch einen anderen Nobelpreisträger und ich mir einen anderen Zirkus. Dunhill und Millionen sind einfach nicht meine Welt. Außerdem würde mir Bresser fehlen, wenn er nach Bitterfeld zieht. Irgendjemand muss mir schließlich die BILD vom Kiosk holen. Prost.«
Samstag, Juni 08, 2013
Sohn 4.0
Schnack mit Marten
Michael: Manchmal hörst du wirklich schlecht auf uns. Wenn's zum Beispiel um Hausaufgaben und das I-Pad geht. Da könnte sich bessern.
Marten: Da vertröste ich dich auf den 25.06., Michael.
Michael: Da hast du Geburtstag. Was soll da passieren?
Marten: Genau, ich werde 10 und bekomme im Schlaf eine neue Software mit besserer Spracherkennung aufgespielt. Dann bin ich euer Marten 4.0.
Michael: Aha. Und dieser Marten 4.0 gehorcht besser?
Marten (rollt die Augen): Michael, das weiß ich doch nicht. Bei den Microsoft-Updates sind auch immer jede Menge Bugs enthalten. Ich verspreche nur, dass es anders wird. Ob es besser wird, muss die Praxis zeigen.
Michael: Manchmal hörst du wirklich schlecht auf uns. Wenn's zum Beispiel um Hausaufgaben und das I-Pad geht. Da könnte sich bessern.
Marten: Da vertröste ich dich auf den 25.06., Michael.
Michael: Da hast du Geburtstag. Was soll da passieren?
Marten: Genau, ich werde 10 und bekomme im Schlaf eine neue Software mit besserer Spracherkennung aufgespielt. Dann bin ich euer Marten 4.0.
Michael: Aha. Und dieser Marten 4.0 gehorcht besser?
Marten (rollt die Augen): Michael, das weiß ich doch nicht. Bei den Microsoft-Updates sind auch immer jede Menge Bugs enthalten. Ich verspreche nur, dass es anders wird. Ob es besser wird, muss die Praxis zeigen.
Montag, Juni 03, 2013
Horst geht nach Bayern
Es gibt Dinge, die gibt es nicht. Gibt es sie doch, sollte es sie nicht geben. Als ich Horst eine Tüte Tomaten aus unserer Biokiste vorbeibringe, empfängt mich eine akustische Dusche aus bayrischer Blasmusik. Mir quillt vor Schmerz das Schmalz aus den Ohren. Horst tanzt in einer Krachledernen Schuhplattler. Seine blaue Joggingjacke hat er gegen eine von Bayern München ausgetauscht.
»Moin, Horst. Was soll dieses ekelhafte Outfit?«, brülle ich.
Widerwillig drosselt Horst die Folterklänge.
»Was ist? Siehst du nicht, dass ich beschäftigt bin!«
»Was machst du da?«
»Liegt doch auf der Hand. Die Bayern haben Mario Götze verpflichtet, nun wollen sie mich auch. Daher versuche ich, mich in die süddeutsche Lebensart einzuleben. Schwierig, ich mag einfach kein Weizenbier.« Er steckt sich eine Roth Händle an und nippt am Herri.
»Götze ist ein Fußballsöldner.«
»Du Depp. Die Karriere des Jungen dauert doch maximal 15 Jahre. Da muss es zusehen, wo er bleibt. Wenn Bayern ihm zwei Millionen mehr im Jahr zahlt, braucht er nach Feierabend keine Pizza mehr auszufahren.«
»Und was wollen die mir dir? Du kickst doch ziemlich suboptimal, selbst passiv. Nach einer Dopingprobe dürftest du lebenslang gesperrt werden.«
Horst schaut mich verzweifelt an.
»Bresser, dein Hirn ist leerer als die Bitterfelder Vergnügungsmeile. Seit wann spielt die ARGE Fußball? Ich soll mich in München als bedürftig melden. Die zahlen die höchsten Hartz-Tantiemen, sagt mein Fallmanager. Dafür könne ich mir vier Kästen Herri zusätzlich leisten.«
»Du bist manchmal ganz schön naiv, Horst. In München sind die Lebenshaltungskosten wesentlich höher als in Niedersachsen. Deshalb bekommst du mehr. Wenn du einmal durch Schwabing bummelst, ist dein Monatseinkommen aufgebraucht.«
»Bei deinen verzweifelten Gegenargumenten, könnte ich fast glauben, dass dir etwas an mir liegt. Aber darauf falle ich nicht rein. Mein linker Zeh hat mir geflüstert, dass du jämmerlicher Gutmensch meine Butze als Gemüselager anmieten willst.«
Ich atme auf.
