Montag, Oktober 18, 2010

Bestseller 15: Begegnung mit Jesus' Jünger



Bevor ich nach Hause gehe, hole ich Frustbewältiger vom Kiosk: Eine Kiste Herrenhäuser. Ich glaube kaum, dass irgendjemand auf diesem Planeten größeren Anlass hat, sich quälenden Depressionen hinzugeben. Es scheint nichts zu laufen. Laufen lasse ich Becks Loser, den perfekten Soundtrack zu meinem Leben. Erstens: Meine Liebste ist enttäuscht von mir und siedelt nach Amiland über. Zwischen beiden Sachverhalten besteht zwar kein direkter Zusammenhang, aber das ist mir momentan egal. Ich köpfe die erste Flasche.
Zweitens: Ich habe zwar einen großzügigen Vorschuss von meinem Arbeitgeber erhalten, doch das miese Schwein erpresst mich. Dafür gibt es allerdings keinen Anlass mehr, da ich gebeichtet habe. Meine Lust, für Pierre zu arbeiten, bewegt sich im Minusbereich. Aber er wird kaum einen Aufhebungsvertrag mit mir unterschreiben. Ich beschließe, das Problem auszusitzen. Einfach keine Reaktion zeigen. Der wird Besseres zu tun zu haben, als mir hinterherzulaufen. Ich köpfe die zweite Flasche. Drittens: Mein bester Freund liegt auf der Intensivstation im Krankenhaus. Wenn er nicht schleunigst clean wird, dürfte er eine geringe Lebenserwartung haben. Ich weiß nicht, wie ich ihm wieder auf die Beine helfen soll. Bin ja kein Therapeut. Ich köpfe die dritte Flasche. Viertens: Meine Verlegerin verarscht mich. Nach abgesprochenen dreitausend Euro soll ich ihr weiteres Geld zukommen lassen. Ein Fass ohne Boden, wie es scheint. Ich köpfe leicht angeduselt die vierte Flasche. Es ist sechzehn Uhr dreißig. Da dürfte im Verlag noch gearbeitet werden. Ich greife zum Hörer.
»Bitte», meldet sich eine Bassstimme. Seltsam, wir haben bei unserem Besuch keinen Mann im Verlag gesehen.
»Horst Stengel hier», artikuliere ich etwas undeutlich. »Ich will Frau Ahmert sprechen. Wegen meines Buches. Es kann nicht sein, dass ich noch mehr zahlen soll als die vereinbarten dreitausend Euro», stottere ich wütend herum.

Am anderen Ende wird zunächst geschwiegen, dann sagt er in breitem Badener Akzent »Mein Name ist Zimmer von der Kriminalpolizei Offenburg. Wir ermitteln gegen den Ahmert-Verlag wegen Insolvenzverschleppung und Eingehungsbetrug. Zurzeit führen wir eine Durchsuchung der Räumlichkeiten durch.»
Ich bin geplättet.
»Was heißt das?», frage ich.
»Wie ich Ihren Ausführungen entnehmen kann, sind sie Autor des Verlages?»
»Ja, aber Frau Ahmert wollte neben dem bereits gezahlten Betrag weitere Gelder von mir. Für ihren in Südamerika verschleppten Bruder. Sonst würde es mit der Veröffentlichung dauern.»
Herr Zimmer räuspert sich.
»Eigentlich darf ich zu laufenden Verfahren nichts sagen. Aber wir gehen davon aus, dass Frau Ahmert Verträge abgeschlossen hat und wusste, dass sie die Bücher nicht herstellen kann. Der Verlag scheint seit längerem vollkommen überschuldet zu sein. Der einzige Posten von Wert, die Druckerei, wurde vor drei Monaten zu einem verdächtig niedrigen Preis an einen Investor aus Großbritannien verkauft. Alles sehr undurchsichtig. Frau Ahmert wird aber nach jetzigem Ermittlungsstand nicht in der Lage sein, noch irgendein Buch herauszubringen. Tut mir Leid, dass ich Sie enttäuschen muss. Wenn ihr Name in den Unterlagen steht, werden Sie einen Anhörungsbogen der Staatsanwaltschaft erhalten. Nochmals: Für die Autoren tut es mir Leid. Trotzdem einen schönen Abend.»
Er legt auf. Ich köpfe die fünfte Flasche, oder ist es bereits die sechste? Zählen habe ich längst aufgegeben. Es steht schlimmer, als ich angenommen habe. Geld weg, keine Chance auf Veröffentlichung. Der Traum vom Bestseller geplatzt wie eine Seifenblase, die auf Stacheldraht landet. Ich fühle mich, als ob ich in verschiedene Richtungen loslaufe, aber immer nur in derselben Sackgasse lande. No exit. Ich brauch jemanden, mit dem ich sprechen kann, der mir neue Wege aufweist. Antje. Nein, die kann ich nicht anrufen. Sie ist ja Teil meiner Krise. Wäre unsere Beziehung noch intakt, würde es mir bestimmt besser gehen. Fünfzig Prozent besser, schätze ich vorsichtig. Oder sogar sechzig? Vielleicht sollte ich mich versöhnen, flüstert der Alkohol. Ich greife zum Hörer. Will mein Herz ausschütten. Doch dann flüstert der männliche Stolz: Mach dein Glück nicht so stark von einer Frau abhängig. Da kommt mir eine Idee.

Ich schmeiße den Rechner an und surfe auf Google. Nachdem ich die Wörter „persönliche“, „Krisen“ und „Forum“ eingetickert habe, werde ich fündig. Das Katastrophen-Forum bildet eine Community von Leuten wie mir, die auf der Schattenseite des Lebens krauchen. Die Rubriken Beziehungskrisen, finanzielle Pleiten, ungerechte Behandlungen, Behördenwillkür, Mobbing und viele andere zeigen mir, dass ich mich mit Gleichgesinnten austauschen kann. Die Kollegen haben Ähnliches erlebt.
Ich registriere mich und notiere unter der Rubrik Lebenskrisen meine gesammelten Desaster. Kurze Zeit später aktualisiere ich die Seite. Super, es hat jemand geantwortet. Der User Krisenmanager, ebenfalls aus Hannover, schreibt mir, dass seine Biographie noch finsterer als meine ist. Haus ist abgebrannt, seine Frau ist weg, er hat Krebs bekommen, ist aber inzwischen geheilt, hat seinen Job verloren und hundertfünfzigtausend Euro Schulden. Ich komme aus dem Staunen nicht heraus. Da geht es mir ja richtig gut. Ich schreibe, dass mich sein Schicksal berührt. „Kein Mitleid“, antwortet er. Er sei auf einem guten Weg. Ein Mensch müsse aus Krisen gestärkt hervorgehen. Ich bewundere ihn. Kein Jammern, kein Hadern mit den Ungerechtigkeiten des Lebens. Dieser Mann steht wie ein Fels in der Brandung. Ich frage ihn, woher er seinen Optimismus nimmt.
Sport lautet die überraschende Antwort. Er habe für einen Marathonlauf trainiert und diesen ein halbes Jahr später erfolgreich absolviert. Dann hätte sich alles andere auch ergeben. Kann ich mir schwer vorstellen. Einfach durch die Gegend laufen und der Buchvertrag kommt von selber, die Frau kehrt zurück und Porno-Pierre streicht mich aus seinem Gedächtnis? Da sei ja nur ein Beispiel. Er habe noch ganz andere Methoden zur Krisenbewältigung in seinem Zauberkoffer. Klingt ein wenig nach Tony Robbins und ähnlichem Motivationsscheiß, zu dem mich Bea überreden wollte. Schreibe ich ihm auch. Nein, keine Angst. Er sei nur ein Self-Made-Crises-Fighter. Wir würden nah beieinander wohnen. Er komme gerne morgen bei mir vorbei. Da könnten wir ein wenig plaudern. Wahrscheinlich würde ich dann meine Situation differenzierter sehen. Was heißt differenzierter? Aber ich bin beim mindestens zehnten Bier, da sind solche Fragen nebensächlich. Ich schicke ihm per Mail meine Adresse. Es schadet sicher nicht, mit einem ehemaligen Leidensgenossen über die Ungerechtigkeit der Welt und der Frauen zu quatschen. Er verspricht im Laufe des Vormittags aufzutauchen. Wir verabschieden uns. Ich lege Coldplay in den CD-Schacht und versinke bei weiteren Herrenhäusern in bittersüßer Melancholie, bis ich auf meiner Couch einschlafe.

Am nächsten Morgen erwache ich, weil in meinem Kopf eine Abrissbirne gegen die Synapsen zu bollern scheint. Jede Sekunde ein neuer Schmerz. Zumindest kurzfristig treten meine sonstigen diversen Probleme in den Hintergrund. Zudem bemerke ich durch den grauen Schleier des Katers hindurch, dass es an der Tür klingelt. Sturm, als stünde eine Katastrophe bevor und ich sollte vor den nahenden Fluten evakuiert werden. Ich stelle fest, dass ich mich gestern nicht ausgekleidet habe. Ich fühle mich zwar matschig und müffele auch leicht, aber das wird bestimmt dieser Forumsheini sein, erinnere ich mich mühsam. Während ich hin- und herüberlege, ob ich zuerst Kaffee aufsetzen oder die Tür öffnen soll, schellt es weiterhin, als wäre jemand mit dem Finger auf der Schelle kleben geblieben. So eilig ist meine Rettung auch nicht, denke ich und widme mich zunächst dem Kaffee. Jeder kleine Schritt dieser alltäglichen Verrichtung fällt mir schwer. Als braune Suppe in die Glaskanne tropft, merke ich, dass ich den Filter vergessen habe. Scheint nicht mein Tag zu werden. Da sich an der Klingelkulisse nichts geändert hat, beschließe ich die Kaffeeproblematik später anzugehen.

