Montag, Oktober 04, 2010

Bestseller Kapitel 13: Zwischen kolumbianischen Drogenbossen und russischen Huren



Schwarz und warm und dumpf. Sekunden quälen sich dahin, bis ich meine Augen öffnen kann. Meine Ohren sind schon wach. Während der Kleister der Nacht langsam bröckelt, höre ich eine Stimme.
»Russisch Frau sind immer feucht.»
»Mhm, ja, ich spür, wie hart du bist. Jaaa, mhm, reib dich an mich, starker Hengst.»
Mit einem Ruck bin ich wach, gebe aber zu schlafen vor. Mein Kopf schmerzt, als hätte im Schädelinnern eine Herde Mustangs ein Western-Rodeo veranstaltet. Ich fürchte, mein neuer Arbeitgeber hat mir was in den Sekt geschüttet. Und ein Vitaminpräparat wird das kaum gewesen sein. Jede einzelne Zelle scheint gegen meinen Körper mit Schmerzattacken zu rebellieren.
Ich befinde mich immer noch im Puff, wird mir schnell klar. Ein schwarz gehaltener Raum mit einigen Kerzen und einem Himmelbett. Auf diesem liege ich wie mich das Universum in die Welt geworfen hat. Splitternackt. Neben mir liegt ein Kondom, wobei ich nicht erkennen kann, ob es gebraucht ist, oder einfach nur ausgepackt. Ich habe doch nicht…? Nein, ich kann es mir nicht vorstellen.
Ich blicke aus den Augenwinkeln auf Russlana, die sich ebenso nackt auf einem dunkel gepolsterten Liegestuhl räkelt. Ihr Busch ist rasiert, sie spreizt die Beine und streichelt sich dazwischen, während sie telefoniert und mit der freien Hand zum Schampusglas greift. Ich hoffe für sie, dass er nicht gespritzt ist. Im Hintergrund dudelt süßliche Klaviermusik.
»Ja, steck ihn mir zwischen die Zeh. Da stehen ich drauf», säuselt sie. Dann bemerkt sie, dass ich aufgewacht bin.
»Rambo, muss Schluss machen. Mein Mann kommt und prügeln mich grün und grau», verhunzt sie die Redensart originell. Mir ist aber nicht nach lachen.
»Ciao Baby. Ja, ruf mich wieder an. Du hast mich richtig besorgt.»
Sie drückt eine Taste auf ihrem Headset und lächelt mich an.
»Na, mein starker Hengst, wieder von tot aufgewacht.»
Mit den Pferden scheint sie es zu haben. Mühsam richte ich mich an der Bettlehne auf.
»Was mache ich hier? », erkenne ich die Stimme nicht, die meinem Mund entströmt. Heiser krächze ich, als hätte ich gestern mehrere Stunden Karnevalslieder gejohlt.
»Oh, du hast mit Russlana gemacht viel Liebe, schönes Liebe. Ich bin lange nicht mehr so fein ran genommen worden», stöhnt sie kurz auf.
Obwohl ich jede Anstrengung meiden sollte, werde ich langsam sauer.
»Wie können wir gevögelt haben, wenn ich mich an nichts erinnern kann. Bin doch schon in der Bar fast eingeschlafen.»
Russlana grinst schelmisch.
»Oh, wie ein wütender Stier hat du Russlana gebändigt. Russlanas Mund hat müden kleinen Krieger wach gemacht. Dann warst du nicht zu halten. Von Seite, von unten, in Popo. Das hat Russlana am besten gefallen. Klein Horst ist einfach süß, wie Rambo Stallone.»
Die kann mir viel erzählen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass wir etwas miteinander gehabt haben. Erstens ist sie nicht mein Typ, zweiten würde ich Antje nicht betrügen.
»Ist Richi Claydermann nicht toller Klavier Spieler? », fragt sie.
»Wo sind meine Klamotten? », frage ich zurück. Die Frau lügt bereits, wenn sie guten Tag sagt.
»Heißt Balade pour Adeline. Stück hat er geschrieben für Mädchen wie Russlana. Hat sich verliebt und immer Stück gespielt in Bar. Dort hat es gehört wichtiger Plattenboss. Und haben daraus Platte gemacht.»