»Also bleibst du?«
»Ich bin nicht käuflich. Wenn die mir einen Job als Leergutsammler oder Chefkomiker des Bayrischen Rundfunks angeboten hätten, würde ich vielleicht umziehen. Das würde mich erfüllen. Glück ist keine Frage des Geldes oder des Wohnorts sondern des inneren Friedens.«
»Und du bist glücklich?«
Horst entzündet eine Roth-Händle und umhüllt seinen Körper mit Rauch.
»Wer sich so gründlich wie ich mit dem Delirium beschäftigt, begegnet unweigerlich Gott. Und die junge Dame hat mir erzählt, dass alles gut ist. Bei Götze und mir. Nur die ARGE besitzt Optimierungspotenzial. Genug gequatscht. Ich meditiere jetzt eine Runde. Prost, Bresser.«
»Moin, Horst. Was soll dieses ekelhafte Outfit?«, brülle ich.
Widerwillig drosselt Horst die Folterklänge.
»Was ist? Siehst du nicht, dass ich beschäftigt bin!«
»Was machst du da?«
»Liegt doch auf der Hand. Die Bayern haben Mario Götze verpflichtet, nun wollen sie mich auch. Daher versuche ich, mich in die süddeutsche Lebensart einzuleben. Schwierig, ich mag einfach kein Weizenbier.« Er steckt sich eine Roth Händle an und nippt am Herri.
»Götze ist ein Fußballsöldner.«
»Du Depp. Die Karriere des Jungen dauert doch maximal 15 Jahre. Da muss es zusehen, wo er bleibt. Wenn Bayern ihm zwei Millionen mehr im Jahr zahlt, braucht er nach Feierabend keine Pizza mehr auszufahren.«
»Und was wollen die mir dir? Du kickst doch ziemlich suboptimal, selbst passiv. Nach einer Dopingprobe dürftest du lebenslang gesperrt werden.«
Horst schaut mich verzweifelt an.
»Bresser, dein Hirn ist leerer als die Bitterfelder Vergnügungsmeile. Seit wann spielt die ARGE Fußball? Ich soll mich in München als bedürftig melden. Die zahlen die höchsten Hartz-Tantiemen, sagt mein Fallmanager. Dafür könne ich mir vier Kästen Herri zusätzlich leisten.«
»Du bist manchmal ganz schön naiv, Horst. In München sind die Lebenshaltungskosten wesentlich höher als in Niedersachsen. Deshalb bekommst du mehr. Wenn du einmal durch Schwabing bummelst, ist dein Monatseinkommen aufgebraucht.«
»Bei deinen verzweifelten Gegenargumenten, könnte ich fast glauben, dass dir etwas an mir liegt. Aber darauf falle ich nicht rein. Mein linker Zeh hat mir geflüstert, dass du jämmerlicher Gutmensch meine Butze als Gemüselager anmieten willst.«
Ich atme auf.
»Also bleibst du?«
»Ich bin nicht käuflich. Wenn die mir einen Job als Leergutsammler oder Chefkomiker des Bayrischen Rundfunks angeboten hätten, würde ich vielleicht umziehen. Das würde mich erfüllen. Glück ist keine Frage des Geldes oder des Wohnorts sondern des inneren Friedens.«
»Und du bist glücklich?«
Horst entzündet eine Roth-Händle und umhüllt seinen Körper mit Rauch.
»Wer sich so gründlich wie ich mit dem Delirium beschäftigt, begegnet unweigerlich Gott. Und die junge Dame hat mir erzählt, dass alles gut ist. Bei Götze und mir. Nur die ARGE besitzt Optimierungspotenzial. Genug gequatscht. Ich meditiere jetzt eine Runde. Prost, Bresser.«
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