Als ich die Tür öffne, erwartet mich eine Überraschung. Eine unangenehme, was sonst. Ronny und ein noch unsympathischer aussehender Typ mit Glatze und einem Zöpfchen drängen mich in die Wohnung. Dieser trägt einen pinken Anzug, darunter ein weißes fast bis zum Bauchnabel geöffnetes Hemd.
»Morgen Schisser, gestern wieder zu tief ins Glas geschaut, was? », tätschelt mir Ronny das Kinn, was einem mittleren Erdbeben gleicht. Ich falle gegen die Wand.
»Vorsicht, Vorsicht, Kollege, deine Wohnung hat viele Stolperfallen», grinst Ronny. »Hab ich dir schon Bernie vorstellt? Ein Kumpel, der aus Thailand zum Europaurlaub gejettet ist. Hilft Pierre beim Aufbau einer Auslandsniederlassung. Läuft gut. Kaum Kosten, viel Ertrag. Außerdem hatte Bernie Probleme mit den Bullen hier in Deutschland. Die wollten ihn echt verknacken. Dabei ist Körperverletzung heute doch ein Kavaliersdelikt.»
Er lässt sich auf meine Couch fallen. Bernie bleibt stehen, knackt mit den Handgelenken und grinst hohl.
»Bin ein toller Kavalier. Weiß die Polente gar nicht zu schätzen», textet er mich zu und steckt sich eine Zigarette an. Ronny steht auf, holt meine Hannover-Tasse aus dem Schrank und kippt sich Kaffee ein, als sei er hier zu Hause. Er nimmt ein Schluck und spuckt sofort auf den Boden.
»Bah, willst du mich vergiften, Alter? Wenn du Zeug in den Abguss kippst, bekommst du Probleme mit den Umweltfuzzis. Ist ja kriminell.»
Ronny und Bernie lachen dreckig im Chor, dass ich Angst bekomme, dass der Putz von der Decke bröckelt.
»Was wollt ihr? », frage ich. »Ihr könnt mich nicht erpressen. Meine Freundin kennt die Geschichte vom Spezial. Ist alles in Ordnung. Ihr könnt Pierre sagen, für einen Gangster arbeite ich nicht. Die Kohle kriegt er innerhalb des nächsten Jahres zurück.»
Meine beiden Besucher blicken sich an, verziehen die Gesichter und brechen wieder in schallendes Gelächter aus. Können sich gar nicht mehr beruhigen. Bernie ascht aufs Linoleum. Wie krieg ich das Gespann nur wieder aus der Wohnung?
»Hör zu, mein Freund», wird Ronny mit einem Schlag ernst. »Wer mit Pierre Geschäfte macht, steigt nicht einfach aus. Capice? Der Vertrag ist sozusagen auf Lebenszeit geschlossen. Der Boss vertraut dir, und du schwörst bedingungslose Treue. Treue bis in den Tod.»
Dieses Ganovengesabber geht mir gehörig auf den Zeiger. Wen will er mit diesen Sprüchen beeindrucken? Aber seine aggressive Aura lähmt meine Zunge.
»Pierre hat mich gestern zu sich gerufen. Ronny sagte er, der Horst macht mir Sorgen. Ich glaube, der hat die Prinzipien unserer Geschäftsbeziehung nicht richtig verstanden. Das waren Pierres Worte. Ich bin ein einfacher Mann der Tat. Ich könnte mich nie so gewählt ausdrücken.
Aber dann habe ich überlegt und mir gedacht: Der Boss hat wie immer Recht. Da habe ich gesagt: Mein lieber Pierre, es kann sich nur um ein kleines Missverständnis handeln. Nichts, was man nicht aus der Welt schaffen könnte. Ich werde mit Horst reden. Horst versteht und ist wieder auf unsere Unternehmensziele eingenordet. Und zur Unterstützung nehme ich Bernie mit. Der hat Erfahrung mit Motivation. Was denkst du darüber, Schisser?»
In Gedanken spreche ich ein Stoßgebet. „Lieber Gott, ich habe mich lange nicht bei dir gemeldet. Wenn es dich geben sollte, lass Ronny und Bernie schnellstmöglich von hier verschwinden, ohne dass mein Mobiliar oder meine Gesundheit Schaden nehmen.“
Nichts passiert, hätte mich auch gewundert.
»Ich höre nichts, Arschloch. Hast du mich nicht verstanden?», hievt Ronny seine hundertzwanzig Kilo Muskeln von der Couch. Ich weiche unwillkürlich zurück. Da schellt es.
»Wer ist das?», fragt Bernie panisch und holt einen Revolver aus dem Jackett. Oh Gott, die Kerle sind bewaffnet.
»Bestimmt nur die Post. Halt den Ball flach, Bernie. Wir leben in einem Rechtsstaat. Da kommen einem keine bewaffneten Psychos auf die Bude», gackert Ronny. Bernie kichert, wirkt aber noch immer nervös.
Doch das Klingeln dauert an.
Ronny runzelt die Stirn.
»Erwartest du Besuch, Freak?»
Ich überlege. Das könnte der Typ aus dem Forum sein.
»Ein Bekannter wollte heute Morgen vorbeikommen. Den kann ich auch nicht abwimmeln. Da wittert der Verdacht.»
Es klingelt unermüdlich weiter. Scheint sich zur Mode zu entwickeln. Ronny überlegt angestrengt. Es sieht aus, als ob seine gesamten drei Gehirnzellen auf Hochtouren laufen.
»Steck die Knarre weg», faucht er Bernie an. »Muss denken.»
Bernie streichelt über die Waffe, bevor er sie wieder in den Tiefen seines Sakkos verschwinden lässt.
»Mach auf. Sag ihm, wir sind Freunde. Du hast nicht viel Zeit. Und dann beförderst du ihn wieder an die frische Luft. Capice?»
Ich nicke und öffne. Vor mir steht ein wandelnder Meter mit braunen Locken in einem billigen C&A-Anzug. Die Krawatte hängt schiefer als der Turm von Pisa. Er strahlt über alle vier Backen. Dabei sind seine Zähne nikotinvergilbt. In der Hand hält er eine schwarze Laptoptasche.
»Krisenberater zur Stelle. Darf ich reinkommen? », wartet er meine Antwort nicht ab und stiefelt ins Innere meiner Wohnung. »Oh, du hast Freunde zu Besuch. Entzückend. Aber das macht nichts. Meine Botschaft hilft allen zu einem besseren Leben.»
Ich schließe die Tür, während es sich Krisenberater neben Ronny bequem macht. Der fühlt sich sichtlich unwohl. Er ruckelt nervös auf der Couch hin- und her, als würde sein Hintern jucken.
»Mein Name im Real Life ist übrigens Carsten Roschke. Und Horst, noch immer depri drauf?», quatscht er in einer Tour, als liefen seine Stimmbänder auf Autopilot.
»Horst, die Vergangenheit war gestern, aber heute fängt deine Zukunft an.»
Ronny gibt in Kniehöhe Handzeichen. Anscheinend soll ich Roschke so schnell wie möglich vor die Tür befördern. Bernie scheint allerdings angetan. Sein Gesicht zeigt etwas Ähnliches wie ein Lächeln.
»Carsten, es passt momentan schlecht», versuche ich mein Glück. »Wir sind in einer geschäftlichen Besprech…»
Roschke winkt ab. »Papperlapapp. Was ich euch zu erzählen habe, wird eure Perspektiven so grandios erweitern, dass ihr euch fragen werdet, was ihr ohne mich im Leben getan habt. Wie ich Horst bereits geschrieben habe, stand es um mich nicht zum Besten.»
Er berichtet Ronny und Bernie von den unzähligen Katastrophen seines Lebens. Bernie strahlt immer mehr, Ronny wird zeitgleich nervöser.
»Gibt es nicht», weiten sich Bernies Augen. »Du hast ja die Scheiße an den Hacken.»
»Und ich habe meine Lektion gelernt, lieber Freund», nickt Carsten. »Denn dann kam ein Erlebnis, das mein Leben zum Guten bekehrte: Ich traf nicht Jesus; nein viel besser: Guido Klatt vom GWD.»
Bernie hängt an seinen Lippen. Ich warte auch gespannt. Nur Ronny platzt langsam der Kragen.
»Komm zum Punkt, Kollege. Wir haben nicht bis morgen Zeit», steht seine Aggressivität kurz vor ungezügelter Eruption.
»Halt den Ball flach, Ronny», tadelt Bernie. »Mich interessiert, was der Kollege zu sagen hat. Bitte lass dir Zeit, Carsten.»
»In einer Stunde haben wir einen Termin in Braunschweig. Uns rennt die Zeit davon.»
Ich habe keinen Zweifel, dass Ronny keine Skrupel hat, mich und Roschke als Bonus zu vermöbeln. Zu meinem Glück scheint Bernie wirklich auf den Knaller zu stehen.
»Dann fahr alleine», wird er abgebügelt. »Ich regele das hier schon.»
Wütend erhebt sich Ronny. Die ganze Show umsonst.
»Wir sprechen uns noch. Ich komme wieder», zischt er mir im Herausgehen zu.
»Wirklich schade, lieber Freund, dass du uns schon verlassen willst», säuselt Roschke. »Denn das Beste kommt erst jetzt. Ein Modell, wie du im Jahr mehrere hundert bis tausend Talerchen sparen kannst. Aber deine Kontoauszüge hast du wahrscheinlich nicht dabei?»
Ronny knallt die Tür hinter sich zu.
Carsten hebt bedauernd die Schultern. »Wer nicht will, der hat schon. Ich werde euch jetzt ein fantastisches Konzept verraten, was euer Leben auf eine neue Stufe des Wohlstandes hieven wird. Versprochen.»
Er quatscht von Lebensversicherung, Vermögensumschichtungen, Fondssparplänen und Steuerersparnissen. Mir wird schlecht, aber in Bernie hat er ein bereitwilliges Opfer gefunden.
Leider hat Bernie keine Kontoauszüge dabei, hebt sein Geld sowieso lieber bar auf. Aber über Investments hat er auch schon oft nachgedacht. Vielleicht sollten sie sich mal zum Bierchen in der Kneipe treffen? Dann hat er alles dabei. Roschke strahlt.
»Mein lieber Horst, wie sieht es denn bei dir aus? Wenn du kein passives Einkommen erwirtschaften willst, habe ich ein fantastisches Jobangebot für dich. Werde Juniorberater unter meinen Fittichen», baggert er. »Dann kommt das Glück wie von alleine in dein Leben zurück. Die Verdienstaussichten bei minimalem Arbeitseinsatz sind fantastisch.»
Dankend lehne ich ab.
»Ich dachte, du würdest mir bei meinen konkreten Problemen weiterhelfen. Und nicht irgendwelchen Finanzkram aufschwatzen.»
Roschke verzieht enttäuscht das Gesicht. »Jetzt bist du undankbar. Der GWD hat alle meine Probleme beseitigt. Ich glaube, nein weiß heute: Es gibt überhaupt keine Probleme, nur Herausforderungen.»
»Sorry, da habe ich kein Interesse dran. Ich muss jetzt einige wichtige Telefonate führen. Wenn ihr euer Gespräch woandershin verlegen könntet, wäre ich dankbar.»
Beide brummeln. Da scheint eine wirklich feste Männerfreundschaft entstanden zu sein. Mir soll es Recht sein. Zumindest sind meine Knochen heile geblieben. Sie beschließen in dem Dönerladen zwanzig Meter weiter zu quatschen. Roschke verabschiedet sich.
»Horst, das wird alles wieder», er drückt mir seine Visitenkarte in die Hand. »Wenn du noch Fragen hast, ich habe jederzeit ein offenes Ohr für dich. Und wegen der Freundin: Beim GWD arbeiten jede Menge heißer Häschen. Siehst ja nicht übel aus, da staubst du bestimmt was ab», kneift er ein Auge zu.
Ein Kotzbrocken erster Güte. Aber im Internet merkst du oft spät, welcher Idiot sich hinter dem wohlklingenden Nick verbirgt.
»Man sieht sich», lüge ich. Als er aus der Tür ist, sagt Bernie »Ich muss noch eine Minute mit Horst alleine unter vier Augen sprechen.»
Er schließt die Tür und rammt mir ansatzlos seinen Ellenbogen in den Magen. Ich sinke zusammen, doch er reißt mich an den Haaren hoch und rammt mir seinen Arm vor die Nase. Ein unermesslicher Schmerz lässt mich zusammenzucken. Blut strömt über mein Gesicht. Ich übergebe mich. Bernie springt zur Seite.
»Hör zu, Wichser. Ein schlechtes Wort über Pierre zu irgendjemanden, und du kommst nicht so glimpflich davon. Dann ist der Schongang beendet. Fick nie einen Ficker. Hast du mich verstanden, Pisser?»
Ich nicke, sehe aber nichts, da er mir auch an der Wange eine Platzwunde verpasst haben muss. Zufrieden nickt Bernie.
»Wenn ich noch mal wiederkommen muss, hast du hoffentlich dein Testament gemacht. Dann bin ich nicht so launig aufgelegt. Bedank dich bei Carsten.»
Er schlägt mich noch mal halbherzig in den Magen und verschwindet. Eine weitere Fontäne Magensäure schießt aus meinem Mund. Ich schleppe mich zur Couch und sinke ins Polster. Dabei blute ich alles voll, aber das stört mich momentan am Wenigsten. Es klingelt wieder.
Verdammt, ist heute Tag der offenen Tür. Bernie und Ronny können es nicht wieder sein, überlege ich. Dann ist es auch nicht riskant, die Tür zu öffnen. Schlimmer kann es nicht mehr kommen.

