Donnerstag, Juli 18, 2013

Feinripp-Rap



Als ich das Treppenhaus betrete, dröhnt aus Horsts Butze undefinierbarer Lärm. Springsteen ist das nicht. Ich wandere nach oben und werde von harten Beats empfangen. Ich öffne die Tür.


Horst steht am Fenster, in der Hand ein Megaphon. Er trägt eine Jeans, die ihm in der Kniekehle hängt. Darüber strahlt sein Feinripp-Slip in dreckig gelb. Seine Oberkörper wird von einem Kapuzenpulli mit der Aufschrift »Wedding, äy!« verhüllt. Um den Hals baumelt ein Mercedesstern.
»Du bist ein Fresser, du Penner heißt Bresser, ich fick dich in den Arsch. Yo, Mann. Ich ficke BKA, LKA und USA. Yo, Alta«, textet Horst unbeholfen aber laut.  

»Moin, Horst. Was erzählst du denn da? Ich bin entsetzt.«
Horst geht zum Ghettoblaster und stellt die akustische Umweltverschmutzung ab.
»Du störst, Bresser. Ich trainier für meine neue Karriere.«
»Meinst du es gibt dir jemand Geld dafür, mich zu beleidigen.«
Ich werfe ihm zehn Cent hin.
»Damit du aufhörst«, fauche ich.

»Ruhig, Bresser. Das ist nicht persönlich gemeint. Die ARGE hat einen neuen Psychotest mit mir gemacht. Meine Stärken liegen im musischen Bereich. War mir auch neu, aber die ARGE irrt nie. Gute Chancen hast du beim Rap, meinte mein Fallmanager. Sein Sohn würde diesen Buschdingsbums vergöttern. Von dem hat er mir eine CD gebrannt. Sollte ich mir zur Inspiration anhören.«
»Du weißt, dass Musik kopieren verboten ist. Gerade Bushido hat Leute verklagt, die seine Songs aus dem Internet kostenlos runtergeladen haben.«
Horst schaut erstaunt.

»Wieso Musik? Das ist die Möglichkeit, mit meinem temporären Tourette-Syndrom Geld zu scheffeln. Hat Bushido nicht anders gemacht.«
»Dennoch ist es verboten, Musik zu kopieren.«
Horst steckt sich eine Roth-Händle an.
»Mein Fallmanager hat eine Sicherungskopie gemacht. Willst du Philister uns etwa anschwärzen?«
»Natürlich nicht, du bist doch mein Freund.«
»Nee, bin ich nicht. Dein Nachbar zu sein, reicht mir voll und ganz. Jedenfalls haue ich ein paar Beleidigungen raus und erhalte den Integrations-Bambi von Burda. So mein Plan. Als Rapperkampfnamen habe ich mir Leineficker ausgedacht. Wie findest du den?«

Ich öffne eine Flasche Herri, die ich unter dem Besuchersessel gefunden habe. Das kühle Bier in meiner Kehle fährt den Puls runter.
»Furchtbar. Ich werde deine Machwerke nicht kaufen. Such dir einen anständigen Job.«
Horst erhebt sich und schnaubt vor Wut.
»Was stellt sich der Herr Oberspießer denn vor: Schlagersänger, Banker oder Politiker?«
»Vielleicht etwas Bodenständiges. Unser Biohof sucht immer Fahrer. Du müsstest aber nüchtern bleiben.«

»Biokurier, immer mal was Neues. Alles Schwuchteln und Pussies, würde der Rapper in mir sagen.«
»Mensch, Horst. Du sammelst heute Unsympathiepunkte ohne Ende.«
»Für mich kein Problem. Hast du eigentlich arabische Wurzeln? Dann könnten wir einen Vertrag schließen, dass du für mich sämtliche Geschäfte führen darfst und ich wäre jegliche Verantwortung los.«
»Ausgeschlossen. Du beleidigst alle Politiker, und ich werde dafür verknackt. Das könnte dir so passen.«

»Schlappschwuchtel. Wer nicht für mich ist, ist gegen mich. Schäuble, Merkel und Steinbrück sind meine Buddies. Die wissen, dass die Freundschaft eines zukünftigen Bambi-Preisträgers gut im Lebenslauf aussieht.«
»Im Ernst?«, frage ich erstaunt.

»So ernst, wie ich Rapper werden will, du intellektuelle Blindschleiche. Aber es wäre nett, wenn du ein Video von meinen Sangeskünsten aufnehmen würdest. Dann begreift selbst mein Fallmanager, dass bei mir Hopfen und Malz verloren ist.«
Horst öffnet ebenfalls eine Flasche Herri.
»Hätte Bushido auch machen sollen. Dann wäre er zwar abgebrannt wie ich, könnte aber noch guten Gewissens in den Spiegel schauen. Prost.«



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