»Und was willst du mir damit sagen? », werde ich ungeduldig. »Wo sind bitteschön die Sachen, die ich angehabt habe, als ich hier rein gekommen bin?»
»Du kannst auch für Russlana machen Kunstwerk. Schreiben Gedichte über zarte Beine wie Pasternak oder Geschichte mit Abenteuer wie Puschkin? Bitte. Russlana dann macht Liebe mit dir ohne Geld.»
Die Alte ist komplett bekloppt. Da ich meine Kleider auf dem Boden gefunden habe, brauche ich das Gespräch nicht fortzuführen. Mühsam krauche ich zu meinen Sachen. Russlana gibt vor, mir zu helfen, doch ihre Finger zielen auf meinen Penis. Ich wehre sie fast grob ab. Beleidigt verzieht sie den Mund.
»Hat dir nicht gefallen, mit Russlana zu ficken?», wird sie ordinär. Wortlos kleide ich mich an.
»Ich glaube dir kein Wort!», krächze ich schließlich.
»Was du nicht glauben? Warum?» Geschmeidig wie eine Katze springt sie aufs Bett, greift den Kondom und hält ihn mir unter die Nase. Voll mit Sperma. Verdammt.
»Das kann nicht von mir stammen», erkläre ich. »Ich war gestern vollkommen groggy. Unvorstellbar, dass ich mit dir Sex hatte. Bin doch im Laufen weggepennt.»
»Russlana weiß, was sie weiß», erklärt die Nutte zweideutig und spuckt auf die Lümmeltüte.
»Hat sich noch kein Mann beschwert über Ficki-Ficki mit Russlana.»
Sie dreht den Liegestuhl demonstrativ um und schaut mich mit dem Rücken an. Soll mich das stören. Ich schaffe es wirklich, mich anzuziehen, fühle mich mittlerweile aber auch besser. Russlana schimpft in ihrer Muttersprache, ich ignoriere sie und verlasse völlig zerknautscht das Zimmer. Langsam schreite ich zur Treppe und humpele die Stufen hinunter. Mist, die haben mich in den zweiten Stock verfrachtet. Noch eine Treppe. Ich begegne niemandem, bis ich unten bin.

Der Muskelmann vom Eingang sitzt mit einem Kaffee an der Bar und raucht. Dunhill. Der Kerl hat Stil, auch wenn er nach Knast riecht.
»Horst? »¸begrüßt er mich mit dreckigem Grinsen. »Wie war die Toberei mit Russlana? Ich bin übrigens Ronny, Pierres rechte Hand. Ich erledige die ganze Drecksarbeit, auf die der Chef kein Bock hat.»
Er reicht mir die Hand. Seine Jackettärmel spannen sich gefährlich, als ob der Stoff gleich reißen würde. Ich ignoriere seine Pfote, bis er sie achselzuckend wieder auf den Tisch legt.
»Muss nach Hause», murmele ich.
»Oh, sexy Stimme», bellt Ronny. »Ich weiß aus eigener Erfahrung, wozu das Miststück fähig ist. Sie kommt übrigens aus Moldawien. Dort habe ich sie in einem Café aufgegabelt. War ein Schnäppchen, die Gute. Und sie hat vom ersten Tag an gefickt, als wäre sie seit zwanzig Jahren im Business. Ich hab halt ein Händchen für Talente. Vielleicht sollte ich mich als Scout für Germany’s next Top-Nutte bewerben. Trink einen Kaffee mit Old Ron. Geht aufs Haus», lässt er wieder seine sympathische Lache ertönen. Eine Hustenattacke folgt, die er mit einem Zug an der Kippe besänftigt.
»Ciao. Bis bald», verabschiede ich mich. »Habe leider keine Zeit.»
Auf einmal verschwindet jegliche gespielte Freundlichkeit aus Ronnys Gangstervisage.
»Setz dich! Meine Einladung schlägt keiner aus.»