»Sweety, wie siehst du denn aus», erschreckt sich Antje. »Was ist denn passiert?»
»Mitarbeitergespräch mit den Chargen von Porno-Pierre», stöhne ich. Antje holt einen Waschlappen und wischt mir das Blut aus dem Gesicht. Schmerzt noch immer unglaublich.
»Ich glaube, deine Nase ist gebrochen. Du musst zum Arzt.»
»Gleich», stöhne ich. »Ich fühle mich zu schlecht, um weite Fahrten zu unternehmen.»
»Jetzt erzähl schon, wer hat dich so zugerichtet?»
Stöhnend berichte ich von meinem unerfreulichen Besuch. Antje kommt aus dem Staunen nicht heraus.
»Ich will nicht die Klugschwätzerin spielen. Eigentlich bist du selber Schuld. Wie kannst du dich mit solchen Gesocks einlassen? Jetzt brauchen wir eine Lösung. Du musst diesen Pierre anzeigen.»
»Der lässt mich umbringen», verkneife ich mir einen Aufschrei, als Antje unabsichtlich meine Nase berührt.
»Fassen wir zusammen. Der Kerl erpresst dich, in seinem Lokal werden harte Drogen konsumiert, es ist fraglich, ob die Frauen alle freiwillig für ihn arbeiten. Das dürfte doch reichen.»
»Wofür? », frage ich verzweifelt. »Ich habe keinen Beweis. Wenn die Bullen das Spezial durchsuchen, werden sie nichts finden. Der Kerl ist mit allen schlechten Wassern dieser Welt gewaschen. Und ob eines der Mädels gegen Pierre aussagt, wage ich auch zu bezweifeln.»
»Aber versuchen müssen wir es», drängt Antje. »Der lässt dich sonst nie in Ruhe. Und ich gebe diesem Bernie recht: Beim nächsten Mal werden sie nicht nur deine Nase brechen.»
»Warum interessiert dich das eigentlich? Wir sind doch getrennte Leute?», kann ich mir nicht verkneifen.
»Süßer, Pack schlägt sich, Pack verträgt sich», grinst sie. »Ich habe überreagiert. Es war nicht okay, dass du mich angelogen hast. Hat mich schwerer enttäuscht, als ich gedacht hätte. Und du hast dich überhaupt nicht gefreut, dass ich nach New York gehe. Das war auch kein Burner.»
»Was erwartest du? », frage ich fassungslos. »Du ziehst tausend oder mehr Kilometer weit weg und ich soll Purzelbäume vor Glück schlagen? Aber mittlerweile denke ich, dass unsere Beziehung halten wird. Deine USA-Aufenthalt dauert ja nicht die Ewigkeit.»
Antje schaut ein wenig traurig. »Finde ich auch nicht toll. Es war eigentlich nicht geplant, dass ich mich verliebe.»
»So ist das Leben», klinge ich nur etwas resigniert. »Vielleicht suche ich mir einen Zweitjob, dann kann ich mir auch die Flugtickets leisten», rede ich uns gut zu.
Ich streichele Antjes Kopf. Ihre Augen schimmern feucht.
Wir sitzen eine Weile schweigend und sinnieren, halten uns in den Armen.
Lass uns jetzt ins Krankenhaus fahren, um dich zu versorgen», spielt sie die Fröhliche. »Wir können den Andi auch gleich besuchen. Ist ja praktisch, dass du dich heute hast zusammenschlagen lassen.»
Ich merke in diesem Augenblick, wie sehr ich sie liebe und könnte losheulen. Doch ich spiele auch den Zweckfröhlichen. Wir rufen ein Taxi, Kohle habe ich im Moment genug.
Der Fahrer mustert mich kritisch und will mich eigentlich nicht transportieren.
»Wenn die uns nicht mitnehmen, werde ich an die Presse gehen. Unterlassene Hilfeleistung ist weiß Gott keine Kleinigkeit. Ich sehe schon die Schlagzeile in der BLÖD: Deutschlands herzlosester Taxifahrer», faucht Antje ihn an.
»Schon gut. Aber wenn er meine Sitze voll blutet, zahlt er die Reinigung», knurrt er.
Er sieht nicht, dass Antje ihm den Stinkefinger zeigt. Hauptsache, er kutschiert uns.
»Übrigens. Mit meinem Buchvertrag ist es auch Essig», erzähle ich. Klingt wegen des Nasendefekts etwas seltsam, aber ich denke, ich kann mich an den Sound gewöhnen.
Antje schaut mich groß an. Und ich erzähle auch diese Geschichte meines ach so traurigen Lebens.
»Holy Shit. Wie viel Pech kann ein einziger Mensch nur haben? », fragt sie.
Ich überlege. Es hätte natürlich eine gewisse Berechtigung, wenn ich mich als stärkster Pechmagnet der Welt bezeichnen würde. Realistisch und objektiv betrachtet gibt es sicherlich Milliarden Menschen, denen es deutlich schlechter gehen würde. Immerhin leide ich unter keiner Hungersnot, keiner tödlichen Krankheit oder wohne in einem Land wie dem Irak, wo das Überleben des Tages bereits ein Erfolg ist. Naja, zumindest letzterer Punkt kann ich heute auch für mich verbuchen.
»Alles halb so wild», entgegne ich dennoch. »Wir fahren nachher zur Polizei. Dann hat der Ärger vor Pierres Schlägern ein Ende. Und ich werde mit Bea telefonieren, was für ein Arschloch sie sich da angelacht hat.»

Im Krankenhaus werde ich in der Chirurgie nach einer Stunde Wartezeit behandelt. Geht ja schnell. Ich erzähle dem Arzt, dass ich die Kellertreppe hinunter gestürzt sei. Der hoch gewachsene, hagere Kerl, der mich an Lucky Luke nach dreiwöchigem Hungerstreik erinnert, nickt ironisch.
Er schickt mich zum Röntgen. Antje wartet unterdessen in der Cafeteria. Eine Stunde später studiert er die Aufnahmen meines Naseninnerns.
»Das ist halb so wild», erklärt er. »Er handelt sich um eine geschlossene, unverschobene Fraktur. Da ist keine Therapie notwendig. Glück im Unglück. Wir legen Ihnen einen neuen Verband an. Wenn Sie möchten, können Sie nach einem Monat wiederkommen. Dann werde ich den Zustand ihrer Nase noch mal begutachten. Es sollte dann aber alles wieder in Ordnung sein. Sie dürfen sich allerdings zehn Tage lang nicht schnäuzen. Alles klar?»
Das sind doch gute Nachrichten. Ich habe schon gefürchtet, den nächsten Monat im Krankenhaus verbringen zu müssen. Eine Krankenschwester desinfiziert die Platzwunden, legt einen Verband an, dann werde ich entlassen.
Antje schlürft einen Kaffee und liest Tina Uebels Horro Vacui.
»Und, wie ist das Buch?», frage ich. »Die Frau ist eine Slamerlegende.»
Antje blinzelt. »Super, Ich bin Duke fand ich allerdings besser. Das fand ich mit zwanzig saucool. Wir simulieren ein aufregendes Leben, weil die Spießerwelt uns ankotzt. Na, jetzt brauch ich mir dank meinem Zuckerboy die Realität nicht aufregend zu denken», grinst sie. »Was macht deine Nase?»
Ich berichte, dass mit meinem Zinken alles gut ist.
»Hoffentlich bleibt meine Nase nicht schief», grinse ich. »Obwohl mir das ein unverwechselbares Äußeres geben würde.»
Antje lacht. »Ich werde dich auch lieben, wenn dein Näschen nicht kerzengerade in die Landschaft ragt. Äußerlichkeiten werden in der heutigen Welt überbewertet.»
Wir gehen zu Andy. Er liegt mittlerweile auf der Neurologie. Als wir sein Zimmer betreten, hat er die Augen geschlossen. Kathrin sitzt an seinem Bett und streichelt ihn über den Bauch.
»Hi, ihr», freut sie sich. Andi öffnet die Augen.
»Hallo», sagt er schlapp. Wir drücken die beiden.
»Du siehst etwas ramponiert aus, Alter», lächelt Andi. »Du hast auch schon mal besser ausgeschaut», gebe ich das Kompliment zurück.
»Habe es etwas zu wild getrieben», gibt Andi zu. »Momentan habe ich die Dosis meiner Stimmungsheber nicht im Griff. Ich war so down, Alter. Kannst du dir nicht vorstellen. Ich dachte, probier mal H. Das gibt dir ein Gefühl der Geborgenheit. Hat es auch, allerdings hat es mich fast gekillt. Nie wieder», seufzt er.
»Und nun? », fragt Antje. »Dir ist doch klar, dass es so nicht weitergehen kann, oder? Die Chemie bringt dich sonst eher über kurz als lang unter die Erde.»
Andi schaut Kathrin in die Augen, Kathrin schaut Andi in die Augen.
»Momentan denke ich lieber gar nichts. Fühl mich noch ziemlich gerädert. Aber Kathrin meint, nun ja. Ich werde mich wohl in Therapie begeben müssen. Ich dachte nicht, dass ich so fertig bin, wie es jetzt aussieht.»
Er schaut uns an.
»Ja, ist auf Kathrins Mist gewachsen, aber ich glaube sie hat Recht. Bisher habe ich gedacht, ich brauche Kicks, um meine Kreativität anzukurbeln. Aber who knows?»
Wirkt nicht recht überzeugt. Aber ist auch nicht anders zu erwarten. Wer krempelt schon mühelos von heute auf morgen seinen Lifestyle um.
»Und bei euch?», fragt er. »Du hast mir noch immer nicht erzählt, wie deine Nase zu der schicken Jacke kommt. Ist das eine Mode, die ich verpasst habe?»
Ich erzähle kurz, wie ich mich heldenhaft gegen Pierres Schlägertruppe gewehrt habe. Andi und Kathrin staunen.
»Der Hammer. Was hat der davon, dich zu drangsalieren?»
Ich zucke mit den Achseln.
»Macht, denke ich. Der ist es gewohnt, dass er die Leute in seinem Umfeld fest in der Hand hat. Um seine Pornoproduktion auf Vordermann zu bringen, braucht er einen Kreativen wie mich, der nicht aus dem Rotlichtmilieu stammt. Er behandelt mich aber genauso wie seine sonstige Bagage. Das kann nicht funktionieren. Ich gehe mit Antje zu den Bullen.»
»Ich bin stolz auch dich, Sweety», umarmt mich Antje. »Du bringst eine Linie in dein Leben.»
»Und Amerika? », fragt Kathrin. »Wie habt Ihr euch das gedacht? Ist schon eine Strecke, finde ich.»
Wir schweigen. Wird sich sicherlich finden, obwohl es mir vor dem Abschied graut.
»Ich werde neben dem Studium arbeiten und oft rüber fliegen», erklärt Antje schließlich und drückt mich noch fester.
»Ja dann», sagt Andi.
Wir verabschieden uns mit dem Versprechen, morgen wiederzukommen. Freudig bemerke ich, wie innig Kathrin Andi küsst. Trotz seiner Schwierigkeiten, seines verseuchten Körpers besteht Hoffnung auf eine Zukunft voller Liebe. Oder mutiere ich zum Spießer? Egal, jetzt werde ich erst mal Bea über ihren Macker aufklären.

