Freitag, Dezember 26, 2014

Die Weihnachtsgeschichte nach Horst

http://www.amazon.de/exec/obidos/ASIN/3862654443/blackpublication

 


Wir haben zu Weihnachten unseren Nachbarn Horst eingeladen. Unser Tannenbaum sieht dieses Jahr anders aus als in den Vorjahren. Statt Kugel und Engeln hängen Bierflaschen zwischen den Zweigen. Immerhin stammen die Getränke aus nachhaltiger Produktion, da habe ich drauf bestanden.

Wir singen Stille Nacht und Oh, du Fröhliche. Horst brummt atonal mit. Seine Gesangsstimme klingt nach einem Helene-Fischer-Lied, das ich vom Weghören kenne. Horst bestreitet dies vehement.
Anschließend will Andrea die Weihnachtsgeschichte vorlesen.

»Kommt nicht in Frage«, grunzt Horst. »Die erzähle ich.«
»Och nö«, sage ich.
»Horsti, Horsti!« Max überstimmt Andrea und mich. Na gut, was soll es schaden.
Horst nimmt eine Flasche aus dem Weihnachtsbaum, öffnet sie mit einem Fingernagel und trinkt.

»Vor einigen Jahren, lieber Max, erließ die feiste, humorlose Wachtel aus Berlin ein Gebot, dass sich jeder zählen ließe. Also begab ich mich zu meinem Arbeitsamt.«
»Stopp!«, rufe ich. »So steht die Geschichte nicht in der Bibel.«
»Du Amöbe hast jahrelang dem Jungen eine falsche Geschichte vorgelogen«, raunzt Horst. »Halten wir uns an die Wahrheit, oder ich mache nicht mehr mit. Kannst du dir aussuchen.«
Andrea nickt beschwichtigend.
»Kann ich jetzt wieder?«, fragt Horst. Wir nicken müde, und ich träume vom Festtagsbraten.

»Ich hatte meine Freundin Luzi im Schlepptau, die war schwanger.«
»Ich wusste gar nicht, dass du Papa bist?«, fragt Max erstaunt.
»Das Kind war auch nicht von mir, Luzi war auch eher eine Bekannte«, sagt Horst. »Unterbrecht mich nicht immer. Wir finden uns also beim Fallmanager ein. Da bekommt Luzi Wehen. Es war schrecklich. Ich bin ohnmächtig geworden. Als ich wieder aufwachte, war Kevin Horst geboren. Ein wahres Weihnachtswunder. Ein arbeitsloser Arzt hatte die Entbindung durchgeführt.«

»Und die Hirten, Engel und heiligen drei Könige?«, fragt Max gespannt.
»Waren alle in Ein-Euro-Jobs beschäftigt, was sonst«, sagt Horst. »Die konnten nicht kommen, sonst wäre ihnen die Stütze gekündigt worden. Mein Fallmanager schlug mir allerdings vor, ich könne in einen Stall umziehen, würde doch zum Heiligabend passen.«
»Wirklich?«, frage ich erstaunt.

»Du bist blöder als ein AfD-Politikazubi. Ein Stall wäre zu teuer. In Wirklichkeit habe ich im Amazonasdelta Gold ausgegraben. Weil Weihnachten war, wurde es mir nicht komplett angerechnet.«
»Das ist nett«, sagt Max.
»Habe auch nur eine Münze gefunden. Die habe ich für eine Kiste Seemannsgarn ausgegeben. Frohe Weihnachten und ein seliges Prost.«

Keine Kommentare:

Blog-Archiv