Er ist kein Typ, mit dem man diskutiert, also lasse ich mich auf einen Barhocker nieder. Ronny stellt mit schleimigem Grinsen einen Kaffee vor mir.
»Milch, Zucker? Ich lese dir jeden Wunsch von den Lippen ab.»
Ich fühle mich noch immer gerädert. Lasse daher sein Gequatsche über mich ergehen. Seinen Kaffee schlürfe ich auch. Tut echt gut.
»Ja, die Russlana», drückt er seine Kippe in den Aschenbecher, als wolle er sie zerquetschen.
»Die hat noch andere Qualitäten. Ist ein Super-Model. Hat auch schon in ein paar Filmen mitgespielt. Da braucht Harry nicht viele Anweisungen geben.»
Warum labert er mich voll. Bin von der letzten Nacht fertig genug.
»Schau her, hier bringt sie Höchstleistung», hält er mir ein Foto unter die Nase.
Müde richten sich meine Augen nach rechts. Dann schrecke ich auf und mein kompletter Kopf dreht sich.
»Was ist das?»
Ronny schaut auf die Fotos.
»Oh, da habe ich mich wohl vertan. Das sind die Schnappschüsse von gestern Nacht. Russlana meinte, ihr beide wäret so ein schönes Paar, das müssten wir fotografieren. Da hat sich Old Ronny nach oben begeben und mit der Kamera rumgespielt. Du warst auch angetan von der Idee.»
Auf einem Bild ist zu sehen, wie Russlanas Mund Hotte junior in Form bringt. Auf einem anderen Portrait vergnüge ich mich mit ihr doggy style. Die Augen habe ich geschlossen, sieht aber verteufelt echt aus.
»Ihr habt mir was in den Sekt getan. Ich war völlig weggetreten. Das ist eine Riesensauerei. Vernichte die Bilder auf der Stelle.»
Belustigt schüttelt Ronny den Zeigefinger.
»Was für böse Worte. Nein, nein. Und auf Forderungen reagiere ich allergisch, mein Freund.»
»Was wollt ihr von mir», schreie ich. Heraus kommt nur das übliche Krächzen, was Ronny noch mehr amüsiert.
Dann wird er ernst.
»Pierre hält viel von diesem Betriebswirtschaftskram. Das hat er ja studiert. Für mich wäre das nichts. Stundenlanges Büffeln. Igitt. Die Mitarbeiter müssen gebunden werden, predigt er bei jeder Teamsitzung. Und das gilt vom Amüsiermädchen über mich bis hin zum Drehbuchautor», tippt er mir auf die Schulter. Tut weh.
»Ich verstehe nicht», murre ich. »Ob ihr diese Fotos von mir habt, oder nicht. Dadurch schreibe ich weder besser noch schneller.»
Ronny lacht. »Hör zu. Wenn du bei Pierre arbeitest, siehst du Sachen, die andere Leute interessieren, die sie nicht interessieren sollten. Ich erwähn da nur mal die Perle von Pierre. Was Männe macht, geht die nichts an. Soll denken, er fabriziert künstlerische Filme. Vielleicht einige Werbestreifen, um das Konto aufzubessern. Und alles ist okay. Solltest du jemals auf die Idee kommen, bei deiner Ex, mehr zu plaudern, als Cheffe gefällt, werden diese Fotos per Expresspost an deine Alte geschickt. Ist eine reine Vorsichtsmaßnahme. Wir wissen, dass du verschwiegen bist. Aber wenn nicht…», er schweigt beredt.
»Und dann komme ich mit einigen Kumpels zur dir auf Besuch. Und wir werden dir jeden Knochen einzeln brechen. Nein, wir werden dich nicht umbringen, sei beruhigt, aber die Schmerzen werden unermesslich sein», kracht sein Arm auf meine Schulter.
»Hast du mich verstanden, Pissgesicht?»
Habe ich.
»Übrigens. Deine Idee mit dem Grafen fanden wir nicht schlecht. Fuckola hieß er? Genial, könnte von mir sein. Pierre lässt dir ausrichten, dass du ein Expodingsbums oder wie das heißt bis Ende der Woche ausarbeiten sollst. Schaffst du das, Kollege?»