Da ich das wahrscheinlich unangenehme Telefonat herauszögern will, gebe ich vor, Hunger zu haben. Wir holen uns vom türkischen Supermarkt um die Ecke Börek und essen auf der Bank vor dem Krankenhaus. Antje futtert Spinat, ich Hackfleisch. Ist wie bei Döner. Frauen essen Huhn, weil sie es für weniger fett halten. Männer ziehen das leckere Lammfleisch vor. Vom Kaloriengehalt vermute ich keine großen Unterschiede. Ob es Untersuchungen der Stiftung Warentest dazu gibt?
»Willst du jetzt anrufen? », fragt Antje. Ein unangenehmes Gefühl im Magen macht sich breit, aber ich kann es nicht endlos herauszögern. Konfrontieren wir Bea mit der unbequemen Wahrheit, dass ihr Traumschloss auf Morast gebaut wurde.
»Horst», begrüßt sie mich freudig. »Schön, dass du anrufst. Pierre hat mir so viele gute Dinge über dich erzählt. Eure Zusammenarbeit soll seine Firma enorm weiterbringen. Ist auch toll, dass ihr euch privat so gut versteht und bald zum Dreh nach Ibiza fliegt. Ich freu mich so.»
»Da muss ich dich enttäuschen», fällt es mir nicht leicht, die Lobhudelei zu unterbrechen. »Pierre ist nicht der, für den du ihn hältst.»
Schweigen. Dann fragt sie »Was meinst du damit?»
»Dein Freund dreht Pornofilme, keine Kunst. Das finde ich persönlich nicht verwerflich, aber er betreibt nebenbei Bordelle mit Zwangsprostituierten. Mich hat er zu erpressen versucht. Als er damit keinen Erfolg hatte, haben mich seine Bodyguards zusammengeschlagen.»
Bea zögert einen Moment, dann lacht sie schallend.
»You’re kidding, honey. Im Ernst, wie gefällt dir die Zusammenarbeit mit Pierre? Ist er nicht ein wundervoller Mann? Das kann ich jetzt ohne Gewissensbisse fragen, wo auch du eine neue Freundin hast, n’est ce pas.»
Ich blicke Antje an, zucke Hilfe suchend die Schultern.
»Du verstehst nicht, das meine ich vollkommen ernst. Hast du schon Pierres Firma besichtigt, oder warst in einem seiner Lokale? Bei dem Kerl siehst du den Stecken vor lauter Dreck nicht mehr.»
Wieder zögern.
»Ich finde es nicht nett, was du über Pierre sagst. Deine Beschuldigungen sind völlig halt- und geschmacklos. Selbstverständlich hat er mich durch seine Firma geführt. Das asiatische Flair ist sicherlich Geschmackssache, aber Pierre bezieht seine Kraft aus der Weisheit des Buddhismus. Da sehe ich nichts Verkehrtes dran. Ich weiß nicht, warum du mir Pierre madig machen willst.»
Ihre Stimme hat an Schärfe gewonnen.
»Ich will ihn nicht schlecht machen, er ist schlecht. Ich will dir nur die Augen öffnen. Frag ihn doch mal, was das Spezial im Steintorviertel für ein Lokal ist. Was er für die Zwangsprostituierten bezahlt hat, was für ein Gefühl es ist, Leuten Drogen ins Getränk zu schütten und kompromittierende Fotos zu schießen.»
»Du sprichst in Rätseln, mein Lieber», verbreitet Beas Stimme die Wärme eines vereisten Kühlschranks. »Ich habe aber auch keine Zeit, deinen Märchen zu lauschen. Wenn du Probleme mit Pierre hast, kläre sie mit ihm, lass mich aus dem Spiel. Ich wünsch dir einen schönen Tag.»
Damit legt sie auf.
»Sie glaubt mir nicht», fühle ich mich bedröppelt.
»Wie sollte sie», sagt Antje. »Wenn mir jemand erzählt, dass du ein Massenmörder bist, würde ich auch auflegen. Wahrscheinlich», grinst sie.
»Wer weiß, was der Typ mit Bea vorhat. Gutes sicherlich nicht.»
»Da können wir wenig machen. Lass uns zur Polizei gehen.»
Machen wir. Wir setzen uns in die Straßenbahn und fahren zum Hauptbahnhof. Die Wache in der Herschelstraße liegt gleich nebenan. Roter Backsteinbau, der verstaubte Behördenaura ausstrahlt.
Wir werden zu Kommissar Kleine geleitet. Er sitzt in einem fünf Quadratmeter kleinen Raum, die Wand ist mit Familienfotos tapeziert. Er hat zwei Kinder, beides Jungen, blond und hübsch. Er selbst wirkt für seine fünfzig Jahre drahtig und durchtrainiert. Das blaue Hemd frisch gestärkt, der schwarze Schlips sieht aus, als käme er gerade von einer Beerdigung.
Ich erzähle ihm von meinen Erlebnissen im Spezial.
Er nickt, schreibt auf einen Block, nickt und schreibt. Dann murmelt er »Der schöne Pierre, so kennen wir ihn.»
»Er ist bei Ihnen gelistet? », fragt Antje erstaunt.
Kleine nickt.
»Lüscherhof ist erst seit ein paar Jahren in der Rotlichtszene tätig. Mit Anfang dreißig ein Startup. Das Studium im Ausland scheint sich auszuzahlen. Eigentlich passt er überhaupt nicht in die Zuhälterbranche. Als er das Spezial ins Hannover und einige Läden in Berlin übernommen hat, fand das die Konkurrenz gar nicht gut. Da hat er sich allerdings auf skrupellose Weise Respekt verschafft. Zwei Konkurrenten, ein Russe und ein Türke wurden auf offener Straße hingerichtet. Anders kann ich es nicht nennen. Lüscherhof war nichts zu beweisen. Er hielt sich zu den jeweiligen Tatzeitpunkten in Asien auf. Aber seitdem hatte er Ruhe. Wir befürchteten, dass sich insbesondere die Russen-Fraktion diesen Angriff nicht gefallen lassen würde. Aber komischerweise blieb es ruhig. Bis heute. Er hat sich anscheinend wirklich Respekt verschafft.»
»Warum haben Se ihn nicht festgenommen?», frage ich erstaunt und mich schauert es, wenn ich denke, dass ich mit einem Schwerverbrecher zusammen gesessen habe.
»Keine Beweise», seufzt Kleine. »Seine Läden wurden alle einige Male durchsucht. Wir haben nichts Illegales gefunden. Wir wissen nur, was unsere Informanten flüstern. Außerdem beginnt Lüscherhof legale Firmen aufzubauen. Dazu zähle ich die Filmgesellschaft und einen Laden mit japanischen Antiquitäten. Lackschalen, wirklich wertvolle Ware. Es ist allerdings nicht klar, ob diese Aktivitäten rein zur Tarnung dienen oder ob er sich aus dem Rotlichtmilieu zurückziehen will. Es werden Kontakte zur Yakuza, der japanischen Mafia, vermutet.»
Ich bekomme es mit der Angst zu tun. Beas Macker scheint skrupelloser zu sein, als ich vermutet habe.
»Und nun? », frage ich. »Er hat mich bedroht, seine Schläger haben mir die Nase gebrochen. Können Sie ihn nicht festnehmen lassen?»
Kleine lächelt müde.
»Meinen Sie die gestehen? Und außer Ihnen hat die keiner gesehen. Einen Zusammenhang mit Lüscherhof werden die sowieso leugnen. Natürlich werden wir Sie von Amts wegen befragen, aber große Hoffnungen kann ich Ihnen nicht machen.»
Verdammt. Ich habe keine Lust zu sterben.
»Dann müssen Sie Horst unter Polizeischutz stellen», fordert Antje. »Wenn dieser Pierre seine Konkurrenten ermordet, wird er mit Horst kurzen Prozess machen.»
»Lüscherhofs Männer haben schließlich nicht gedroht, Sie zu töten, oder?»
»Nein», verzweifele ich. »Aber wenn Sie ihn verhören, weiß er, dass ich ihn verpfiffen habe. Das ist doch ein logischer Schritt in seiner Welt. Er fährt wieder ins Ausland, und meine Leiche liegt auf der Limmerstraße. Und keiner kann sich erklären, warum.»
»Ich versteh überhaupt nicht, warum Lüscherhof den Horst in seinem Verbrecherladen haben will. Kriminelle Energie hat er bisher nicht gezeigt», kann Antje Kleines Bericht noch immer nicht nachvollziehen.
Der Polizist überlegt. »Das ist wirklich seltsam. Aber ich denke, dass er wirklich Fuß in seriösen Bereichen fassen will. Pornofilmen ist zumindest nicht illegal. Und dabei benötigt er unverbrauchte Leute, die nicht aus dem kriminellen Milieu stammen. Allerdings scheint es ihm schwer zu fallen, seine Geschäftspraktiken zu ändern.»
Wir wissen nicht, ob das stimmt. Ist zumindest eine Theorie. Ich erzähle, dass wir Bea nicht von Pierres Machenschaften überzeugen konnten.
»Bei ihr hat er sich bisher von seiner besten Seite gezeigt. Lüscherhof spielt gerne den Mann von Welt. Er ist gebildet und charmant. Bis er die Maske fallen lässt, kann es dauern. Und dann», Kleine schweigt bedeutungsvoll »dann ist es zu spät. Aber das sind nur Mutmaßungen. Um auf Ihre Frage zurückzukommen, Herr Stengel, ich fürchte, wir können da wenig tun. Es gibt keine Beweise.»
Wir blicken auf den Boden, wissen nicht, was wir sagen sollen. Mein Magen ist ein einziger Eisklumpen. Schließlich sage ich »Irgendetwas müssen Sie tun. Wenn mir etwas passiert, geht Antje an die Presse.»
»Genau», triumphiert Antje. »Wir gehen an die Presse. Wenn Sie uns nicht helfen, können Sie einpacken, mein Freund. Dann ist es Essig mit dem Job als Polizeipräsi.»
Kleine lächelt müde.
»Für einen solchen Posten diene ich zu gerne dem Bürger. Politik ist nicht mein Ding. Aber vielleicht habe ich doch eine Idee, wie wir an Pierre rankommen können.»
Wir starren ihn mit offenen Augen an.
»Und welche?», fragen wir.
Er blickt verschwörerisch.
»Wenn Sie mutig sind, Herr Stengel, spielen Sie für uns den Lockvogel.»

