Als ich das Treppenhaus betrete, dröhnt aus Horsts Butze undefinierbarer Lärm. Springsteen ist das nicht. Ich wandere nach oben und werde von harten Beats empfangen. Ich öffne die Tür.
Horst steht am Fenster, in
der Hand ein Megaphon. Er trägt eine Jeans, die ihm in der Kniekehle hängt.
Darüber strahlt sein Feinripp-Slip in dreckig gelb. Seine Oberkörper wird von
einem Kapuzenpulli mit der Aufschrift »Wedding, äy!« verhüllt. Um den Hals
baumelt ein Mercedesstern.
»Du
bist ein Fresser, du Penner heißt Bresser, ich fick dich in den Arsch. Yo, Mann.
Ich ficke BKA, LKA und USA. Yo, Alta«, textet Horst unbeholfen aber laut.
»Moin,
Horst. Was erzählst du denn da? Ich bin entsetzt.«
Horst
geht zum Ghettoblaster und stellt die akustische Umweltverschmutzung ab.
»Du
störst, Bresser. Ich trainier für meine neue Karriere.«
»Meinst
du es gibt dir jemand Geld dafür, mich zu beleidigen.«
Ich
werfe ihm zehn Cent hin.
»Damit
du aufhörst«, fauche ich.
»Ruhig,
Bresser. Das ist nicht persönlich gemeint. Die ARGE hat einen neuen Psychotest
mit mir gemacht. Meine Stärken liegen im musischen Bereich. War mir auch neu,
aber die ARGE irrt nie. Gute Chancen hast du beim Rap, meinte mein Fallmanager.
Sein Sohn würde diesen Buschdingsbums vergöttern. Von dem hat er mir eine CD
gebrannt. Sollte ich mir zur Inspiration anhören.«
»Du
weißt, dass Musik kopieren verboten ist. Gerade Bushido hat Leute verklagt, die
seine Songs aus dem Internet kostenlos runtergeladen haben.«
Horst
schaut erstaunt.
»Wieso
Musik? Das ist die Möglichkeit, mit meinem temporären Tourette-Syndrom Geld zu
scheffeln. Hat Bushido nicht anders gemacht.«
»Dennoch
ist es verboten, Musik zu kopieren.«
Horst
steckt sich eine Roth-Händle an.
»Mein
Fallmanager hat eine Sicherungskopie gemacht. Willst du Philister uns etwa
anschwärzen?«
»Natürlich
nicht, du bist doch mein Freund.«
»Nee,
bin ich nicht. Dein Nachbar zu sein, reicht mir voll und ganz. Jedenfalls haue
ich ein paar Beleidigungen raus und erhalte den Integrations-Bambi von Burda.
So mein Plan. Als Rapperkampfnamen habe ich mir Leineficker ausgedacht. Wie
findest du den?«
Ich
öffne eine Flasche Herri, die ich unter dem Besuchersessel gefunden habe. Das
kühle Bier in meiner Kehle fährt den Puls runter.
»Furchtbar.
Ich werde deine Machwerke nicht kaufen. Such dir einen anständigen Job.«
Horst
erhebt sich und schnaubt vor Wut.
»Was
stellt sich der Herr Oberspießer denn vor: Schlagersänger, Banker oder
Politiker?«
»Vielleicht
etwas Bodenständiges. Unser Biohof sucht immer Fahrer. Du müsstest aber
nüchtern bleiben.«
»Biokurier,
immer mal was Neues. Alles Schwuchteln und Pussies, würde der Rapper in mir sagen.«
»Mensch,
Horst. Du sammelst heute Unsympathiepunkte ohne Ende.«
»Für
mich kein Problem. Hast du eigentlich arabische Wurzeln? Dann könnten wir einen
Vertrag schließen, dass du für mich sämtliche Geschäfte führen darfst und ich
wäre jegliche Verantwortung los.«
»Ausgeschlossen.
Du beleidigst alle Politiker, und ich werde dafür verknackt. Das könnte dir so
passen.«
»Schlappschwuchtel.
Wer nicht für mich ist, ist gegen mich. Schäuble, Merkel und Steinbrück sind
meine Buddies. Die wissen, dass die Freundschaft eines zukünftigen
Bambi-Preisträgers gut im Lebenslauf aussieht.«
»Im
Ernst?«, frage ich erstaunt.
»So
ernst, wie ich Rapper werden will, du intellektuelle Blindschleiche. Aber es
wäre nett, wenn du ein Video von meinen Sangeskünsten aufnehmen würdest. Dann
begreift selbst mein Fallmanager, dass bei mir Hopfen und Malz verloren ist.«
Horst
öffnet ebenfalls eine Flasche Herri.
»Hätte
Bushido auch machen sollen. Dann wäre er zwar abgebrannt wie ich, könnte aber
noch guten Gewissens in den Spiegel schauen. Prost.«
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