»Exposé, ja, mach ich.»
Dann lässt er mich gehen. Erzählt mir noch, wie geil er mich findet, aber wär halt sein Job. Kann er nichts machen und so weiter und so fort. Das Verhältnis seiner Physis zu meiner gleicht dem Donald Ducks zu einem Panzer. Also verzichte ich auf einen Versuch, ihm die Fotos zu entreißen und verschwinde grußlos.

Draußen wanke ich zur Straßenbahnhaltestelle. Was soll ich tun? Antje von meinem wahren Aufgabengebiet erzählen. Ich weiß nicht, ob sie mir die Lüge verzeiht. Und die Fotos mit Russlana sehen verdammt echt aus. Ob sie mir meine Geschichte glauben würde. Ich überlege hin, überlege her. Verfluche mich, dass ich mich mit diesen Gangstern eingelassen habe. Ich erinnere mich an Worte meines Vaters. Gibst du dem Satan den kleinen Finger, frisst er dich mit Haut und Haaren. Da hat der alte Herr einmal Recht gehabt. Ich habe keine Ahnung, wie ich aus der Kiste wieder rauskomme. Ich fühle mich befleckt. Es ist wirklich kein gutes Feeling, erpressbar zu sein.
Niedergeschlagen komme ich eine Viertelstunde später zu Hause an, nehme die Post aus dem Briefkasten, ohne sie eines Blickes zu würdigen. Körperlich bin ich immerhin wieder einigermaßen auf dem Damm. Nur die Seele ächzt. Ich spreche laut in die leere Wohnung »Ich fühle mich Scheiße! »
Erwartungsgemäß antwortet niemand.

Dann Mailcheck. Nur Spam bis auf eine Nachricht von Antje. Sie freut sich euphorisch aufs Grillen, muss etwas mit mir besprechen. Ist voller Ekstase. Wenigstens eine Person, der es gut geht. Von der Ahmert niente. Verstärkt meinen Frust. Ich wähle die Offenburger Nummer. Es dauert zwei Minuten, bis abgenommen wird.
»Gisela Ahmert Verlag.»
Oh, die Chefin selbst ist an der Strippe.
»Guten Tag, Frau Ahmert. Horst Stengel aus Hannover hier. Ich wollte mich erkundigen, wie es mit meinem Buch steht.»
Sie überlegt.
»Herr Stengel, gut, dass Sie anrufen. Mir geht es gerade wahnsinnig schlecht.»
Und mir? Wenn die eine Ahnung hätte. Höflich frage ich »Warum, Frau Ahmert?»
Sie stöhnt.
»Ich habe einen Bruder Arno. Er arbeitet für die deutsche Botschaft in Bogota. Die deutschen Diplomaten unterstützen die Regierung im Kampf gegen den Drogenhandel. Das wird natürlich von der Mafia nicht gerne gesehen, Her Stengel. Das können sie mir glauben.»
»Sicher», sage ich und frage mich, wo die Pointe lauert. Zur prophylaktischen Beruhigung stecke ich eine Zigarette an.
»Das Drama ist: Die Rebellen wollen hunderttausend Dollar. Sonst bringen sie meinen Bruder um. Ich habe bereits fünfzigtausend nach Kolumbien überwiesen. Aber meine finanzielle Lage ist alles andere als rosig, Herr Stengel.»
»Ist sicher schlimm. Aber wann erscheint denn nun mein Buch?», werde ich ungeduldig.
»Herr Stengel, es fällt mir schwer, Sie zu bitten. Dennoch, könnten sie mich dabei unterstützen, meinen Bruder aus der Gefangenschaft freizukaufen?»
Ich halte mich für einen sozialen Menschen, aber Geisel aus den Händen der Drogenmafia zu befreien. Das übersteigt meine Fähigkeiten.
»Was erwarten Sie denn von mir? », frage ich genervt.
»Wenn jeder meiner Autoren fünftausend Euro spenden würde, könnten wir Ingo befreien. Ich bin nicht nur Verlegerin sondern auch Mensch. Dann hätte ich den Kopf frei, um die zahlreichen Bücher herauszubringen, die momentan auf Halde liegen.»