Sonntag, Oktober 10, 2010

Bestseller Kapitel 14: Ikonen, New York und der ganze normale Lebenswahnsinn



Es ist kurz vor zwölf. Ich nehme eine Dusche. Tut gut. Anschließend wechsele ich die Kleidung, die nach billigem Parfum und Fusel stinkt. Fühle mich menschlicher als am Morgen. Doch der Frust sitzt noch immer tief in allen Poren. Der lässt sich nicht so einfach wegduschen. Im Edeka kaufte ich Würstchen, Bauchfleisch und einen Sixpack Herrenhäuser. Dann wandere ich die viereinhalb Kilometer über die Leine in die Nordstadt. Die Sonne kann meine trüben Gedanken auch nicht erhellen. Der Georgengarten ist eigentlich ein fantastischer Ort zum Chillen. Erinnert an die Landschaften aus Miss-Marple-Filmen. Ist nicht so snobby wie der Große Garten von Herrenhausen, wo Familien und Hannovers feinere Gesellschaft flanieren. Der Georgengarten ist Kult für alle, die eher am Rand der Gesellschaft rumkrabbeln.
Andi und Kathrin finde ich auf einer Decke. Sehen ähnlich trübe aus wie ich. Antje baut gut gelaunt den Grill auf und schüttet Kohlen auf den Rost. Dabei summt sie Living la vida loca.
»Sweety», küsst sie mich leidenschaftlich. »Ist dein Tag genauso grandios wie meiner. Es gibt etwas Giga-Fantasto-Geiles zu feiern.»
»Naja», brumme ich. »Ich muss dir etwas erzählen. Was ist mit den Beiden los?», zeige ich auf Andi und Kathrin. »Die blicken ja drein, als seien Weihnachtsmann und Osterhase am gleichen Tag gestorben.»
Andi verdreht genervt die Augen. Erst jetzt fällt mir das Veilchen an der rechten Seite auf.
»Das ist nicht lustig. Weiß Gott nicht», faucht Kathrin.
»Sorry», sage ich. »Reiner Galgenhumor. Mein Tag war auch komplett beschissen. Was ist denn los?»
»Ich bin erledigt», spricht Andi mehr mit sich selber als mit uns.
»Bitte?»
Andi winkt ab, scheint keine Lust mehr zum Reden zu haben.
»Andi war noch immer fix und fertig, dass seine Bilder in dem Nazischuppen in Wesel gestanden haben. Da hat er sich diesen Säge gekrallt. Wir sind zu seiner WG gefahren. Turner wohnt gar nicht mehr dort. Hat sich einen Bulli für fünfhundert Euro gekauft und ist runter nach Georgien, um humanitäre Hilfe zu leisten. Da wohnen jetzt völlig strange Typen. So eine Mischung aus supercool und aggro. Konnten wir nicht einordnen. Ob das auch Studenten sind?»
»Penner. Alles Penner und Wichser», wirft Andi ein.
»Da lief die ganze Zeit der Judgement-Night-Sampler. Die haben zu Disorder von Ice-T und Slayer geposed und gegröhlt. War, this is not our war. Echt beängstigend. Der Text war auch noch falsch. Vollpfosten. Dieser Säge auch. Der war der Schlimmste. Ein komplettes Arschloch.»
»Der war früher in Ordnung. Ich schwör’s euch», verteidigt Andi.
»Ice-T ist doch okay? »¸frage ich.
»Hotte, das sind weder Metallheads noch Hip-Hopper, sondern eine ganz üble Brut. Warte doch einfach mal ab, was Kathrin noch erzählt.»
Kathrin redet sich in Rage.
»Wir kommen in das Zimmer von diesem Säge. Da hängen verschiedene Bilder mit Überschriften in Sütterlinschrift. Deutschland steh auf und so ein Zeug. Gegen Kapitalismus und Weltjudentum. Als Bettüberzug dient eine Reichskriegsfahne. White-Power-Bildschirmschoner auf dem Rechner. Alles klar? Dieser Typ ist bis in die Haarspitzen Nazi, genau wie seine Kumpel. Andi hat ihn gefragt, ob er weiß, wo er seine Bilder hingebracht hat. Da meinte er, das wäre doch eine geile Location. Andi wäre jetzt in der Szene eine Ikone.»
»Was?», kann ich es nicht fassen. »Bei den Nazispacken?»
Andi nickt finster.
»Die haben eine neue Richtung», erklärt uns Kathrin. »Autonome Nationalisten. Die kannst du nicht von Linken unterscheiden. Selbe Klamotten, selbe Musik, politische verbreiten die nur Hass. Säge meinte, es wäre im Guerilla-Krieg vorteilhaft, wenn sie nicht wie Nazis aussehen. So sind sie schlagkräftiger. Die besuchen auch Ausbildungscamps für Nahkämpfer. Ganz schrecklich. Und der Höhepunkt ist das hier.»
Sie drückt mir ein Poster in die Hand.
„Ausstellung mit zeitgenössischer völkischer Kunst in Barsinghausen. Im Jugendzentrum Bunker stellen sieben Künstler aus, die ihr Schaffen dem Kampf gegen den internationalen Kapitalismus, Globalisierung und den Chimäre einer multikulturellen Gesellschaft gewidmet haben. Eines der Zugpferde der Bewegung ist der neunundzwanzigjährige Andreas Bohemian, der sein Schaffen der Philosophie seines Idols Ernst Zündel widmet.“
»Was soll das und, wer ist Ernst Zündel?», frage ich verwirrt.
»Dieser Säge ist geistig komplett verstrahlt. Anscheinend waren er und Andi stoned, als sie sich mal unterhalten haben. Er hat Andis Objekte bei seinen Nazikumpeln in Wesel ausgestellt. Die waren begeistert. Da hat er Gelder aufgetan und weitere Bilder von Andi gekauft, die in einer kleinen Galerie in der Nordstadt ausgestellt wurden. Irgendwie hat er geglaubt, dass sie beide auf der nationalistischen Welle schwimmen. Oder ihm war egal, was Andi dazu sagt. Diese Typen spielen auch Ärzte und Slime, alles Bands, die diesen Nazischrott ablehnen. Und Ernst Zündel ist ein Holocaust-Leugner, der im Knast sitzt. Eine ganz üble Bazille. Andi hat Säge deutlich die Meinung gegeigt, da wurde dieser Typ handgreiflich. Er hat ihm ein blaues Auge verpasst. Dann sagte er, Andi soll sie doch verklagen. Da seien schon ganz andere dran gescheitert. Wenn er nicht mitzieht, machen ihn Säges Kumpels platt»
»Diese Plakate hängen in der Uni aus, diese Plakate hängen in der Limmer Straße, die hängen an Litfass-Säulen. Ich bin doch jetzt komplett unten durch. Das glaubt mir doch keiner, dass ich benutzt werde und mit diesem Dreck nichts zu tun habe.»
Andi schluckt ein paar Pillen, steckt sich eine Kippe an. Sieht blass aus, als hätte er schon lange nicht mehr geschlafen. Er tut mir leid.

Mir fällt es schwer, tröstende Worte zu finden. Eine üble Sache. Gerade in Linden werden solche Plakate genau angesehen. Und dann ist er wirklich Bodensatz. Muss sich eine neue Stadt suchen. Ich sehe keinen Ausweg. Aber ich kann mir nicht mal selber helfen, wie sollte ich dann meinen Freunden Perspektiven aufzeigen. Ich klopfe ihm auf die Schulter, um meine Solidarität zu demonstrieren. Keine Reaktion.
»Jetzt lasst uns feiern. Da können wir momentan nichts dran ändern», klatscht Antje in die Hände. Ich reiche ihr mein Fleisch, doch irgendwie ist keiner in Fetenstimmung.
»Also, was ich euch sagen wollte», leuchten Antjes Augen, während sie die Würste auf dem Grill platziert. »Ich habe ein Stipendium in New York bekommen. Ist das nicht der Hammer, Sweety?»
Ich fühle mich, als ob mir der Boden unter den Füßen weggezogen wird. Wie sah mein morgendliches Fazit aus: Neben all der Scheiße an den Hacken, habe ich wenigstens Antje.
»Ihr sagt gar nichts. Freut ihr euch denn nicht? », fragt Antje noch immer strahlend.
Ich setze mich neben Andi und Kathrin und nehme ein Bier.
»Doch, toll. Wann geht es los?», versuche ich mir meine Enttäuschung nicht anmerken zu lassen.
»In zwei Monaten. Oh, da muss ich verdammt viel organisieren. Neue Wohnung finden, alte auflösen. Mit der neuen dürfte allerdings einfach sein, ich kann da auf dem Campus wohnen. Ich freu mich so. Und mein Schatz besucht mich alle paar Monate.»
»Ich glaube, du überschätzt meine finanziellen Fähigkeiten», fällt mir wenig zu dieser optimistischen Sicht ein.
»Soviel kostet ein Flug nach New York auch nicht mehr.»
»Wie viel denn?»
»Na, so vierhundert um den Dreh»¸wird sie zaghafter.
»Und einen Rückflug muss ich auch buchen. Um mir das leisten zu können, brauch ich einen Job als Investmentbanker an der Frankfurter Börse. Träum weiter, Chérie.»
»Was bist du denn so giftig? », fragt sie enttäuscht. »Du hast doch jetzt einen Bombenjob bei dieser Produktionsgesellschaft.»
»Dazu muss ich noch etwas erzählen. Bitte setz dich.»
Antje folgt. Das Fleisch brutzelt unterdessen munter weiter auf dem Grill. Aber das stört keinen. Kathrin brütet vor sich hin, Andi ebenso, unterbrochen von Griffen in die Hosentasche, aus der er seine kleinen Muntermacher oder Baldrianpillen herausholt.
Ich lege die Karten offen auf den Tisch, verschweige nicht ein schmutziges Detail. Die Mädels starren mich mit offenem Mund an. Andi starrt immer blasser in die Weite des Parks.
»Warum hast du mich angelogen, Horst? Das finde ich total daneben», faucht Antje. Sie wirkt enttäuscht, auch ein wenig kalt.
»Ich habe mich nicht getraut. Ich wollte gut aussehen, wollte, dass du stolz auf mich bist.»
»Alter, war ich doch auch. Wir haben in der kurzen Zeit, in der wir zusammen sind, so viel durchgemacht. Aber dein fehlendes Vertrauen kotzt mich an. Und wenn es dir Spaß macht, mit Nutten zu ficken, bitte. Tut dir keinen Zwang an.»
Sie schmollt. Kein Wort darüber, dass dieser Gangster Pierre mich erpresst. Ich bin auch enttäuscht.
»Ist doch ein Hammer, dass mich der Kerl unter Druck setzt. Einfach so», wende ich mich an alle.
Kathrin und Antje schauen mich an, als hätte ich etwas verbrochen. Andi starrt apathisch auf den Boden, das interessiert ihn alles nicht.
»Wer weiß, ob du mit dieser Nutte gepoppt hast. Kannst dich ja an nichts erinnern. Aber das ist mir so was von egal», zischt Antje. Klingt aber nicht, als würde sie das kalt lassen.
»Mensch, Schatz, ich bin da doch nur hingegangen, um die Konzepte zu besprechen.»
»Kennst du den Film Crossroads über den Blues-Sänger Robert Johnson? Der hat seine Seele dem Teufel verkauft, damit er ein erfolgreicherer Musiker wird. An den erinnerst du mich. Für deinen Traum tust du alles. Lässt dich mit dem letzten Pack ein. Müsste dir doch klar sein, dass es in der Pornobranche nicht wie im Blümchenladen zugeht», sagt sie verzweifelt.
»Vielleicht war ich etwas naiv. Aber Pierre ist Beas Freund, und die ist super korrekt. Da habe ich ihm vertraut», versuche ich mich zu verteidigen.
»Etwas naiv. Du bist die personifizierte Blauäugigkeit. Manchmal fast dumm.»
Das geht zu weit. Als ob ich es nicht schwer genug hätte, beleidigen braucht sie mich nicht.
»Wenn ich so dumm bin, frage ich mich, was du an mir findest. Aber Madame rauscht auch bald über den großen Ozean ab. Respekt.»
»Ich verfolge meine Ziele, ohne mir gleich Freier zu suchen, mit denen ich für Kohle ins Bett hopse. Aber das scheint nicht auf Gegenseitigkeit zu beruhen», redet sie sich in Rage.
»Wenn wir uns gegenseitig so egal sind, können wir uns auch trennen», sage ich kühl in der Hoffnung, dass sie mir vehement widerspricht.
»Ja, vielleicht ist es das Beste. Ich fühle mich von dir hintergangen.»
Scheiße.
»Also sind wir auseinander? », frage ich verunsichert.
Antje überlegt nur kurz.
»Ja, hat ja anscheinend keinen Zweck mit uns.»
Jetzt kann ich es mir schenken, von den Schwierigkeiten mit der Verlegerin zu erzählen. Mein Leben rollt unaufhaltsam dem Abgrund zu.
»Andi, komm wach auf», streichelt Kathrin Andis Kopf. Mein Kumpel ist zusammengesunken, liegt verkrümmt auf der Decke, Speichel fließt aus seinem Mund.
Antje und ich beugen uns ebenfalls über ihn, er atmet stoßweise, aber schwach.
»Hat er sich heute morgen schlecht gefühlt?», fragt Antje ratlos.
»Ich weiß nicht, machte eigentlich einen ganz normalen Eindruck. War nur total deprimiert wegen der Geschichte mit Säge», weint Kathrin. »Was ist denn los, Andi?»
Doch Andi antwortet nicht. Sein Kopf dreht sich etwas nach links, seine Augen sind geschlossen.
»Wir müssen sofort einen Krankenwagen rufen, der stirbt uns sonst hier weg», gewinnt Antje als erstes die Fassung wieder. Frauen sind zupackender als Männer.
»Hat jemand sein Handy dabei?»
Damit kann ich dienen, mich wenigstens etwas nützlich machen.
»Bitte schicken Sie sofort einen Krankenwagen in den Georgengarten gegenüber vom Nordstadtspielplatz. Ein Freund von uns ist kollabiert. Nein, keine Ahnung warum. Vielleicht die Hitze. Kommen Sie schnell.»
Kathrin legt Andis Kopf auf ihren Schoß, streichelt ihn, flüstert ihm beruhigende Worte zu. Minuten gerinnen zu Stunden. Wir sitzen wie gelähmt. Ich stehe einmal auf und kippe Bier über den Grill. Das Fleisch ist mittlerweile verkohlt. Ein rundum gelungener Tag. Durchtränkt mit Melancholie wie ein End-of-Green-Song.
Schließlich kommen die Sanitäter. Laufen viel zu langsam mit ihrer Bahre über den Rasen. Ob ihnen klar ist, dass es hier um Leben und Tod geht.
»Hallo», grüßen sie lax. Andi wird kurz untersucht, dann haben sie es auf einmal eilig.
»Ein Junkie. Wenn wir Pech haben schafft er es nicht mehr», spricht er in sein Funkgerät.
Sie tragen Andi rennend zum Auto. Kathrin läuft ihnen nach und fragt atemlos »Wo bringen Sie ihn denn hin?»
»Krankenhaus Siloah. Notaufnahme. Drücken Sie die Daumen. Das wird eine ganz knappe Angelegenheit.»
Wie erschlagen sinkt Kathrin auf den Bürgersteig, Antje und ich schleichen langsam zu ihr hinüber.
»Ich verstehe nicht, wie das passieren konnte», murmele ich und lege tröstend meinen Arm um Kathrins Schulter.
»Na», sagt Antje schnippisch. »Wieso wundert dich das? Andi steht doch ständig unter Chemie. So lang kennen wir uns nicht. Aber da hat er ständig was genommen. Irgendwann kolloabiert der Body.»
»Entschuldige, dass ich mich um meinen Freund sorge», fauche ich.
»Mach ich auch», erwidert Antje. »Dennoch: Sein Lifestyle ist zu intensiv. Too much is too much.»
»Er ist Künstler», verteidige ich Andi. »Er braucht den Kick als Inspiration.»
»Drogen sind scheiße», meldet sich Kathrin zu Wort.
»Ich bin auch Künstlerin», stöhnt Antje. »Dröhne ich mich deshalb dauernd zu? Es ist okay, sich ab und an zu kicken. Aber sich von der Chemie versklaven zu lassen, finde ich abartig. Ich habe keine Lust, mein Leben wie Jim Morrison oder Hans Fallada von Drogen und Alk bestimmen zu lassen.»
Kathrin weint.
»Könnt ihr eure blöden Diskussionen nicht später führen. Andi ringt mit dem Tod, und ihr führt öde Grundsatzgespräche», steht sie auf. »Ich fahre ins Krankenhaus. Ich will ihm nah sein.»
Antje und ich schauen ein wenig verlegen drein.
»Ich komme mit», erkläre ich. »Lass uns ein Taxi nehmen. Ich zahl das.»
»Oh, von der Pornoindustrie gesponsert. Nein, danke», zischt Antje.
»Eure Streitereien kotzen mich an», schreit Kathrin wütend und läuft los.
Ich renne ihr nach.
»Warte», hole ich sie ein. Antje kommt langsam nach.
Ich würde mich am liebsten bei ihr entschuldigen. Mir kommt der Verdacht, dass ich ganz schöne Scheiße gebaut habe. Aber was hätte ich anderes tun können? Die Ereignisse haben sich überschlagen und mich überrollt. Etwas Verständnis für meine Situation würde mir gut tun. Antje blickt an mir vorbei auf Kathrin.
»Du hast Recht, Süße», sagt sie. »Begraben wir die Streitaxt.» Sie reicht mir die Hand, schaut mir aber nicht in die Augen. Zögernd ergreife ich sie.

