Im Treppenhaus finde ich mehrere Schalen mit kalten Pommes Frites. Ziemlich ekelhaft. Ich entsorge den Abfall im Hausmüll. Mir fällt nur ein Mitbewohner ein, der diese Sauerei verursacht haben kann. An Horsts Wohnungstür hängt ein Foto des belgischen Männeken Pis. Allerdings ist es mit einem roten Balken durchgestrichen. Darunter steht in Fettschrift BRÜSSELER BÜROKRATEN UNERWÜNSCHT.
Ich
versuche, die Tür zu öffnen, aber sie hakt.
»Vorsicht,
du Flachpfeife!«, brüllt Horst. »Du zerstörst mein Lager.«
Ich
kann hören, wie Horst träge Kartons übers Laminat schiebt. Dabei flucht er wie
ein Bierkutscher.
»Verdammter
Ökospießer« ist noch das netteste Kompliment. Fünf Minuten später öffnet sich
die Tür. Ich tappe durch ein Gang zwischen Kartons bis zu Horsts Sofa.
»Moin,
Horst. Meintest du mich mit verschimmelter Vegetarierschlumpf?«
»Nicht,
doch. Die Millionen anderer Idioten, die in meine Wohnung wollen.«
Horst
öffnet eine Flasche Herri und nimmt einen kräftigen Schluck.
»Sehr
charmant. Was willst du mit all den Kartons, willst du umziehen«, frage ich
neugierig.
»Willst
du umziehen«, äfft mich Horst nach. »Ich bunkere für schlechte Zeiten. Solltest
du auch tun, Bresser.«
»Was
für schlechte Zeiten denn?«, frage ich ein wenig verwirrt.
»Du
kriegst aber auch gar nichts mit. Die Diktatur in Brüssel wird uns schlimmer
knechten als Honecker die DDR. Da wette ich Hektoliter an Bier drauf. Na,
zumindest eine Flasche.«
»Hast
du deshalb die Pommesschalen im Treppenhaus platziert?«
Horst
erhebt sich.
»Bresser,
diese Technokraten müssen merken, dass sie nicht alles mit uns kleinen Leuten
machen können. Wir müssen Zeichen setzen, auch wenn es nur im lokalen Rahmen
ist.«
»Worum
geht es denn genau?«
Horst
fuchtelt mit der Faust vor meiner Nase rum. Ich fühle mich unbehaglich.
»Die
verbieten Glühbirnen und Mentholzigaretten. Die haben den Schuss doch nicht
gehört, die Pommesfresser in ihrem Europaparlament.«
»Mein
lieber Horst, im Europaparlament sitzen Abgeordnete aus allen EU-Ländern, nur
der Sitz liegt in Brüssel.«
Horst
packt mich am Hemd. »Sind wir heute im Klugscheißmodus, Bresser? Ob Brüssel
oder Amsterdam. Belgien bleibt Belgien. Was ändert das an den verheerenden
Tatsachen?«
Ich
befreie mich und gehe zum Fenster.
»Lauf
nur weg. Bald siehst auch du kein Licht in der Dunkelheit. Erklär das nur
deinem Sohn. In deiner Haut möchte ich nicht stecken. Ich bin wenigstens nur
für mich allein verantwortlich.«
Ich
lächele. »Horst, es gibt nur keine herkömmlichen Glühbirnen mehr, dafür viel
effizientere Energiesparlampen.«
»Und
die sind vergiftet. Lass eine runterfallen, und deine Bude stinkt wie eine
Quecksilberfabrik. Und du willst mir was von Ökologie erzählen.«
»Okay,
das stimmt schon«, räume ich ein. »Aber kein Grund, Panik zu schieben. Horst,
das Leben geht trotz der EU weiter.«
Horst
steckt eine Mentholzigarette in Brand.
»Sicher?
Helmut Schmidt fegt den Mentholzigarettenmarkt leer, Steinbrück den für
Glühbirnen. Die Politiker haben zwar keine Ahnung, wissen aber eher als der
Bürger, wenn Gefahr droht.«
»Und
du hast eine LKW-Ladung Glühbirnen gekauft. Dann kann ja nichts passieren. Aber
was willst du mit Mentholzigaretten. Sowas rauchst du doch eigentlich nicht.«
Horst
schnippt den Stummel angewidert in den Ascher. Dann lächelt er, als hätte ihn
Jesus persönlich gesegnet.
»Keine
Krise ohne Chance. Wenn Helmut Schmidts Vorrat von 35.000 Kippen in einem Jahr
aufgebraucht sind, biete ich ihm meine an. Der zahlt auch 100 Euro die
Schachtel. Dann sitzen wir hier im Glühbirnenlicht, schnacken, rauchen und
planen die Weltrevolution.«
Ich
schüttele den Kopf.
»Unser
Altkanzler ist nicht gerade als Revolutionär bekannt. Du träumst, Horst.«
»Du
bist intellektuell einfacher strukturiert als eine Amöbe, Bresser. Der Schmidt
ist ein brillanter Strategie und für eine Schachtel Zichten plant der mir eine
bessere Revolution als Castro. Und dann halt dich fest, EU. Prost.«