»Heißt Ihr Bruder nicht Arno?», fühle ich mich verarscht.
»Es ist doch wohl egal, wie mein Bruder heißt. Es geht hier um Menschen, nicht um Namen, Herr Stengel. Gerade Sie als Autor sollten das wissen.»
Das ist die Höhe. Ob die Frau weiß, was für Mühe es mich gekostet hat, die dreitausend Euro aufzubringen.
»Hören Sie mir zu. Ich habe meine Eltern angepumpt, mit denen ich seit Jahren kaum Kontakt habe. Ich bin mit einer Kaffeefahrertruppe durch die Botanik gegondelt, in der Hoffnung, ein paar Euros abzustauben. Jetzt arbeite ich für einen Pornofilmer, der mich nebenbei noch erpresst. Und das alles, damit mein Buch erscheint. Und jetzt sagen Sie mir, dass ich noch fünftausend Euro für ihren Bruder aufbringen soll, von dem Sie nicht einmal zu wissen scheinen, wie er wirklich heißt. Das steht nicht im Vertrag.»
Ich krieche fast in die Muschel.
»Mein Bruder heißt Arno Ingo Ahmert. Wie gesagt, Herr Stengel», entgegnet sie kalt. »ich bin in erster Linie Mensch, erst danach kommt die Verlegerin. Ich werde alles tun, um meinen Bruder zu befreien. Von den finanziellen Problemen meines Hotels habe ich ihnen gar nichts erzählt. Auch nicht von meinen schwerkranken Eltern, die ich finanziell unterstütze. Brauch ich auch nicht. Andere Autoren sind da freigiebiger. Deren Bücher werden natürlich vorgezogen. Guten Tag.»
Sie legt auf. Ich starre den Hörer an. Das hat sie doch nicht wirklich gesagt. Ich drücke auf Wahlwiederholung.
»Sie haben die Nummer des Gisela-Ahmert-Verlags gewählt. Leider rufen Sie außerhalb unserer Geschäftszeiten an. Bitte hinterlassen Sie eine Nachricht nach dem Signalton. Wir rufen Sie gerne zurück.»
»Frau Ahmert, ich bin kurz davor ausfällig zu werden. Es ist doch nicht Ihr Ernst, dass sie mein Buch nur herausgeben, wenn ich Ihnen weitere fünftausend Euro überweise. Rufen Sie sofort zurück. Ich will eine feste Zusage für den Termin der Buchveröffentlichung. Ansonsten wende ich mich an die Polizei. Das ist Betrug. Jawohl, Betrug.»
Ich finde meine Ansage hilflos, aber anderes fällt mir nicht ein. Die Ahmert schlägt mir in den Bauch, haut mir den Baseballschläger über die Rübe und reißt mir die Eier ab. Zwar nur metaphorisch, schmerzt aber genauso. Ich lasse mich aufs Sofa fallen. Soviel Aufriss für eine Karriere, die in den Fluten des Jordans versinkt, bevor sie begonnen hat. Ich ziehe ein Fazit. Mein Portemonnaie ist zwar momentan voll, aber dies verdanke ich einem Job im Halbweltmilieu, bei dem ich erpresst werde. Mein Buch wird am Sankt Nimmerleinstag erscheinen. Meine Exfreundin ist mit diesem Zuhälter zusammen. Und Perspektive: Null. Ein ernüchterndes Fazit meines Lebens.
Doch halt: Antje liebt mich. Da kann ich doch nicht alles verkehrt gemacht haben. Vielleicht hat sie eine zündende Idee, wie ich die Ahmert zum Verlegen meines Romans bewegen kann. Den gordischen Knoten mit Pierre muss ich zerschlagen, will schließlich nicht als kompletter Loser dastehen.
»Pierre Lüscherhof Media.»
»Horst am Apparat.»
»Mein Freund, schön, dass du anrufst. War doch gestern eine nette Feier? Wir hatten alle viel Spaß. Ist der Rausch verflogen und der Kopf wieder klar?», lacht er leise.