Dann nehme ich das Handy und rufe ein Taxi. Der Fahrer, ein Typ Ende vierzig mit Zopf und wallendem Vollbart, hat Quasselwasser getrunken.
»Seid ihr Studenten?», fragt er. Keiner antwortet.
»Ich studiere Sozialpädagogik. Hatte mehrfach Pech, dass die Studienordnung gewechselt hat. Jetzt fressen mich die Gebühren auf. Was macht ihr so, um euer Recht auf Bildung zu finanzieren?»
»Horst schreibt Pornos», kann es sich Antje nicht verkneifen. Kathrin und ich schauen sie genervt an.
Finde ich spießig, dass sie auf dieser Geschichte rum reitet.
»Er ist aber auch kein Student sondern Autor», fügt sie hinzu. Macht es nicht besser.
»Ich schreibe auch», erklärt der Taximensch. »Politische Gedichte. Ich bin übrigens der Fred. Habe leider noch keinen Verleger gefunden. Wollt ihr eins hören?»
Wollen wir nicht, aber das stört ihn wenig.
»In den Keller gepfercht hause ich. Auf der Flucht vor Hatz 4. Kriminalisiert, maskiert, demotiviert und frustriert. Der Blick aus dem Fenster führt ins Nichts. Habe keine Liebe zu erwarten von dieser Fucking Society.»
Erwartungsvoll dreht er sich um.
»Wie findest du das? Ist nur ein Auszug. Ey, Alter. Hast du vielleicht Connections zu einem Verleger?»
Ich überlege kurz ihm die Ahmert zu empfehlen, aber so gehässig bin ich doch nicht.
»Nein, für Lyrik kenne ich keinen Interessenten», sage ich.
»Schade, wäre besser als Autor die Kohle direkt aufs Konto zu bekommen, als sich Tage und Nächte im Taxi um die Ohren zu schlagen.»
Die Leute haben bunte Illusionen vom Autorenleben, denke ich. Wie ich bis vor kurzem auch.
Plötzlich wird Fred aggressiv.
»Finde ich echt Scheiße von dir, dass du mir nicht helfen willst. Naja, so ist das in Deutschland. Jeder ist sich selbst der Nächste. Wenn ich irgendwann super erfolgreich bin, kenn ich dich auch nicht mehr.»
Hallo? Wir sind fünf Minuten in seinem Taxi gefahren. Wenn ich nicht voll Sorge um Andi wäre, könnte ich laut loslachen. Das Leben ist schon skurril.
»Tut mir Leid», murmele ich, um ihn nicht zu reizen.
Wir erreichen den Parkplatz vor dem Krankenhaus. Ich drücke ihm die sieben Euro in die Hand, die das Taxameter anzeigt.
»Viel Glück. Nimm es mir nicht übel, aber ich kann wirklich nichts für dich tun», versuche ich etwas Nettes zu sagen. Doch er schweigt und verzieht patzig das Gesicht. Antje und Kathrin verlieren kein Wort, laufen zum Eingang des Krankenhauses. Drei Männer sitzen in Jogginganzügen auf einer Bank vor der Pforte, rauchen und kloppen Skat.
Siloah ist idyllisch an einem Kanal zur Leine gelegen. Dahinter Schützenplatz und Stadion. Wer Halligalli braucht, ist dort richtig. Das Krankenhaus selber besteht aus mehreren abgrundtief hässlichen Sechziger-Jahre- Bauten. Andi liegt auf der Intensivstation. Wir stehen vor der verschlossenen Tür. Kein Einlass. Irgendwann kommt ein Arzt heraus. Zerknautschtes Gesicht mit dicker Hornbrille, vielleicht fünfzig. Laut Namensschild Dr. Hornbacher.
»Wir sind Freunde von Andreas Bohemian. Er liegt bei Ihnen auf der Station. Wir möchten gerne wissen, wie es ihm geht», frage ich.
Der Arzt nimmt seine Brille ab und poliert sie mit einem weißen Tuch.
»Ein Herr Bohemian liegt nicht bei uns. Tut mir Leid.»
Ich versuche mich zu erinnern, wie Andi mit richtigen Namen heißt.
»Ein Herr Bothe? Wir waren bei ihm, als er zusammengebrochen ist.»
»Sie sind leider keine engen Angehörigen. Daher darf ich Ihnen keine Auskunft geben.»
Kathrin fängt wieder an zu weinen.
»Sagen sie uns: Wird er überleben?»
Der Arzt räuspert sich.
»Können Sie mir die Kontaktdaten seiner Eltern geben?»
Wir zucken die Achseln.
»Ich glaube, er stammt aus Peine. Aber ich kenne seine Eltern nicht», gestehe ich. Schon erstaunlich, wie wenig ich über meinen besten Freund weiß.
»Kommen Sie mit in die Cafeteria? », stiefelt er los, ohne eine Antwort abzuwarten.
Wir folgen ihm wie die Lemminge, was bleibt uns übrig, wenn wir Näheres zu Andis Zustand erfahren wollen.
Der Arzt holt einen Kaffee und setzt sich an einen Tisch. Seine Stirn glänzt vor Schweiß.
»Auch wenn ich Ihnen keine Auskunft geben darf. Ihr Freund braucht dringend Hilfe. Das war ein Warnschuss und Hilferuf zugleich. Herr Bothe richtet sich kontinuierlich zu Grunde. Wir haben in seinem Blut diverse illegale Substanzen festgestellt, die dem Organismus bleibende Schäden zufügen. Ausschlaggebend war allerdings der Konsum von Heroin. Da keine Einstiche festgestellt wurden, hat er die Droge anscheinend geschnupft.
Wahrscheinlich zum ersten Mal, aber da bewegen wir uns zurzeit auf dem Gebiet der Spekulation. Allerdings mehr als er verkraften konnte. Daher gehe ich davon aus, dass er den Zusammenbruch bewusst kalkuliert hat. Dies ist allerdings eine rein persönliche Einschätzung. Ohne wissenschaftliche Relevanz.»
Wir hören ihm staunend zu. Bis auf Antje. Die nickt, als hätte sie alles schon längst gewusst.
»Er wird die Überdosis überleben. Klar, kein Problem. Aber wenn Herr Bothe so weiterlebt, ist sein früher Tod bereits vorhersehbar. Ich werde ihm raten, sich schleunigst in therapeutische Behandlung begeben. Und dabei sind gute Freunde wichtig.»
Er steht auf.
»Morgen wird Ihr Freund verlegt. Dann können Sie ihn besuchen. Guten Tag.»
Mit wehendem Kittel schreitet er aus der Cafeteria.
»Es wird alles gut», verbreite ich Optimismus.
»Es wird alles fucking gut, sicher», ironisiert mich Antje.
»Wenn er nicht mit dem Scheiß aufhört, liegt er bald unter der Erde. Da brauchen wir uns nichts vorzumachen. Dem Jungen fehlt eine Perspektive.»
Sie hat Recht.
»Ich ziehe nach Hannover», sagt Kathrin. »Ein Wechsel ist sicherlich möglich. Zusammen schaffen wir das.»
»Süße, wenn du nur zu ihm ziehst, weil du ein Helfersyndrom pflegen willst, habt ihr keine Zukunft. So ein Entzug geht an die Substanz.»
Immer pragmatisch, meine Ex-Liebste.
»Gib ihnen doch eine Chance. Willst Du Andi mit seinen Problemen alleine lassen?», frage ich wütend.
»Schon gut», beschwichtigt Antje. »Wollte ich nur anmerken. Finde ich gut, dass du ihn unterstützt. Wenigstens das ist gut an dir.»
»Wir lieben uns», beteuert Kathrin. »Und mit Liebe ist alles möglich. Auch wenn ich vielleicht ein Semester verliere, Andi ist wichtiger.»
Obwohl es blauäugig klingt, habe ich bis vorhin auch an die Macht der Liebe geglaubt. Aber vielleicht habe ich zu viel Mist gebaut. Meine Lüge war wirklich keine Glanznummer.
»Das finde ich super», sage ich niedergeschlagen.
Antje schaut ebenfalls verlegen. Wir haben unsere Beziehung selbst zerstört, hauptsächlich ich.
»Ich habe einige Dinge in meinem Leben zu regeln. Wir sehen uns morgen bei Andi», verabschiede ich mich. Ich drücke Antje verlegen die Hand, weiß nicht, was ich sagen soll.
»Mach’s gut», sagt sie.
Kathrin drückt mich. Wir fühlen uns tief verbunden in der Sorge um Andi. Ich spüre Antjes Blicke in meinem Rücken, doch ich drehe mich nicht um. Auch wenn es mir schwer fällt.

