Montag, Juli 15, 2013

Die Zwei-Euro-Frau



Unser Treppenhaus riecht nach Zitronenfrische. Seltsam, normalerweise stinkt es dort nach Horsts Zigarettenrauch. Ich betrete Horsts Wohnung und bin überrascht: Die Wände seines Ein-Zimmer-Klos sind mit Fotos von Luxusmöbeln beklebt. Horst selber trägt einen Anzug und hat seine Jimi-Hendrix-Gedächtnisfrisur zu einem Scheitel gekämmt. Wirkt spießig. Doch auch Horsts Wohnung duftet wie ein Puff vor Beginn des Abendgeschäfts.

»Moin, Horst. Bereitest du dich gerade auf einen neuen Job als Staubsaugervertreter vor?«, frage ich.
»Du laberst wieder Stuss, Bresser. Nein, ich wandele auf Freiersfüßen. Mein Fallmanager denkt, ich brauche eine Beziehung, ein reiche Frau am besten. Dann würde sich das mit der Arbeit von selber regeln. Gute Idee. Ich habe mehrere Frauenzeitschriften durchgelesen. Jetzt weiß ich, wie die Damen ticken. In wenigen Tagen erliegt meine Angebetete meinem Charme.« Horst strahlt wie ein japanischer Reaktor. Solange ich Horst kenne, hat seine längste Beziehung 2 Tage gedauert.

»Und hast du schon das Opfer deiner Charmeoffensive auserkoren?«, frage ich.
»Na klar.« Horst zeigt mir das Foto einer blassen Frau, deren blonde Haare schlaff auf ihre Schultern fallen. Sie trägt einen dunkelblauen Hosenanzug. Wenn man Geld sparen
will, lädt man so eine Person zu seiner Party ein, und all deine Gäste flüchten.
»Nett«, sage ich, um Horst nicht zu beleidigen. »Wer ist das, kenne ich sie?«
»Du bist ungebildeter als jeder Rütlischüler. Das ist Kristina Schröder, die ist Ministerin. Ein Schnuckelchen.«

»Die ist Ministerin? Für welches Ressort?«
Horst zuckt mit den Schultern. »Komm ich nicht drauf. Warte… Für Hunde? Nee. Bordsteine in den neuen Bundesländern? Auch nicht. Ich hab’s: Familie.«
Jetzt erinnere ich mich auch.
»Hat die nicht auch ein Buch schreiben lassen. Danke, emanzipiert sind wir selber. Ich habe es selber nicht gelesen, aber sie soll behaupten, dass Feminismus Blödsinn ist. Wer mit dem goldenen Löffel im Mund geboren wurde und sich von Assistenten die Doktorarbeit zusammenklöppeln lässt, hat natürlich wenig Verständnis für die Sorgen alleinerziehender Mütter.«
»Böse Unterstellungen, Bresser. Ihre Doktorväter sagen, es sei alles tacko bei Tinchens Disse zugegangen. Außer ihrem guten Aussehen finde ich ihre Emanzdingsbums-Einstellung scharf: Sie verdient das Geld, und ich schmeiße zu Hause den Haushalt. Bier und Kippen muss sie nicht auch noch einkaufen.«

»Es gibt aber ein Hindernis: Soviel ich weiß, ist Tinchen bereits verheiratet. Sie ist die erste Ministerin, die während ihrer Amtszeit ein Kind bekommen hat.«
Horst zieht eine Grimasse.
»Mist.« Dann hellt sich seine Miene auf.
»Du hast recht, Bresser. Ihre Leistungen als Ministerin sind bescheidener als dein Geschreibsel. Wenn sie Casanova Horst Kraschinski verfällt, heiraten wir in Vegas, ich maile das Hochzeitsfoto an die BILD und Merkel spricht ihr wegen Bigamie ihr Vertrauen aus. Und wir bekommen eine fähige neue Ministerin mit Gespür für die Probleme der Bevölkerung.«
»Und was macht ihr, Kristina und du?«

Horst nimmt eine Flasche Herri aus der Fototapete. Guter Trick.
»Kristina hat jede Menge Potenzial, das sie nur nicht abruft. Sie arbeitet als 2-Euro-Jobber für die ARGE und ich bleibe zu Hause und hüte unsere Kinder. Ich will zehn Stück. Denn mit 70 will ich auch nicht mehr das schwere Bier vom Kiosk schleppen müssen. Prost.«  

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