»Was soll die Geschichte mit den Fotos? Ich lasse mich nicht von dir erpressen. Wenn du meinst, dass ich unter Druck schneller liefere, liegst du falsch. Ich bin Künstler, keine Nutte, die vielleicht die Taktzahl ihrer Freier erhöhen kann», lasse ich meinem Frust freien Lauf.
Pierre gackert.
»Welch hässliche Worte. Buddha sprach: Groll mit uns herumtragen ist wie das Greifen nach einem glühenden Stück Kohle in der Absicht, es nach jemandem zu werfen. Man verbrennt sich nur selbst dabei. Nimm es nicht persönlich, mein Freund. Ich agiere in einem aggressiven Umfeld. Da benötige ich loyale Mitarbeiter. Loyal bis in den Tod. Und das ist keine Redensart», wird er ernst. »Du weißt Dinge über mich, die kein anderer zu wissen braucht. Und umgekehrt genauso. Das nennt man eine Win-Win-Situation. Sollte ein Mitarbeiter abtrünnig werden, entwickelt es sich zu Loss-Loss. Andere Unternehmer verklagen untreue Beschäftigte, ich ruiniere ihr Leben. Das überlegt sich jeder zwei Mal, hab ich nicht recht? Du musst dir keine Sorgen machen. Ist eine reine Vorsorgemaßnahme. Deine Verbindung zu meiner Verlobten spielt sicherlich auch eine Rolle. Sie braucht nicht alles wissen. Sieh es als kleine Versicherung, dass deine Lippen versiegelt sind. Sonst alles klar?»
Mir wird mit einem Schlage eines klar: Ich darf mich nicht länger rumschubsen lassen. Muss agieren, nicht reagieren. Wenn ich akzeptiere, mich von diesem Verbrecher erpressen zu lassen, bin ich verloren. Früher oder später lande ich im besten Falle im Knast, im schlimmsten auf dem Friedhof.
»Ich habe bereits gute Fortschritte bei dem Drehbuch gemacht», lüge ich. »Aber ich werde nicht eher liefern, bis du mir Fotos und Negative auslieferst. Das ist keine Verhandlungssache.»
Für einen Moment schweigt Pierre.
»Du machst mich sehr traurig, mein lieber Horst», spricht er eher wie ein Pfarrer als ein Zuhälter. »Ich bezahle dich üppig und habe dir viel Vertrauen entgegengebracht. Vertrauen in deine Fähigkeiten und dich als Menschen. Deshalb habe ich dir einen großzügigen Vorschuss gewährt, mit dir gefeiert, dich mit den wichtigen Leuten meines Firmenimperiums bekannt gemacht. Und was ist der Dank? Drohungen und Beleidigungen.»
Er schweigt, erwartet, dass ich meine Treue bekunde.
»Erst Fotos und Negative. Mir ist egal, wie du deine Sklaven gefügig machst, nicht mit mir. Kannst du dir bis morgen überlegen. Wenn die Bilder dann nicht in meinem Besitz sind, gehe ich zur Polizei. Irgendwas werden die Bullen schon bei dir finden. Das nutzt dem Geschäft sicherlich wenig, und du bist doch Geschäftsmann.»
Es ist gewagt, einem Typen wie Pierre zu drohen. Der wirkt auch verblüfft, scheint keinen Widerspruch gewohnt zu sein.
»Mein lieber Horst. Lass uns das noch mal besprechen. Komm einfach in der Firma vorbei. Oder heute Abend im Spezial.»
Seine Worte klingen moderat, seine Stimme gefriert geradezu.
»Sorry, keine Zeit. Steck mir die Fotos und Negative in einen Briefumschlag und schick ihn per Post. Bis Mitte nächster Woche hast du dann dein Exposé und die Hälfte vom Drehbuch. Sonst bekommst du nichts von mir.»
Ich lege auf. Bin mir nicht sicher, welche Folgen meine Rebellion haben wird. Ich halte es jetzt aber doch für besser, Antje reinen Wein einzuschenken. Dann entfiele jeglicher Grund für eine Erpressung und ich wäre frei.

Keine Kommentare:

Blog-Archiv