Montag, Oktober 04, 2010

Bestseller Kapitel 13: Zwischen kolumbianischen Drogenbossen und russischen Huren



Schwarz und warm und dumpf. Sekunden quälen sich dahin, bis ich meine Augen öffnen kann. Meine Ohren sind schon wach. Während der Kleister der Nacht langsam bröckelt, höre ich eine Stimme.
»Russisch Frau sind immer feucht.»
»Mhm, ja, ich spür, wie hart du bist. Jaaa, mhm, reib dich an mich, starker Hengst.»
Mit einem Ruck bin ich wach, gebe aber zu schlafen vor. Mein Kopf schmerzt, als hätte im Schädelinnern eine Herde Mustangs ein Western-Rodeo veranstaltet. Ich fürchte, mein neuer Arbeitgeber hat mir was in den Sekt geschüttet. Und ein Vitaminpräparat wird das kaum gewesen sein. Jede einzelne Zelle scheint gegen meinen Körper mit Schmerzattacken zu rebellieren.
Ich befinde mich immer noch im Puff, wird mir schnell klar. Ein schwarz gehaltener Raum mit einigen Kerzen und einem Himmelbett. Auf diesem liege ich wie mich das Universum in die Welt geworfen hat. Splitternackt. Neben mir liegt ein Kondom, wobei ich nicht erkennen kann, ob es gebraucht ist, oder einfach nur ausgepackt. Ich habe doch nicht…? Nein, ich kann es mir nicht vorstellen.
Ich blicke aus den Augenwinkeln auf Russlana, die sich ebenso nackt auf einem dunkel gepolsterten Liegestuhl räkelt. Ihr Busch ist rasiert, sie spreizt die Beine und streichelt sich dazwischen, während sie telefoniert und mit der freien Hand zum Schampusglas greift. Ich hoffe für sie, dass er nicht gespritzt ist. Im Hintergrund dudelt süßliche Klaviermusik.
»Ja, steck ihn mir zwischen die Zeh. Da stehen ich drauf», säuselt sie. Dann bemerkt sie, dass ich aufgewacht bin.
»Rambo, muss Schluss machen. Mein Mann kommt und prügeln mich grün und grau», verhunzt sie die Redensart originell. Mir ist aber nicht nach lachen.
»Ciao Baby. Ja, ruf mich wieder an. Du hast mich richtig besorgt.»
Sie drückt eine Taste auf ihrem Headset und lächelt mich an.
»Na, mein starker Hengst, wieder von tot aufgewacht.»
Mit den Pferden scheint sie es zu haben. Mühsam richte ich mich an der Bettlehne auf.
»Was mache ich hier? », erkenne ich die Stimme nicht, die meinem Mund entströmt. Heiser krächze ich, als hätte ich gestern mehrere Stunden Karnevalslieder gejohlt.
»Oh, du hast mit Russlana gemacht viel Liebe, schönes Liebe. Ich bin lange nicht mehr so fein ran genommen worden», stöhnt sie kurz auf.
Obwohl ich jede Anstrengung meiden sollte, werde ich langsam sauer.
»Wie können wir gevögelt haben, wenn ich mich an nichts erinnern kann. Bin doch schon in der Bar fast eingeschlafen.»
Russlana grinst schelmisch.
»Oh, wie ein wütender Stier hat du Russlana gebändigt. Russlanas Mund hat müden kleinen Krieger wach gemacht. Dann warst du nicht zu halten. Von Seite, von unten, in Popo. Das hat Russlana am besten gefallen. Klein Horst ist einfach süß, wie Rambo Stallone.»
Die kann mir viel erzählen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass wir etwas miteinander gehabt haben. Erstens ist sie nicht mein Typ, zweiten würde ich Antje nicht betrügen.
»Ist Richi Claydermann nicht toller Klavier Spieler? », fragt sie.
»Wo sind meine Klamotten? », frage ich zurück. Die Frau lügt bereits, wenn sie guten Tag sagt.
»Heißt Balade pour Adeline. Stück hat er geschrieben für Mädchen wie Russlana. Hat sich verliebt und immer Stück gespielt in Bar. Dort hat es gehört wichtiger Plattenboss. Und haben daraus Platte gemacht.»
»Und was willst du mir damit sagen? », werde ich ungeduldig. »Wo sind bitteschön die Sachen, die ich angehabt habe, als ich hier rein gekommen bin?»
»Du kannst auch für Russlana machen Kunstwerk. Schreiben Gedichte über zarte Beine wie Pasternak oder Geschichte mit Abenteuer wie Puschkin? Bitte. Russlana dann macht Liebe mit dir ohne Geld.»
Die Alte ist komplett bekloppt. Da ich meine Kleider auf dem Boden gefunden habe, brauche ich das Gespräch nicht fortzuführen. Mühsam krauche ich zu meinen Sachen. Russlana gibt vor, mir zu helfen, doch ihre Finger zielen auf meinen Penis. Ich wehre sie fast grob ab. Beleidigt verzieht sie den Mund.
»Hat dir nicht gefallen, mit Russlana zu ficken?», wird sie ordinär. Wortlos kleide ich mich an.
»Ich glaube dir kein Wort!», krächze ich schließlich.
»Was du nicht glauben? Warum?» Geschmeidig wie eine Katze springt sie aufs Bett, greift den Kondom und hält ihn mir unter die Nase. Voll mit Sperma. Verdammt.
»Das kann nicht von mir stammen», erkläre ich. »Ich war gestern vollkommen groggy. Unvorstellbar, dass ich mit dir Sex hatte. Bin doch im Laufen weggepennt.»
»Russlana weiß, was sie weiß», erklärt die Nutte zweideutig und spuckt auf die Lümmeltüte.
»Hat sich noch kein Mann beschwert über Ficki-Ficki mit Russlana.»
Sie dreht den Liegestuhl demonstrativ um und schaut mich mit dem Rücken an. Soll mich das stören. Ich schaffe es wirklich, mich anzuziehen, fühle mich mittlerweile aber auch besser. Russlana schimpft in ihrer Muttersprache, ich ignoriere sie und verlasse völlig zerknautscht das Zimmer. Langsam schreite ich zur Treppe und humpele die Stufen hinunter. Mist, die haben mich in den zweiten Stock verfrachtet. Noch eine Treppe. Ich begegne niemandem, bis ich unten bin.

Der Muskelmann vom Eingang sitzt mit einem Kaffee an der Bar und raucht. Dunhill. Der Kerl hat Stil, auch wenn er nach Knast riecht.
»Horst? »¸begrüßt er mich mit dreckigem Grinsen. »Wie war die Toberei mit Russlana? Ich bin übrigens Ronny, Pierres rechte Hand. Ich erledige die ganze Drecksarbeit, auf die der Chef kein Bock hat.»
Er reicht mir die Hand. Seine Jackettärmel spannen sich gefährlich, als ob der Stoff gleich reißen würde. Ich ignoriere seine Pfote, bis er sie achselzuckend wieder auf den Tisch legt.
»Muss nach Hause», murmele ich.
»Oh, sexy Stimme», bellt Ronny. »Ich weiß aus eigener Erfahrung, wozu das Miststück fähig ist. Sie kommt übrigens aus Moldawien. Dort habe ich sie in einem Café aufgegabelt. War ein Schnäppchen, die Gute. Und sie hat vom ersten Tag an gefickt, als wäre sie seit zwanzig Jahren im Business. Ich hab halt ein Händchen für Talente. Vielleicht sollte ich mich als Scout für Germany’s next Top-Nutte bewerben. Trink einen Kaffee mit Old Ron. Geht aufs Haus», lässt er wieder seine sympathische Lache ertönen. Eine Hustenattacke folgt, die er mit einem Zug an der Kippe besänftigt.
»Ciao. Bis bald», verabschiede ich mich. »Habe leider keine Zeit.»
Auf einmal verschwindet jegliche gespielte Freundlichkeit aus Ronnys Gangstervisage.
»Setz dich! Meine Einladung schlägt keiner aus.»
Er ist kein Typ, mit dem man diskutiert, also lasse ich mich auf einen Barhocker nieder. Ronny stellt mit schleimigem Grinsen einen Kaffee vor mir.
»Milch, Zucker? Ich lese dir jeden Wunsch von den Lippen ab.»
Ich fühle mich noch immer gerädert. Lasse daher sein Gequatsche über mich ergehen. Seinen Kaffee schlürfe ich auch. Tut echt gut.
»Ja, die Russlana», drückt er seine Kippe in den Aschenbecher, als wolle er sie zerquetschen.
»Die hat noch andere Qualitäten. Ist ein Super-Model. Hat auch schon in ein paar Filmen mitgespielt. Da braucht Harry nicht viele Anweisungen geben.»
Warum labert er mich voll. Bin von der letzten Nacht fertig genug.
»Schau her, hier bringt sie Höchstleistung», hält er mir ein Foto unter die Nase.
Müde richten sich meine Augen nach rechts. Dann schrecke ich auf und mein kompletter Kopf dreht sich.
»Was ist das?»
Ronny schaut auf die Fotos.
»Oh, da habe ich mich wohl vertan. Das sind die Schnappschüsse von gestern Nacht. Russlana meinte, ihr beide wäret so ein schönes Paar, das müssten wir fotografieren. Da hat sich Old Ronny nach oben begeben und mit der Kamera rumgespielt. Du warst auch angetan von der Idee.»
Auf einem Bild ist zu sehen, wie Russlanas Mund Hotte junior in Form bringt. Auf einem anderen Portrait vergnüge ich mich mit ihr doggy style. Die Augen habe ich geschlossen, sieht aber verteufelt echt aus.
»Ihr habt mir was in den Sekt getan. Ich war völlig weggetreten. Das ist eine Riesensauerei. Vernichte die Bilder auf der Stelle.»
Belustigt schüttelt Ronny den Zeigefinger.
»Was für böse Worte. Nein, nein. Und auf Forderungen reagiere ich allergisch, mein Freund.»
»Was wollt ihr von mir», schreie ich. Heraus kommt nur das übliche Krächzen, was Ronny noch mehr amüsiert.
Dann wird er ernst.
»Pierre hält viel von diesem Betriebswirtschaftskram. Das hat er ja studiert. Für mich wäre das nichts. Stundenlanges Büffeln. Igitt. Die Mitarbeiter müssen gebunden werden, predigt er bei jeder Teamsitzung. Und das gilt vom Amüsiermädchen über mich bis hin zum Drehbuchautor», tippt er mir auf die Schulter. Tut weh.
»Ich verstehe nicht», murre ich. »Ob ihr diese Fotos von mir habt, oder nicht. Dadurch schreibe ich weder besser noch schneller.»
Ronny lacht. »Hör zu. Wenn du bei Pierre arbeitest, siehst du Sachen, die andere Leute interessieren, die sie nicht interessieren sollten. Ich erwähn da nur mal die Perle von Pierre. Was Männe macht, geht die nichts an. Soll denken, er fabriziert künstlerische Filme. Vielleicht einige Werbestreifen, um das Konto aufzubessern. Und alles ist okay. Solltest du jemals auf die Idee kommen, bei deiner Ex, mehr zu plaudern, als Cheffe gefällt, werden diese Fotos per Expresspost an deine Alte geschickt. Ist eine reine Vorsichtsmaßnahme. Wir wissen, dass du verschwiegen bist. Aber wenn nicht…», er schweigt beredt.
»Und dann komme ich mit einigen Kumpels zur dir auf Besuch. Und wir werden dir jeden Knochen einzeln brechen. Nein, wir werden dich nicht umbringen, sei beruhigt, aber die Schmerzen werden unermesslich sein», kracht sein Arm auf meine Schulter.
»Hast du mich verstanden, Pissgesicht?»
Habe ich.
»Übrigens. Deine Idee mit dem Grafen fanden wir nicht schlecht. Fuckola hieß er? Genial, könnte von mir sein. Pierre lässt dir ausrichten, dass du ein Expodingsbums oder wie das heißt bis Ende der Woche ausarbeiten sollst. Schaffst du das, Kollege?»
»Exposé, ja, mach ich.»
Dann lässt er mich gehen. Erzählt mir noch, wie geil er mich findet, aber wär halt sein Job. Kann er nichts machen und so weiter und so fort. Das Verhältnis seiner Physis zu meiner gleicht dem Donald Ducks zu einem Panzer. Also verzichte ich auf einen Versuch, ihm die Fotos zu entreißen und verschwinde grußlos.

