Montag, Juli 22, 2013

Männchen piss



Im Treppenhaus finde ich mehrere Schalen mit kalten Pommes Frites. Ziemlich ekelhaft. Ich entsorge den Abfall im Hausmüll. Mir fällt nur ein Mitbewohner ein, der diese Sauerei verursacht haben kann. An Horsts Wohnungstür hängt ein Foto des belgischen Männeken Pis. Allerdings ist es mit einem roten Balken durchgestrichen. Darunter steht in Fettschrift BRÜSSELER BÜROKRATEN UNERWÜNSCHT.

Ich versuche, die Tür zu öffnen, aber sie hakt.
»Vorsicht, du Flachpfeife!«, brüllt Horst. »Du zerstörst mein Lager.«

Ich kann hören, wie Horst träge Kartons übers Laminat schiebt. Dabei flucht er wie ein Bierkutscher.
»Verdammter Ökospießer« ist noch das netteste Kompliment. Fünf Minuten später öffnet sich die Tür. Ich tappe durch ein Gang zwischen Kartons bis zu Horsts Sofa.
»Moin, Horst. Meintest du mich mit verschimmelter Vegetarierschlumpf?«
»Nicht, doch. Die Millionen anderer Idioten, die in meine Wohnung wollen.«
Horst öffnet eine Flasche Herri und nimmt einen kräftigen Schluck.
»Sehr charmant. Was willst du mit all den Kartons, willst du umziehen«, frage ich neugierig.

»Willst du umziehen«, äfft mich Horst nach. »Ich bunkere für schlechte Zeiten. Solltest du auch tun, Bresser.«
»Was für schlechte Zeiten denn?«, frage ich ein wenig verwirrt.
»Du kriegst aber auch gar nichts mit. Die Diktatur in Brüssel wird uns schlimmer knechten als Honecker die DDR. Da wette ich Hektoliter an Bier drauf. Na, zumindest eine Flasche.«
»Hast du deshalb die Pommesschalen im Treppenhaus platziert?«
Horst erhebt sich.
»Bresser, diese Technokraten müssen merken, dass sie nicht alles mit uns kleinen Leuten machen können. Wir müssen Zeichen setzen, auch wenn es nur im lokalen Rahmen ist.«
»Worum geht es denn genau?«
Horst fuchtelt mit der Faust vor meiner Nase rum. Ich fühle mich unbehaglich.

»Die verbieten Glühbirnen und Mentholzigaretten. Die haben den Schuss doch nicht gehört, die Pommesfresser in ihrem Europaparlament.«
»Mein lieber Horst, im Europaparlament sitzen Abgeordnete aus allen EU-Ländern, nur der Sitz liegt in Brüssel.«
Horst packt mich am Hemd. »Sind wir heute im Klugscheißmodus, Bresser? Ob Brüssel oder Amsterdam. Belgien bleibt Belgien. Was ändert das an den verheerenden Tatsachen?«
Ich befreie mich und gehe zum Fenster.
»Lauf nur weg. Bald siehst auch du kein Licht in der Dunkelheit. Erklär das nur deinem Sohn. In deiner Haut möchte ich nicht stecken. Ich bin wenigstens nur für mich allein verantwortlich.«
Ich lächele. »Horst, es gibt nur keine herkömmlichen Glühbirnen mehr, dafür viel effizientere Energiesparlampen.«

»Und die sind vergiftet. Lass eine runterfallen, und deine Bude stinkt wie eine Quecksilberfabrik. Und du willst mir was von Ökologie erzählen.«
»Okay, das stimmt schon«, räume ich ein. »Aber kein Grund, Panik zu schieben. Horst, das Leben geht trotz der EU weiter.«
Horst steckt eine Mentholzigarette in Brand.

»Sicher? Helmut Schmidt fegt den Mentholzigarettenmarkt leer, Steinbrück den für Glühbirnen. Die Politiker haben zwar keine Ahnung, wissen aber eher als der Bürger, wenn Gefahr droht.«
»Und du hast eine LKW-Ladung Glühbirnen gekauft. Dann kann ja nichts passieren. Aber was willst du mit Mentholzigaretten. Sowas rauchst du doch eigentlich nicht.«
Horst schnippt den Stummel angewidert in den Ascher. Dann lächelt er, als hätte ihn Jesus persönlich gesegnet.

»Keine Krise ohne Chance. Wenn Helmut Schmidts Vorrat von 35.000 Kippen in einem Jahr aufgebraucht sind, biete ich ihm meine an. Der zahlt auch 100 Euro die Schachtel. Dann sitzen wir hier im Glühbirnenlicht, schnacken, rauchen und planen die Weltrevolution.«
Ich schüttele den Kopf.
»Unser Altkanzler ist nicht gerade als Revolutionär bekannt. Du träumst, Horst.«

»Du bist intellektuell einfacher strukturiert als eine Amöbe, Bresser. Der Schmidt ist ein brillanter Strategie und für eine Schachtel Zichten plant der mir eine bessere Revolution als Castro. Und dann halt dich fest, EU. Prost.«



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