Draußen wanke ich zur Straßenbahnhaltestelle. Was soll ich tun? Antje von meinem wahren Aufgabengebiet erzählen. Ich weiß nicht, ob sie mir die Lüge verzeiht. Und die Fotos mit Russlana sehen verdammt echt aus. Ob sie mir meine Geschichte glauben würde. Ich überlege hin, überlege her. Verfluche mich, dass ich mich mit diesen Gangstern eingelassen habe. Ich erinnere mich an Worte meines Vaters. Gibst du dem Satan den kleinen Finger, frisst er dich mit Haut und Haaren. Da hat der alte Herr einmal Recht gehabt. Ich habe keine Ahnung, wie ich aus der Kiste wieder rauskomme. Ich fühle mich befleckt. Es ist wirklich kein gutes Feeling, erpressbar zu sein.
Niedergeschlagen komme ich eine Viertelstunde später zu Hause an, nehme die Post aus dem Briefkasten, ohne sie eines Blickes zu würdigen. Körperlich bin ich immerhin wieder einigermaßen auf dem Damm. Nur die Seele ächzt. Ich spreche laut in die leere Wohnung »Ich fühle mich Scheiße! »
Erwartungsgemäß antwortet niemand.

Dann Mailcheck. Nur Spam bis auf eine Nachricht von Antje. Sie freut sich euphorisch aufs Grillen, muss etwas mit mir besprechen. Ist voller Ekstase. Wenigstens eine Person, der es gut geht. Von der Ahmert niente. Verstärkt meinen Frust. Ich wähle die Offenburger Nummer. Es dauert zwei Minuten, bis abgenommen wird.
»Gisela Ahmert Verlag.»
Oh, die Chefin selbst ist an der Strippe.
»Guten Tag, Frau Ahmert. Horst Stengel aus Hannover hier. Ich wollte mich erkundigen, wie es mit meinem Buch steht.»
Sie überlegt.
»Herr Stengel, gut, dass Sie anrufen. Mir geht es gerade wahnsinnig schlecht.»
Und mir? Wenn die eine Ahnung hätte. Höflich frage ich »Warum, Frau Ahmert?»
Sie stöhnt.
»Ich habe einen Bruder Arno. Er arbeitet für die deutsche Botschaft in Bogota. Die deutschen Diplomaten unterstützen die Regierung im Kampf gegen den Drogenhandel. Das wird natürlich von der Mafia nicht gerne gesehen, Her Stengel. Das können sie mir glauben.»
»Sicher», sage ich und frage mich, wo die Pointe lauert. Zur prophylaktischen Beruhigung stecke ich eine Zigarette an.
»Das Drama ist: Die Rebellen wollen hunderttausend Dollar. Sonst bringen sie meinen Bruder um. Ich habe bereits fünfzigtausend nach Kolumbien überwiesen. Aber meine finanzielle Lage ist alles andere als rosig, Herr Stengel.»
»Ist sicher schlimm. Aber wann erscheint denn nun mein Buch?», werde ich ungeduldig.
»Herr Stengel, es fällt mir schwer, Sie zu bitten. Dennoch, könnten sie mich dabei unterstützen, meinen Bruder aus der Gefangenschaft freizukaufen?»
Ich halte mich für einen sozialen Menschen, aber Geisel aus den Händen der Drogenmafia zu befreien. Das übersteigt meine Fähigkeiten.
»Was erwarten Sie denn von mir? », frage ich genervt.
»Wenn jeder meiner Autoren fünftausend Euro spenden würde, könnten wir Ingo befreien. Ich bin nicht nur Verlegerin sondern auch Mensch. Dann hätte ich den Kopf frei, um die zahlreichen Bücher herauszubringen, die momentan auf Halde liegen.»
»Heißt Ihr Bruder nicht Arno?», fühle ich mich verarscht.
»Es ist doch wohl egal, wie mein Bruder heißt. Es geht hier um Menschen, nicht um Namen, Herr Stengel. Gerade Sie als Autor sollten das wissen.»
Das ist die Höhe. Ob die Frau weiß, was für Mühe es mich gekostet hat, die dreitausend Euro aufzubringen.
»Hören Sie mir zu. Ich habe meine Eltern angepumpt, mit denen ich seit Jahren kaum Kontakt habe. Ich bin mit einer Kaffeefahrertruppe durch die Botanik gegondelt, in der Hoffnung, ein paar Euros abzustauben. Jetzt arbeite ich für einen Pornofilmer, der mich nebenbei noch erpresst. Und das alles, damit mein Buch erscheint. Und jetzt sagen Sie mir, dass ich noch fünftausend Euro für ihren Bruder aufbringen soll, von dem Sie nicht einmal zu wissen scheinen, wie er wirklich heißt. Das steht nicht im Vertrag.»
Ich krieche fast in die Muschel.
»Mein Bruder heißt Arno Ingo Ahmert. Wie gesagt, Herr Stengel», entgegnet sie kalt. »ich bin in erster Linie Mensch, erst danach kommt die Verlegerin. Ich werde alles tun, um meinen Bruder zu befreien. Von den finanziellen Problemen meines Hotels habe ich ihnen gar nichts erzählt. Auch nicht von meinen schwerkranken Eltern, die ich finanziell unterstütze. Brauch ich auch nicht. Andere Autoren sind da freigiebiger. Deren Bücher werden natürlich vorgezogen. Guten Tag.»
Sie legt auf. Ich starre den Hörer an. Das hat sie doch nicht wirklich gesagt. Ich drücke auf Wahlwiederholung.
»Sie haben die Nummer des Gisela-Ahmert-Verlags gewählt. Leider rufen Sie außerhalb unserer Geschäftszeiten an. Bitte hinterlassen Sie eine Nachricht nach dem Signalton. Wir rufen Sie gerne zurück.»
»Frau Ahmert, ich bin kurz davor ausfällig zu werden. Es ist doch nicht Ihr Ernst, dass sie mein Buch nur herausgeben, wenn ich Ihnen weitere fünftausend Euro überweise. Rufen Sie sofort zurück. Ich will eine feste Zusage für den Termin der Buchveröffentlichung. Ansonsten wende ich mich an die Polizei. Das ist Betrug. Jawohl, Betrug.»
Ich finde meine Ansage hilflos, aber anderes fällt mir nicht ein. Die Ahmert schlägt mir in den Bauch, haut mir den Baseballschläger über die Rübe und reißt mir die Eier ab. Zwar nur metaphorisch, schmerzt aber genauso. Ich lasse mich aufs Sofa fallen. Soviel Aufriss für eine Karriere, die in den Fluten des Jordans versinkt, bevor sie begonnen hat. Ich ziehe ein Fazit. Mein Portemonnaie ist zwar momentan voll, aber dies verdanke ich einem Job im Halbweltmilieu, bei dem ich erpresst werde. Mein Buch wird am Sankt Nimmerleinstag erscheinen. Meine Exfreundin ist mit diesem Zuhälter zusammen. Und Perspektive: Null. Ein ernüchterndes Fazit meines Lebens.
Doch halt: Antje liebt mich. Da kann ich doch nicht alles verkehrt gemacht haben. Vielleicht hat sie eine zündende Idee, wie ich die Ahmert zum Verlegen meines Romans bewegen kann. Den gordischen Knoten mit Pierre muss ich zerschlagen, will schließlich nicht als kompletter Loser dastehen.
»Pierre Lüscherhof Media.»
»Horst am Apparat.»
»Mein Freund, schön, dass du anrufst. War doch gestern eine nette Feier? Wir hatten alle viel Spaß. Ist der Rausch verflogen und der Kopf wieder klar?», lacht er leise.
»Was soll die Geschichte mit den Fotos? Ich lasse mich nicht von dir erpressen. Wenn du meinst, dass ich unter Druck schneller liefere, liegst du falsch. Ich bin Künstler, keine Nutte, die vielleicht die Taktzahl ihrer Freier erhöhen kann», lasse ich meinem Frust freien Lauf.
Pierre gackert.
»Welch hässliche Worte. Buddha sprach: Groll mit uns herumtragen ist wie das Greifen nach einem glühenden Stück Kohle in der Absicht, es nach jemandem zu werfen. Man verbrennt sich nur selbst dabei. Nimm es nicht persönlich, mein Freund. Ich agiere in einem aggressiven Umfeld. Da benötige ich loyale Mitarbeiter. Loyal bis in den Tod. Und das ist keine Redensart», wird er ernst. »Du weißt Dinge über mich, die kein anderer zu wissen braucht. Und umgekehrt genauso. Das nennt man eine Win-Win-Situation. Sollte ein Mitarbeiter abtrünnig werden, entwickelt es sich zu Loss-Loss. Andere Unternehmer verklagen untreue Beschäftigte, ich ruiniere ihr Leben. Das überlegt sich jeder zwei Mal, hab ich nicht recht? Du musst dir keine Sorgen machen. Ist eine reine Vorsorgemaßnahme. Deine Verbindung zu meiner Verlobten spielt sicherlich auch eine Rolle. Sie braucht nicht alles wissen. Sieh es als kleine Versicherung, dass deine Lippen versiegelt sind. Sonst alles klar?»
Mir wird mit einem Schlage eines klar: Ich darf mich nicht länger rumschubsen lassen. Muss agieren, nicht reagieren. Wenn ich akzeptiere, mich von diesem Verbrecher erpressen zu lassen, bin ich verloren. Früher oder später lande ich im besten Falle im Knast, im schlimmsten auf dem Friedhof.
»Ich habe bereits gute Fortschritte bei dem Drehbuch gemacht», lüge ich. »Aber ich werde nicht eher liefern, bis du mir Fotos und Negative auslieferst. Das ist keine Verhandlungssache.»
Für einen Moment schweigt Pierre.
»Du machst mich sehr traurig, mein lieber Horst», spricht er eher wie ein Pfarrer als ein Zuhälter. »Ich bezahle dich üppig und habe dir viel Vertrauen entgegengebracht. Vertrauen in deine Fähigkeiten und dich als Menschen. Deshalb habe ich dir einen großzügigen Vorschuss gewährt, mit dir gefeiert, dich mit den wichtigen Leuten meines Firmenimperiums bekannt gemacht. Und was ist der Dank? Drohungen und Beleidigungen.»
Er schweigt, erwartet, dass ich meine Treue bekunde.
»Erst Fotos und Negative. Mir ist egal, wie du deine Sklaven gefügig machst, nicht mit mir. Kannst du dir bis morgen überlegen. Wenn die Bilder dann nicht in meinem Besitz sind, gehe ich zur Polizei. Irgendwas werden die Bullen schon bei dir finden. Das nutzt dem Geschäft sicherlich wenig, und du bist doch Geschäftsmann.»
Es ist gewagt, einem Typen wie Pierre zu drohen. Der wirkt auch verblüfft, scheint keinen Widerspruch gewohnt zu sein.
»Mein lieber Horst. Lass uns das noch mal besprechen. Komm einfach in der Firma vorbei. Oder heute Abend im Spezial.»
Seine Worte klingen moderat, seine Stimme gefriert geradezu.
»Sorry, keine Zeit. Steck mir die Fotos und Negative in einen Briefumschlag und schick ihn per Post. Bis Mitte nächster Woche hast du dann dein Exposé und die Hälfte vom Drehbuch. Sonst bekommst du nichts von mir.»
Ich lege auf. Bin mir nicht sicher, welche Folgen meine Rebellion haben wird. Ich halte es jetzt aber doch für besser, Antje reinen Wein einzuschenken. Dann entfiele jeglicher Grund für eine Erpressung und ich wäre frei.

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